William Hutchinson: Die Lehrzeichen der Masonen, 1775
Deutsche Auszüge aus William Hutchinson: The Spirit of Masonry. London 1775.
Inhalt Aus der Encyclopaedia Londinensis,“ 1815: Die Lehrzeichen der Masonen (gekürzt)
Aus William Hutchinson: Der Geist der Maurerey. 1780. Vierte Vorlesung: Das Wesen der Loge Fünfte Vorlesung: Die Zierrathen der Loge Sechste Vorlesung: Der Schmuck und die Kleinode der Maurer. Vierzehnte Vorlesung: Schluß.
William Hutchinson: The Spirit of Masonry. London 1775. Deutsch aus Friedrich Mossdorf: Mittheilungen an denkende Freymaurer. Dresden 1818, 245-250; stark gekürzt und verändert, da einem Aufsatz von Stephen Jones in der von John Wilkes herausgegebenen „Encyclopaedia Londinensis“ (siehe XIV), Vol. XIV, 1815, entnommen.
Die Masonen bekennen sich zur Unschuld, als zu Einem ihrer Hauptgrundsätze; und sie legen weissen Putz (Schurzfell und Handschuhe) an, als ein Lehrbild jener Eigenschaft, welche Reinheit der Seele, Sanftmuth und Demuth (gentleness and humility) darstellet.
„Die Alten pflegten gleichergestalt (wie wir in der Biographia Ecclesiastica lesen) dem Täuflinge ein weisses Gewand anzulegen, um dadurch anzudeuten, dass derselbe die fleischlichen Lüste habe fahren lassen und von seinen vorigen Sünden gereiniget sey, und dass er sich verpflichtet habe, ein Leben von unbefleckter Unschuld zu führen. Man überlieferte ihm gewöhnlich das weisse Gewand mit der feyerlichen Anrede: Empfange dieses weisse und unbesudelte Gewand, und bringe es dereinst ohne Flecken vor den Richterstuhl unsres Herrn Jesus Christus, auf dass du das ewige Leben erlangest!" -
Denjenigen von unseren Lesern, welche Masonen sind, ist es wol bekannt, dass auch an sie eine sehr feyerliche Anrede, (wiewol in anderen Ausdrücken,) von den Logenmeistern, von denen Jeder von ihnen die Weihe erhielt, gerichtet ward, als ihnen bey ihrer Einkleidung dieses Zeichen der Unschuld (der weisse Schurz) und dieses Band der Freundschaft (die weissen Handschuhe) verliehen wurden.
Kurz, um in der Allgemeinheit zu reden, der gutunterrichtete Mason weiss, dass die Logenkleinode, wie sie mit besonderm Nachdrucke benannt werden, bloss Abzeichen des innern Menschen sind.
Die Gestalt der Loge selbst ist ein Gegenbild des Weltalls, und der erste Eintritt eines Masons [in die Loge] stellt die erste Handlung der Verehrung des wahren Gottes vor.
Die Masonen behalten die egyptischen Lehrzeichen der Sonne und des Mondes bey, als die Lehrbilder von Gottes Macht, Ewigkeit, Allgegenwart und Gütigkeit.
Die himmlischen Wohnungen der Seligen, auf deren Besitznahme alle Menschen hoffen, werden durch das Siebengestirn bildlich vorgestellet.
Der buntausgelegte oder musivische Fussboden erinnert den nachdenkenden Mason beständig an die Mannichfaltigkeit der Gegenstande, welche die Schöpfung zieren und schmücken, und in gleicher Weise an die buntfarbige (chequered) Verschiedenheit und den Wechsel der menschlichen Dinge. Es deutet ihm an, dass, ob er wol heute die blumigte Wiese des Glücks betritt, er doch morgen auf der ungebahnten Strasse der Trübsal hinwanken könne, und dass er daher sein Herz nicht an die Dinge dieser Welt hängen, sondern seinen Schatz aufbewahren solle an einem Orte, wo der Rost seine Glätte oder seinen Glanz nicht verderben kann. Indem der ächte Mason auf den musivischen Fussboden tritt, wird er auch nie die grossen Grundsätze seines Ordens, brüderliche Liebe (Bruderliebe), Hülfeleistung und Treue, aus dem Gesichte verlieren; er wird nie jene masonischen Hauptpunkte [wesentlichen Eigenschaften], Mässigkeit, Standhaftigkeit, Klugheit und Gerechtigkeit, vergessen, vielmehr vor allen Dingen, da diese die wesentlichsten Tugenden eines jeden vernünftigen Geschöpfs sind, welches eine künftige und bessere Welt im Auge hat, bedenken, dass Jede seiner Handlungen im gegenwärtigen Leben auf Glaube, Hoffnung und allgemeine Liebe gegründet seyn sollte.
Unter die hervorstechendsten baukünstlerischen Werkzeuge, welche den Personen der ersten Beamten einer Loge angehängt werden, gehören die Bleywage ( Plumb rule), das mit einem Bleylothe versehene Richtscheit (Level) und das Winkelmaass; von denen das erste als ein Lehrbild der Aufrichtigkeit [Ehrlichkeit, uprightness] und der Rechtschaffenheit (integritv), das zweyte der Gleichheit und Eintracht (union) und das dritte der Sittlichkeit und der Uebereinstimmung in Gesinnungen (harrnony) betrachtet wird.
