Das Ansehen von Berufen
Unfrageergebnisse 1961
zum Vergleich: Aus: Elisabeth Noelle, Erich Peter Neumann (Hrsg.): Jahrbuch der öffentlichen Meinung. 1965-1967. Allensbach und Bonn: Verlag für Demoskopie 1967, 286-287.
Allensbacher Umfragen 1968 und 1972 Aus: Elisabeth Noelle, Erich Peter Neumann (Hrsg.): Jahrbuch der öffentlichen Meinung. 1968-1973.Allensbach und Bonn: Verlag für Demoskopie 1974, 369-370.
Aus: Elisabeth Noelle-Neumann (Hrsg.): Allensbacher Jahrbuch der Demoskopie 1976-1977. Wien: Molden 1977.
Allensbacher Umfragen 1979-1982 Aus: Elisabeth Noelle-Neumann, Edgar Piel (Hrsg.): Allensbacher Jahrbuch der Demoskopie 1978-1983. München: Saur 1983, 419-421.
Da die früheren Berichte des Instituts für Demoskopie Allensbach nicht mehr online verfügbar sind, hier eine neuere Zusammenstellung https://fowid.de/meldung/berufsprestige-2013-2016-node3302
Aus: Das Bild des Beamten in der Öffentlichkeit. Eine sozialpsychologische Studie von Professor Peter R. Hofstätter und Werner H. Tack. Bad Godesberg: Verlagsanstalt des Deutschen Beamtenbundes. Deutscher Beamtenverlag GmbH, 1963, 17-23.
Wie schon im Methodenkapitel ausgeführt wurde, haben wir [August bis Oktober 1961: 743] Nichtbeamte aufgefordert, 14 Berufe nach ihrem Ansehen in eine Rangordnung zu bringen. Die Ergebnisse finden sich auf der linken Seite von Tabelle 3. Mit einem durchschnittlichen Rangplatz von R = 8,0 liegt „der Beamte" leicht unterhalb der Mitte (R = 7,5) dieser Skala. Sowohl für ihn als auch für die meisten anderen Berufe stimmen die Rangordnungen der drei Schulgruppen sehr gut überein").
Tabelle 3 Das Ansehen von Berufen Nichtbeamte (Rangplatz) Beamte (P+ - P-) Berufe Gesamt Gesamt Arzt 3,6 80 Professor 3,7 57 Pfarrer 5.5 38 Rechtsanwalt 5,7 16 Fabrikdirektor 6,3 28 Techniker 7,1 25 Kaufmann 7,9 3
Beamter 8,0 -26
Künstler 8,1 -13 Facharbeiter 8,6 10 Bauer 8,9 -41 Angestellter 9,3 -15 Vertreter 11,4 -81 Hilfsarbeiter 12,1 -79
Eine Ausnahme stellt nur „der Künstler" dar, der mit zunehmender Schulbildung der Befragten günstiger plaziert wird. Seine an sich recht geringe Einstufung dürfte sich daraus erklären, dass im gegenwärtigen Sprachgebrauch das Wort „Künstler" mehr für die im Unterhaltungsbetrieb tätigen Personen verwendet wird als für die Prominenten der bildenden Künste, der Musik, des Theaters und der Dichtung.
In den Beamten-Befragungen [August bis Oktober 1961: 614 Antworten] haben wir von den gleichen 14 Berufen jeweils angeben lassen, welche drei Berufe das höchste Ansehen geniessen und welche drei Berufe das geringste. Jeder Beruf erhielt somit eine gewisse Anzahl von Plus-Stimmen und von Minus-Stimmen. Diese Werte wurden auf Prozente der Anzahl der Befragungspersonen umgerechnet. Das Rangordnungsmass ist die Differenz: P+-P- (Tab. 4). Auf diese Weise ergaben sich die Zahlenwerte auf der rechten Seite von Tabelle 3. Auch hier fällt auf, wie wenig sich die Urteile der befragten Personen hinsichtlich ihrer Vorbildung bzw. auch hinsichtlich der vier Laufbahnen unterscheiden. Das Prestige des Beamten wird - wie das negative Vorzeichen zeigt - auch innerhalb der Beamtenschaft etwa unterhalb der Skalenmitte eingeordnet; es rangiert an 11. Stelle und wird nur von dem des Bauern, des Hilfsarbeiters und des Vertreters unterboten. Im Urteil der Nichtbeamten liegen auch der Künstler, der Facharbeiter und der Angestellte tiefer als der Beamte, der an die 8. Stelle gerückt wird. Im ganzen geniesst der Beamte bei den Nichtbeamten ein etwas höheres Ansehen als er glaubt. Dieser Unterschied darf aber, wie Abbildung 4 zeigt, nicht überbewertet werden. Es hat natürlich auch keinen Sinn, nach der objektiven Richtigkeit der Prestige-Rangordnung zu fragen, jedoch wird man an dieser Stelle die interne Streuungsweite berücksichtigen müssen: der allgemein sehr hoch bewertete „Professor" ist ja ebenso ein Beamter wie z. B. der Bundesbahn-Schaffner.