Das Lineal (Rule) zielt darauf ab, dass wir unsre Schuldigkeit pünktlich beobachten und auf dem Pfade der Tugend vorwärts dringen, wegen irgend eines vergänglichen Gewinnstes aber weder zur Rechten, noch zur Linken, uns neigen und in allen unseren Handlungen die Ewigkeit im Auge haben sollen.
Die Schnur (Line) giebt Anweisung über das Kennzeichen der sittlichen Rechtwinkeligkeit, um Verstellung in Wort und That zu vermeiden, und zeiget den geraden, aber schmalen, Pfad, der zu einer glorreichen Unsterblichkeit führet.
Der rauhe Bruchstein (Rouht Ashlar) ist der ungeschliffene Stein, ohne Gestalt und Form, sowie er aus dem Steinbruche genommen wird, und bezieht sich lehrbildlich auf den Verstand des Menschen, welcher in seinem ursprünglichen Zustande roh und ungestaltet, wie jener Stein, ist.
Der glatte oder zugerichtete Bruchstein (Smooth or Perfect Ashlar) ist ein geglätteter Stein von einer vollkommen rechtwinkeligen Würfelgestalt (of a true die square), auf welchen der erfahrene Mason seine Kunstfertigkeit verwendet hat, und bezieht sich lehrbildlich auf den Verstand des Menschen im Zustande seines Wachsthums, nachdem er die Vortheile einer freysinnigen Erziehung, väterlicher Vermahnungen und guter Beyspiele genossen hat.
Das Reissbret (Tracing- board) ist in der Baukunst das Werkzeug, auf welches der Werkmeister seine Risse zeichnet, und wodurch die Arbeiter in den Stand gesetzt werden, dessen Entwürfe nach den Regeln des Ebenmaasses und des Verhältnisses auszuführen. In einem geistigen Gesichtspunkte stellt es das grosse Buch der Natur vor. In diesem kann zwar jeder Vorübereilende (who runs) lesen: Der hingegen, der es betrachtet, wie er soll, wird sich dadurch leiten lassen, sein Betragen auf solche Art einzurichten, dass er sich werth mache (deserve) der zeitlichen und sich versichere der ewigen Glückseligkeit.
Die Maurerkelle lehret, dass Nichts ohne passenden Kitt verbunden werden kann, und dass die Vollkommenheit des Gebäudes nothwendig von der angemessenen Vertheilung jenes Kittes abhangt. Ebenso muss allgemeine Liebe (Charity), das Band der Vollkommenheit und geselliger Eintracht, getrennte Gemüther und getrennte Vortheile (interests) zusammenketten; sodass, gleich den Halbmessern des Zirkels, die sich von dem Mittelpunkte nach einem jeden Theile des Umkreises ausbreiten, der Grundtrieb des allgemeinen Wohlwollens sich über ein jedes Glied der Gesammtheit erstrecken möge.
Der hölzerne Hammer (Mallet) lehret, die Auswüchse abzuschlagen und die Oberflächen glatt zu machen, oder, mit anderen Worten, die Unregelmässigkeiten zu verbessern und den Menschen in einen wagerechten Gleichmuth (proper level) zurückzubringen; sodass er vermittelst eines ruhigen Betragens in der Schule der Zucht (discipline) lerne, zufrieden zu seyn. Was der Hammer dem Arbeiter ist, das ist die aufgeklärte Vernunft in Beziehung auf die Leidenschaften; sie bezähmt den Ehrgeiz, unterdrückt den Neid, mässigt den Zorn und ermuthiget zu guten Gesinnungen.
Der Meisel (Chisel) zeigt die Vortheile der Zucht und Erziehung. Das Gemüth, gleich dem Diamanten, ist in seinem ursprünglichen Zustande ungeschliffen: sowie aber die Wirkungen des Meisels auf der Aussenseite des Diamants seine verborgenen Schönheiten sehr bald zum Vorscheine bringen, so macht die Erziehung die verborgenen Tugenden des Gemüths sichtbar und treibt sie an, das weite Feld der Materie und des Raums zu ermessen, damit sie den Gipfel der menschlichen Erkenntniss, unsre Verpflichtung gegen Gott und die Menschen, entfalte.
William Hutchinson: Der Geist der Maurerey.
William Hutchinson: The Spirit of Masonry. London 1775. Deutsche Übersetzung: William Hutchinson: Der Geist der Maurerey. 1780. Vierte, fünfte und sechste Vorlesung, 75-113. Vierzehnte Vorlesung: Schluß, 190-198.
Vierte Vorlesung.
Das Wesen der Loge.
Ich nehme ietzt den Beweiss meines ersten Satzes über mich, und werde zeigen, dass der erste Stand eines Maurers die erste Stufe der Verehrung des wahren Gottes abbildet.
Die Loge zeigt, wenn sie dem eintretenden Maurer entdeckt wird, eine Abbildung der Welt, worinn wir von den Wundern der Natur zur Betrachtung ihres grossen Ursprungs, und zu dessen Verehrung wegen seiner mächtigen Werke geleitet werden; auch werden wir dadurch geneigt, die moralischen und gesellschaftlichen Tugenden auszuüben, die dem Menschengeschlecht, als Dienern des grossen Baumeisters der Welt, geziemen, nach dessen Bilde wir im Anfange geschaffen wurden.
Der Schöpfer, der den Zustand der Menschen auf Erden segnen wolte, öfnete die Hand seiner göttlichen Gnade mit guten Gaben: er spannte über die Welt das erleuchtete Gewölbe des Himmels aus. Die Decke der Stiftshütte und der Vorhang des Tempels in Jerusalem, waren Abbildungen der himmlischen Halbkugel, und waren „von Blau, Purpur, und Karmoisin; und so ist die Decke der Loge. Als ein Sinnbild von Gottes Macht, Güte, Allgegenwart und Ewigkeit, ist die Loge mit dem Bilde der Sonne gezieret, die Er in Osten erscheinen und den Tag eröfnen hiess, und wodurch Er die Völker der Erde aufrief zum Anbeten und zum Wandeln in den Wegen der Tugend.
Der grosse Urheber aller Dinge hat den Mond zur Regierung der Nacht bestimmt; eine bequeme Zeit zu feyerlichen Betrachtungen. Wenn die Arbeiten des Tages geendet, und die Gemüther der Menschen von den Sorgen des Lebens abgezogen sind: dann ist es Erquickung für unsre Seelen, hervorzugehn, mit betrachtendem Geiste, um die grossen Werke des Allmächtigen zu lesen in dem bestirnten Firmamente und in den unzählbaren Welten, die von seinem Willen regiert werden, und von da über seine Allmacht nachzudenken. Kehren unsre Gedanken von diesem glanzvollen Schauplatz auf uns selbst zurück: so entdecken wir die Kleinheit des Menschen, und bekennen durch einem natürlichen Schluss die Güte des Gottes, der uns - so kleine Sonnenstäubchen! - mitten in seinen mächtigen Werken achtet, dessen allgemeine Liebe sich so göttlich ausdrückt, dass kein Sperling ohne den Willen eures Vaters fällt, ja alle Haare eures Hauptes gezählt sind.
Wie die Welt noch unter den Händen ihres grossen Baumeisters war, blieb sie dunkel, ungestalt; aber, das göttliche Werde ward ausgesprochen, und siehe! es ward Licht. Die Schöpfung ward von der Finsterniss befreyt; die Sonne ergoss augenblickliche Strahlen über die Erdfläche. Er gab diess grosse Gestirn, der Natur zur Vermählung, und Wachsthumskraft entsprang von der Umarmung; der Mond würkte mit seinem Einfluss auf die Gewässer, und Anziehungskraft gebar Ebbe und Fluth.
Wir, in Erinnerung dieser Wunder beym Anfange der Welt, und im Verlangen nach günstigem Blick des Himmels auf unsre tugendhafte Handlungen, nehmen die Bilder der Sonne und des Mondes an als Emblemen des grossen Lichts der Wahrheit, das den ersten Menschen entdeckt ward; wir deuten zugleich dadurch an, dass wir, als wahre Maurer, von der Finsterniss befreyet, und Söhne des Lichts geworden sind; und bekennen in unserm System die Anbetung desjenigen, der seinen Werken Licht gab. Lasst uns demnach durch unsre Ausübung und das Betragen im Leben zeigen, dass wir unsre Sinnbilder würdig führen, und dass wir, wie Kinder des Lichts, den Werken der Finsterniss, Unzucht, Trunkenheit, des Hasses, der Bosheit Satans und seiner Herrschaft den Rücken gewandt; und Mitleid, Wohlwollen, Gerechtigkeit, Mässigkeit, Keuschheit und brüderliche Liebe vorgezogen haben, als den wohlgefälligen Dienst, worauf der grosse Herr aller Dinge, vom Sitze seiner Seligkeit, mit Beyfall herabschaut!
Dieselbe göttliche Hand, so reich an schönen Gaben, die uns mit dem Anblick seiner herrlichen Werke am Himmel beseligt hat, hat auch die Erde mit einem schönen Teppich bekleidet. Er hat ihn vielfarbigt gewürkt: Früchte und Blumen, Trüften und Wiesen, goldene Furchen von Korn und schattigten Niederungen, Berge mit winkenden Wäldern bebrämt, und Thäler von Milch und Honig fliessend; er machte ihn gleichsam in Mosaikarbeit, und verschafte dem Auge des Menschen eine gefallende Mannigfaltigkeit. Er goss seine Gaben auf uns in Ueberfluss; nicht bloss die Nothwendigkeiten des Lebens, sondern auch Wein, um des Menschen Herz zu erfreuen, und Oel, seine Gestalt schön zu machen. Um der Scene des Gebens, worinn er uns - seine hochbegünstigten Geschöpfe! - setzte, noch mehr Schönheit zu geben, umgab er, wie mit einem Saum, die Erde mit dem Ocean. Der weise Schöpfer hatte den Menschen nach seinem Bilde gemacht - nicht an Aehnlichkeit seines Leibes, sondern am Geiste. Er hauchte ihm in die Nase einen Lebensodem, und damit zugleich eine Aehnlichkeit der Gottheit, einen vernünftigen Geist. - Nun umgab er das Land mit dem Ocean: nicht bloss wegen der Gesundheit, die von dessen Bewegung entspringen würde; sondern auch, damit dem menschlichen Geiste ein Verbindungsweg nach allen Enden der Erde offen stünde, und damit, durch wechselseitigen Verkehr, die Menschen zu wechselseitigen guten Handlungen vereinigt, und Alle gleichsam Glieder Einer Gesellschaft werden sollen. - Diese Gegenstände sind auf dem Fussteppich unsrer Loge abgebildet.