Zu ernsthafterem Nachdenken veranlasst der Umstand, dass die Beamten selbst den Angestellten fast durchwegs etwas höher einstufen als den Beamten; eine Ausnahme stellt in dieser Hinsicht nur die Altersgruppe der über 60jährigen dar. Im Urteil der Nichtbeamten erscheint hingegen der Angestellte erst nach dem Beamten (Rangplatz 8) auf dem 12. Rangplatz. Man wird somit anzunehmen haben, dass die zwischen den beiden Dienstverhältnissen gesehenen Unterschiede (Tab. 5) für die Nichtbeamten auch Prestigedifferenzen bedeuten, kaum jedoch für die Beamten selbst. Als Unterscheidungsmerkmale gegenüber den Angestellten werden von den Beamten die Sicherung des Berufes und des Lebensabends offenbar geringer bewertet als von den Nichtbeamten. Die Beamten neigen hingegen dazu, ihr besonderes Verhältnis zum Staat, d. h. ihre rechtliche Stellung und die sich daraus ergebenden Bindungen, stärker zu betonen. Daraus ergibt sich aber - eigentlich seltsamerweise - nicht die Erwartung eines höheren Ansehens. Es scheint so, als wären die Beamten sich zwar ihres „öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses" (gemäss Grundgesetz Art. 33, Abs. 4) sehr bewusst, als hätten sie dabei aber das Gefühl, die Öffentlichkeit würde daraus für ihr Ansehen keine Konsequenzen ziehen.
Dass zwischen Beamten und Angestellten überhaupt kein klarer Unterschied bestehe, wird zwar im ganzen nicht besonders oft behauptet, aber immerhin von Beamten im Schnitt doppelt so häufig wie von Nichtbeamten. Am stärksten vertreten diese Auffassung die Angehörigen des einfachen Dienstes, die ihrerseits auch besonders oft auf die finanziellen Nachteile des Beamten hinweisen. Finanzielle Vorteile des Beamten erwähnen Nichtbeamte an dritter Stelle (10 % der Nennungen), Beamte aber nur sehr selten. Darin mag schon an dieser Stelle ein Hinweis auf eine eventuelle Überschätzung der wirtschaftlichen Lage der Beamten durch die Nichtbeamten erblickt werden. Im ganzen ist deutlich, dass Nichtbeamte den Unterschied vor allem unter wirtschaftlichen Aspekten sehen, Beamte hingegen unter formal-juristischen.
Die Erwartung, die uns bei dem Blick auf die Prestigeordnung leitete, hat sich insofern bestätigt, als von einer sozialen Spitzenstellung des Beamten schlechthin nicht die Rede sein kann. Er gehört zum Durchschnitt der Berufsskala und rangiert z. B. deutlich niedriger als der Techniker.
Stünde das Berufsprestige des Beamten an der Spitze der Rangordnung, wäre damit zu rechnen gewesen, dass ein sehr grosser Teil der Befragten eine solche Position für anstrebenswert gehalten hätte. Ein Beruf, der in der Skalenmitte rangiert, wird hingegen nur für etwa ein Drittel der Befragten attraktiv sein. Dieses Ergebnis stellte sich in den Antworten auf Frage 4 tatsächlich ein. Unter der natürlich sehr abstrakten Voraussetzung einer neuerlichen und völlig freien Berufswahl erklärten 36 % der Befragten, dass sie Beamte werden möchten. Dieser Wert variiert zwischen den einzelnen Befragungsgruppen nur geringfügig (zwischen 28 % und 42 %); er wächst mit zunehmendem Lebensalter und sinkt etwas mit der Bildungshöhe. Die Geneigtheit ist in kleineren Wohnorten stärker als in grösseren. Die angegebenen Begründungen klären dieses Bild nur wenig auf, da sich in ihnen abermals eine sehr ausgeprägte Stereotypie findet. Wie schon beim Vergleich mit dem Angestellten imponieren auf der positiven Seite am stärksten die Momente der Sicherheit, des gesicherten Lebensabends und der angenehmen Arbeit. Als Hindernisse werden die zu starke Bindung des Beamten und die Gleichförmigkeit seiner Arbeit, bzw. sogar der Mangel an sinnvoller Arbeit, betont. Daneben gibt es allerdings auch eine beträchtliche Anzahl (18 %) rein individuelle Ablehnungsgründe - „der Beruf passt nicht zu mir", etc. -, die in begrifflich wenig durchformulierten Stimmungen zu wurzeln scheinen.
Alles in allem ist der Beamtenstand aber erstaunlich attraktiv. Obwohl sich ihm bloss 5 % der Erwerbstätigen befinden, könnten sich 36 % der befragten Personen ihren Eintritt in diesen Stand recht gut vorstellen. Diese Neigung gründet freilich kaum in der Erwartung von mit diesem Stand verbundenem Ansehen und Einfluss, sondern ganz überwiegend - schon bei der Altersgruppe unter 40 - in der Aussicht auf eine gegenüber den Wechselfällen des Lebens gesicherten Stellung, dank deren man auch eine häufig als zu stark empfundene Bindung sowie eine als relativ uninteressant betrachtete Tätigkeit in Kauf zu nehmen bereit ist. Vielleicht sollte man sich fragen, ob diese ziemlich weilt verbreitete Scheu vor dem beruflichen Risiko nicht die eigentliche Basis für die Klagen über die „Verbeamtung" unserer Gesellschaft darstellt. Es gibt - wie gezeigt - in der Bundesrepublik zwar nicht mehr Beamte als von einem Staat dieser Art und Grösse zu erwarten ist - die „Beamtenhypertrophie" ist somit keine Realität - aber die Tendenz zur Wahl eines auf Lebenszeit „gesicherten" Berufes findet sich immerhin bei einem guten Drittel der Bevölkerung.
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