Die Welt ist der Tempel der Gottheit, der wir dienen. Weisheit, Stärke und Schönheit stehn um seinen Thron, wie Pfeiler seiner Werke; denn seine Weisheit ist unendlich, seine Stärke ist Allmacht, und Schönheit blickt durch die ganze Schöpfung hervor in Ebenmaass und Ordnung. Er hat den Himmel ausgebreitet wie ein Gewölbe; und die Erde hat er gestellt wie seinen Fussschemmel. Er bekränzt seine Tempel mit Sternen, wie mit einem Diadem; und in seiner Hand breitet er Macht und Herrlichkeit aus. Sonne und Mond sind Boten seines Willens; und sein ganzes Gesetz ist Eintracht. – Die Pfeiler, die die Loge unterstützen, bilden diese göttlichen Eigenschaften ab.
Eine Loge, wo vollkommne Maurer versammlet sind, stellt diese Werke der Gottheit vor.
Wir setzen die geistliche Loge in das Thal Josaphat, und zeigen dadurch an, dass die Grundsätze der Maurerey von der Erkenntniss Gottes hergeleitet, und auf das Gericht des Herrn gegründet sind; denn die buchstäbliche Uebersetzung des Worts Josaphat aus dem Hebräischen, giebt nichts anders, als die ausgedrückten Worte. Die höchsten Hügel und die tiefsten Thäler wurden seit den frühesten Zeiten heilig gehalten; und man nahm an, der Geist Gottes verbreite sich vorzüglich in diesen Plätzen. Ezech. XLIII, 12: „Auf der Hohe des Berges, soweit es umfangen hat, soll es das Allerheiligste seyn.“ Es heisst im Alten Testament, dass der Geist Gottes Mosen in einem Thal, im Lande Moab, begrub, anzudeuten, dass er durch göttlichen Einfluss in solche geheiligte Einsiedeley begraben wurde. Bey Elias Hinwegnahme sagten die Söhne der Propheten zu Elisa: „Siehe, es sind unter deinen Knechten funfzig Männer, starke Leute; die lass gehen, und deinen Herrn suchen. Vielleicht hat ihn der Geist des Herrn genommen, und irgend auf einen Berg oder irgend in ein Thal geworfen.“ Daher schreibt sich die Verehrung, die man in den frühesten Zeiten solchen Plätzen anthat; und daher auch die heiligen Haine der Morgenländer und der Druiden. Sie erwählten solche Gegenden zu ihrem öffentlichen Gottesdienste, in dem Gedanken, dass die Gegenwart der Gottheit sie heiligen würde; sie errichteten da ihre Altäre, und beschatteten sie mit Hainen, damit sie daselbst, wie es bey Adam der Fall war, die Stimme Gottes des Herrn, der im Garten gieng, hörten.
In dem Verderben und der Unwissenheit der folgenden Zeiten, wurden diese heiligen Plätze mit Abgötterey befleckt. Der unerleuchtete Verstand nahm falsch das Bild für das Wesen, und konnte nicht das Licht von der Finsterniss unterscheiden. Die heiligen Haine und Hügel wurden Gegenstande enthusiastischer Andächteley und des Aberglaubens; die Betenden beugten sich vor dem eichenen Kloze, und dem eingegrabnen Bilde der Sonne, als wären sie göttlich. Einige hielten sich rein von dem Verderbniss der Zeiten: und diese weisen und auserwählten Männer, denen das Licht des Verstandes und der Wahrheit anvertraut ward, und die es unbefleckt von den Sünden der Welt erhielten, finden wir unter dem Namen Magier Key den Persern; Weise, Wahrsager und Sterndeuter, bey den Chaldàern; Philosophen, bey den Griechen und Römern; Braminen, bey den Jndiern; Druiden und Barden, bey den Britten; und bey dem auserwahlten Volke Gottes strahlte Salomon hervor in der Fülle der menschlichen Weisheit.
Der Meister jeder Loge solte seine Regierung auf Eintracht und allgemeine Liebe gründen. Denn so wie der grosse Baumeister die Systeme der Welten mit seinem Finger leitet, und die Sphären harmonisch berühret, dass die Morgensterne Danklieder zusammensingen, und die Fluthen dazu rauschen, unter den unwandelbaren Schönheiten der Ordnung; so solten auch wir, voll Freude, von Einer Harmonie, von Einem Gesetze seyn, in Einigkeit, Liebe und Zuneigung, geleitet nach Einem unwandelbaren System, beseelt vom Einem Grundsatz, in Rechtschaffenheit der Sitten.
Ein Maurer, als Mitglied in einer Loge sitzend, und sich diese Sinnbilder als Zeichen seines Stande« anmassend, muss in dem Augenblick seine Gedanken zu der erhabnen Scene, die da nachgeahmt ist, erheben; er muss sich erinnern, dass er da erscheint, als bekennendes Mitglied des grossen Tempels der Welt, um den Gesetzen des mächtigen Herrn aller Dinge zu gehorchen, in dessen Gegenwart er sich bemüht Beyfall zu finden.
Die alte Nachricht, die ich vorher angeführt habe, druckt sich so aus: dass die ersten Maurer ihre Kenntniss von Gott bekommen haben; wodurch sie sind begabt worden mit gehöriger Einsicht dessen, was ihm wohlgefällt, und der einzig wahren Methode ihre Lehren fortzupflanzen.
Die Wenigen, die unverderbt von den Sünden der Völker blieben, und dem einzigen und wahrem Gotte dienten, verachteten die Fabeln und Thorheiten der Abgötter; andere rissen sich aus der Unwissenheit und Blindheit heraus, worinn sie waren verschlungen worden; sie betrachteten die Wunder, die auf der Oberfläche der Natur offenbar lagen, und spürten der Gottheit durch die Wege ihrer Macht und ihrer grossen Thaten nach. Betrachtung trat zuerst her. vor, bewundernd, doch noch nicht begreifend, woher alle diese Dinge da wären; Betrachtung kam zum zweytenmal, glühend von Ueberzeugung, dass Ein grosser Urheber, von unendlicher Macht, von unendlichem Verstande, und von grenzenloser Güte, Herr des Allen sey. Sie sehn ihn in feinen Werken, sie lesen seine Majestät in dm Himmeln, und entdecken seine Wunder in der Tiefe: jede Pflanze, die dem Anblick der Natur Farbe gab, und jedes Ding, das den Odem des Lebens hatte, zeigte seine Gegenwart und. seine Macht. – Diese Menschen wurden hernach den Erleuchteten bekannt gemacht, und mit ihnen in der Vollkommenheit der Wahrheit vereinigt.
Unsere Vorfahren, als Diener des Einigen Gottes, lehrten: der Tempel, worinn es der Gottheit gefiele bedient zu werden, sey nicht ein Werk von Menschenhänden. Hierinnen folgten ihnen die Druiden. Das Weltall, bekannten sie, wäre voll seiner Gegenwart; er sey nicht verborgen von den entferntesten Enden der Schöpfung. Sie sehen empor zum Himmel als zu seinem Throne; und allenthalben unter der Sonne, wo sie anbeten, betrachten sie sich, als im Wohnsitz der Gottheit, deren Augen nichts verborgen ist. Nicht bloss enthielten sich die Alten vom. Bauen der Tempel, sondern achteten es ganz unrecht zu seyn, weil sie keinen Tempel geräumig genug für die Sonne, als das grosse Sinnbild der Gottheit, hielten. Mundus universus est templum solis, war ihr. Grundsatz; sie hielten es für unheilig, der Unendlichkeit Gottes Grenzen zu setzen. Wie sie, in spätern Jahren, Tempel bauten: liessen sie sie dem Himmel offen, und ohne Dach.
Die wahren Gläubigen, um sich von den übrigen Menschen, vornemlich von den sie umgebenden Abgöttern, zu entziehen und zu unterscheiden, nahmen Sinnbilder und mystische Zeichen an, nebst gewissen unterscheidenden Lehrsätzen, woran sie einander kenntlich würden, und wodurch sie auch bezeugten, sie seyn Diener des Gottes, in dessen Händen die ganze Schöpfung ist. Hiedurch beschützten sie sich auch vor Verfolgung, und ihren Glauben vor dem Spotte des ungläubigen Volkes. Darum sprachen sie, bey Hersagung der Grundsatze ihres Glaubensbekenntnisses: Sie wären Diener in dem Tempel, dessen Grenzen die entferntesten Enden des Weltalls, dessen Höhe nur durch die Himmel beschrankt, und dessen Tiefe auf die Axe gegründet wäre, worauf die Veränderungen des gestirnten Thierkreises vorgehen.
Die Aegypter sind das erste Volk, das wir kennen, das in den frühen Zeitaltern der Welt, nach der Sündfluth, zu einiger Höhe in der Kenntniss der Astronomie, der Künste und Wissenschaften gelangte. Diess diente ihnen zu Mitteln, das Daseyn Gottes zu entdecken; und sie verehrten den Urheber dieser erhabnen Werke, die sie betrachteten. Aber aus Nationalvorurtheilen fiengen sie bald an, die Eigenschaften Gottes in Symbolen vorzustellen; und da die sichtbaren Würkungen seiner Allmacht sich hauptsächlich in den Kräften der Sonne und des Mondes zeigten, deren beyder Einfluss sie durch das ganze Gebiet der Natur wahrnahmen: so bildeten sie die Gottheit durch diese himmlischen Körper ab, und mit der Zeit beteten sie gar den Gott der Natur, unter dem Namen Osiris und Isis, an.
Wir nahmen manche unserer Geheimnisse und moralischen Sätze von den Lehren des Pythagoras, der seine Gelehrsamkeit in Aegypten erlangte; und andere, von den Phöniziern, die die ägyptische Theologie sehr frühe bekamen. Es ist also nicht zu verwundern, dass wir ägyptische Symbole aufnahmen, um die Attributa der Gottheit vorzustellen oder auszudrücken.
Das pythagorische System der Philosophie zeigt uns gleichfalls einen Grund, warum die Sonne in die Loge eingeführt worden; denn sie war sowol der Mittelpunkt des Planetensystems, das er lehrte, als das Emblem der Gottheit, der er diente. Dieses grosse Meskraneo war ein Symbol, das das erste und grösste Principium seiner Lehren ausdrückte. Es war auch eine Vorstellung des Abrax, der die gestirnte Welt und unsere Tageszeiten regierte.
In den Schriften des Hermes Trismegistus, der ein Aegypter war, und ein Zeitgenosse von Abrahams Grossvater gewesen seyn soll, findet sich diese merkwürdige Stelle; wo er, von der Gottheit redend, sagt: „Aber, wenn du ihn sehen willst, so betrachte und nimm wahr die Sonne, betrachte den Lauf des Mondes, betrachte die Ordnung der Sterne. - O du Unaussprechlicher! Unnennbarer! Mit Stillschweigen zu Preisender!“
Diess leitet uns natürlich darauf, den Ursprung der ägyptischen Symbole einzusehn, und die Ursache, warum sie diese Gegenstände, als Abbildungen der Macht, der Herrlichkeit, und der Allgegenwart Gottes annahmen.
Die Nachkommenschaft, zum Gedächtniss der weisen Lehren und Religionssätze der ersten Bekenner des wahren Gottesdienstes, hat diese beschriebenen Stücke in der Loge, worinn sie sich versammlet, aufgenommen; hält die Religionssätze, die die Natur, und der Dank gegen den, unter dem wir da sind, einflösste; und arbeitet in dem richtigen Dienste desjenigen, der sein Wohlgefallen hat an den Rechtschaffenen.
Da so der Stand eines Freymaurers beschaffen ist, - so eine Loge von Maurern, - so die Grundsatze dieser Gesellschaft, - so die ursprüngliche Einrichtung unserer Verbindung: - so mögen die Unwissenden lachen, und die Bösen spotten! - Dass dieses wahre Auflösungen unserer Sinnbilder sind, davon bin ich für mich fest überzeugt; und mit nachgebender Unterwerfung gegen meine übrigen Brüder, lege ich sie ihrer Aufmerksamkeit dar.
Fünfte Vorlesung.
Die Zierrathen der Loge.
Mit Vergnügen fahre ich in der mir selbst aufgelegten Pflicht fort, Auflösungen von den Geheimnissen in der Maurerey zu geben. Diese könnten sonst dem Gemüthe, das gegen die würkliche Bedeutung der vorliegenden Gegenstande unaufmerksam ist, unentdeckt bleiben; und der Bekenner der Maurerey könnte vorübergehen, ohne das rechte Gefühl der Würden, die auf ihm haften, zu bekommen.
Ich habe beschrieben, was durch eine Loge soll vorgestellt werden, nebst ihrem Ursprung und ihrem Wesen; nun liegt es mir ob, Ihnen die Bedeutung der Zierrarhen einer Loge zu entdecken.
So wie Salomon in Jerusalem alle Gefässe und Werkzeuge, die nach dem Gesetze seines Volks zum Dienste Jehovas erfordert wurden, in den jüdischen Tempel bringen liess: so haben wir Maurer, als Arbeiter in moralischen Pflichten, und als Diener des grossen Baumeisters der Welt, diejenigen Sinnbilder uns selbst vor Augen gestellt, die uns beständig erinnern sollen, was wir sind, und was von uns gefordert wird.
Der dritte Ausfluss von Abrax in der gnosttschen Hierarchie, war Phronesis, das Sinnbild der Klugheit; diess ist der erste und erhabenste Gegenstand in der Loge, der unsere Aufmerksamkeit erfordert. Es ist im Mittelpunkt hingestellt, um immer dem Auge des Maurers gegenwärtig zu seyn, damit sein Herz auf ihre Lehren aufmerksam, und in ihren Gesetzen standhaft sey. Denn Klugheit ist die Regel aller Tugenden; Klugheit der Pfad, der zu jedem Grade von Eigenthum führt; Klugheit der Kanal, wo Selbstbilligung immer fliesst; sie leitet uns zu würdigen Handlungen, und leuchtet uns, gleich einem glänzenden Stern, durch die traurigen und dunkeln Gänge dieses Lebens.
Tugend wird von den Moralisten erklärt als „der standhafte Vorsatz und feste Wille dasjenige zu thun, was uns die Natur, als das Beste und Heilsamste befiehlt; eine Fertigkeit der Seele, wodurch die Menschen geneigt sind, das zu thun, was rechtschaffen und gut ist, und das zu vermeiden, was übel ist.“ Kurz, Tugend besteht in moralischer Rechtschaffenheit und guten Grundsätzen.
Von den Tugenden, deren Regel die Klugheit ist, heissen drey Haupttugenden, die vornemlich ein Maurer besitzen sollte: Tapferkeit, Enthaltsamkeit und Gerechtigkeit; denn ohne sie ist der Name Maurer ein leerer Titel und eine bunte Blase.
Dass Tapferkeit der Charakterzug eines Maurers seyn muss, brauch ich nicht zu beweisen. Er ist dadurch, dadurch, mitten unter drängenden Uebeln, allezeit im Stande, das zu thun, was den Eingebungen der geraden Vernunft entspricht.
Die Enthaltsamkeit muss auch einer seiner Grundsätze seyn; sie besteht im Mässigen und Zähmen unsrer Neigungen und Leidenschaften, vornemlich in Nüchternheit und Keuschheit. Wir betrachten die Enthaltsamkeit, unter den verschiedenen Erklärungen der Moralisten, als Grund der Ehrlichkeit, Sittsamkeit und Schaam, und als Würkung der Sanftmuth, Güte und Bescheidenheit.
Wir bekennen uns zur Gerechtigkeit, als welche uns lehrt: Allen Recht zu thun, und Jedem das Seine zu lassen.
Die Haupttugenden: Klugheit, Tapferkeit, Enthaltsamkeit und Gerechtigkeit, haben zum Gefolge die geringem Mächte des Friedens, der Eintracht, Ruhe, Freyheit, Sicherheit, Ehre, des Glücks der Frömmigkeit und Menschenliebe, nebst vielen andern, die von den Alten in jenen Zeiten angebetet wurden, als sie Mythologie mit Gottesdienst vermengten. Im sternenvollen Gürtel der Klugheit sind sie alle eingeschlossen.
Wir können diess Sinnbild noch auf eine religiösere Bedeutung ziehen: man kann sagen, es stelle den Stern vor, der die Weisen nach Bethlehem führte, der dort den Menschen die Geburt des Sohnes Gottes verkündigte, und hier unser geistliches Fortschreiten zum Urheber der Erlösung leitet.
Weil die Tritte der Menschen in verschieden ungewissen Vorfällen des Lebens geschehen; weil unsre Tage vom sonderbaren Widerspruche der Begebenheiten gemischt sind; und unser Durchgang durch diess Daseyn, zwar zuweilen von glücklichen Umständen begleitet, aber oft von einer Menge Uebel aufgehalten wird: so ist die Loge mit einem mosaischen Fussboden gezieret, um uns an die Ungewissheit unsers Zustandes auf Erden zu erinnern. Heute treten unsre Füsse in Glück einher, morgen wanken wir auf den unebnen Pfaden der Schwachheit, Versuchung und Widerwärtigkeit. Dieses Sinnbild vor uns, lehrt uns: mit nichts zu prahlen; mit denen, die im Unglück sind, Mitleid zu haben, und ihnen zu helfen; aufrichtig und in Demuth zu wandeln; - denn dieses Daseyn hat keine Stelle, worauf der Stolz sicher fussen kann: in der Geburt und im Grabe sind alle Menschen gleich. Indem wir diese Mosaikarbeit betreten, müssen unsre Gedanken sich zu dem Original, das sie abbildet, hinwenden, und jeder Maurer handle wie die Lehren der Vernunft ihm gebieten: zu leben in brüderlicher Liebe!
Als unmittelbaren Führer für einen Freymaurer, hat die Loge unfehlbare Regeln, wornach er seine Aufführung einrichten soll: - das Buch seines Gesetzes liegt vor ihm, damit er nicht sage, er irre aus Unwissenheit. Was je der grosse Baumeister der Welt den Menschen befohlen hat, als die Art, wie er will gedient seyn, und der Weg, den man wandeln muss, um seinen Beyfall zu erhalten; was er je für Gebote gegeben; was für Gesetze er den Weisen der Vorzeit offenbaret: das ist getreulich im Buche des Gesetzes der Maurerey begriffen. Dieses Buch, das nie in einer Loge geschlossen ist, offenbaret die Pflichten, die der grosse Meister von uns fordert; jedem Äuge offen, jedem Verstande begreiflich; denn wer unter uns wird sagen, dass er den richtigen Dienst nicht kenne?
Aber, weil die Gebrechlichkeit der menschlichen Natur mit der Wahrheit im Streit liegt, und die Schwachheiten des Menschen sich gegen seine Tugenden sträuben: so hält der Meister, um jedem Maurer in seinem Wandel zu helfen, den Zirkel, und bezeichnet damit die Entfernung, den Fortgang, und den Umfang der Arbeit. Er befiehlt die Art und Weise, er giebt Anleitung zum Entwurf, er zeichnet jeden Theil der Arbeit vor, und bestimmt Jedem seinen Würkungskreis und seinen Stand. Seine Meisterschaft ist so, dass jeder Theil, einzeln betrachtet, unordentlich und ungestalt scheint; aber zusammengesetzt, hängt alles, wie das Gebäude des Tempels zu Jerusalem, zusammen, und ist gebildet in wahrer Symmetrie, Schönheit und Ordnung.
Die moralische Bedeutung davon ist: Der Meister sitzt in seiner Loge und befiehlt, zu ihrer Regulierung, die heilsamen Gesetze, die ihm seine Klugheit eingiebt; er bestimmt jedem Bruder seinen eigenen Kreis; beschrankt die Raschheit einiger, und thut der Unvorsichtigkeit anderer Einhalt; unterdrückt alle Ausschweifung und Trunkenheit, Zwietracht und Bosheit, Neid und Zank; und befördert brüderliche Liebe, Sittlichkeit, Mitleid, Wohlthun, Herzlichkeit und unschuldige Freude; damit die Versammlung der Brüder sey in Ordnung, Harmonie und Liebe.
Um die Arbeiten jedes Maurers zu untersuchen, ist das Winkelmaass abgebildet, als eine Prüfung des Lebens; es soll zeigen, ob seine Sitten regelmässig und gleichförmig sind. Denn Maurer müssen Eines Grundsatzes und Eines Ranges seyn, ohne die Unterscheidungen des Stolzes und der Pracht; zum Zeichen, dass vom Hohen bis zum Niedern, die Gesinnungen der Maurer zu guten, Werken geneigt seyn müssen, worüber kein Mensch durch sein Glück erhaben ist.
Aber vorzüglich ist die Loge mit drey Lichtern geziert. Wie der goldne Leuchter in der Stiftshütte Mose's zugleich sinnbildlich den Geist Gottes, wodurch sein erwähltes Volk erleuchtet ward, und prophetisch die Kirche vorstellte; oder auf andere Art, wie Josephus sagt, die Planeten und die mächtigen Worte Gottes abbildete: so zeigen uns unsre drey Lichter die drey grossen Stufen der Maurery: Die Erkenntnis und Verehrung des Gottes der Natur in der Reinigkeit Edens – den Dienst unter dem mosaischen Gesetze, befreyt von Abgötterey – und die christliche Offenbarung; oder auf andre Art sind unsre Lichter Sinnbilder der heiligen Dreieinigkeit.
Diess sind die Zierrathen der Loge; diess die Grundsätze, die uns als Maurern anbefohlen werden. Lasst uns uns freuen in Ausübung der Vorzüge, die uns über den Rang andrer Menschen erheben sollen, und es beweisen, dass wir aus der Finsterniss zum Lichte gebracht sind. Lasst und unsre guten Werke der Welt zeigen, dass, durch unser leuchtendes Licht, sie den grossen Meister des Weltalls preisen, und also Recht thun, das Mitleid lieben, und vor ihrem Gott demüthig wandeln mögen!
Sechste Vorlesung.
Der Schmuck und die Kleinode der Maurer.
Die Maurer bekennen sich, durch einen ihrer ersten Grundsätze, zur Unschuld; drum tragen sie weisse Kleidung, als ein Sinnbild dieses Charakters, welches Reinigkeit der Seele, Schuldlosigkeit, und Unschädlichkeit bedeutet.
Wir finden folgende Stelle in der Biographia Ekklesiastika: „Die Alten pflegten auch dem Getauften ein weisses Gewand anzulegen, anzudeuten, dass er die Lüste des Fleisches abgeleget, von seinen vorigen Sünden gereiniget sey, und sich verpflichtet habe, ein Leben von unbefleckter Unschuld zu führen. Darum werden die Getauften, sowol vom Apostel als den griechischen Kirchenvätern, oft Photizomenoi, die Erleuchteten genannt, weil sie sich für Kinder des Lichts bekannten, und sich verbanden, nie wieder zu den Werken der Finsterniss zurückzukehren. Diess weisse Gewand pflegte ihnen mit der feyerlichen Ermahnung übergeben zu werden: Empfanget das weisse und unbeschmutzte Gewand, und bringet es unbefleckt vor dem Richterstuhl unsers Herrn Jesus Christus wieder hervor, auf dass ihr das ewige Leben erhaltet! Amen! Sie waren gewohnt, diese weissen Kleidungen eine Woche lang nach ihrer Taufe zu tragen, sie dann abzulegen und bey der Kirche aufheben zu lassen, dass sie wie ein Zeugniss gegen sie gebraucht werden könnten, wenn sie ihren Taufbund verletzen sotten."
Wenn nun die Schürze, womit wir bekleidet sind, eine Neigung zur Unschuld anzeigt, und das Herz des Tragenden sie nicht Lügen straft: so mag der Unwissende lachen und höhnen! Erhaben über Spott und Bosheit der Gottlosen, hüllen wir uns in das Gewand unsrer Tugend; und sicher im eignen Beyfall unsers Gewissens, stehn wir unerschüttert unter den Verfolgungen des Unglücks.
Die Kleidung, die mit Wahrheit die Unschuld des Herzens bedeutet, ist ein ehrwürdigeres Abzeichen, als je eins von Königen ersonnen worden. Der römische Adler, und alle Orden der Ritterschaft, sind geringer; diese können aus Eigensinn der Fürsten durch Unwürdige beschimpft werden; aber Unschuld ist angeboren, und kann nicht angenommen werden.
Ein wahrer Maurer seyn, heisst diesen Grundsatz hegen; oder der Schmuck den er trägt, ist den Abtrünnigen ein Schandfleck, und stellt ihn entblösst dar zu Scham und Verachtung.
Dass Unschuld der Grundsatz des. Bekenntnisses eines Maurers sey, erregt keine Verwunderung, wenn wir bedenken, dass die Entdeckung der Gottheit uns zur Kenntniss der Lebensregeln führt, wodurch man ihr gefallen kann. Auf den blossen Gedanken von einem Gotte folgt die Ueberzeugung, dass er nichts, was böse ist, billigen kann. Wie also unsre Vorfahren sich zu Dienern des Weltbaumeisters bekannten: so bekannten sie sich zur Unschuld, als einer unumgänglichen Pflicht, und legten weisse Kleider an, als ein Sinnbild und Zeichen ihrer Ueberzeugung, und ihrer Ergebenheit in seinen Willen. – Die Druiden waren, bey ihren Opfern, und feyerlichen Handlungen, weiss gekleidet. - Die ägyptischen Priester des Osiris trügen schneeweisse Baumwolle. - Wir finden nicht, dass die Priester anderer des Alterthums wegen berühmter Nationen etwas besonders in der Kleidung hatten, ausser dass beym Dienste der Ceres (durch welche die Gaben der Vorsehung, die in den Früchten der Erde bestehn, symbolisch vorgestellt wurden) die griechischen Priester weiss trugen.
Jeder Grad von Sünde würkt auf die vernünftige Seele des Menschen mit gewissen Empfindungen von Selbstmissbilligung. Wer kann unter solchem Gefühl, die Gegenwart einer Gottheit, die sich nur in guten Werken offenbart, anrufen oder auffordern? Daher wird man natürlich auf den Gedanken geleitet, dass eine solche Gottheit sich nur Werke der Rechtschaffenheit gefallen lässt. So verbanden sich die Diener des ersten geoffenbarten Gottes, nach dem Beyfall des Himmels strebend, zu den Lehren der Reinigkeit und Tugend. Und wir, als Maurer, beobachten die Grundsätze dieser ersten Verehrer des wahren Gottes, ahmen ihre Kleidung nach, und tragen das Zeichen der Unschuld.
Unsere Kleinode oder Zierrathen bedeuten, dass wir unsre Neigungen nach Gerechtigkeit, und unsre Handlungen nach Wahrheit prüfen, wie das Winkelmaass die Arbeit des Künstlers prüfet; - und dass wir unsern sterblichen Zustand, er sey durch Titel geehrt oder nicht, er sey reich oder dürftig, für gleicher Natur im Anfange, und für gleiches Ranges am Schlusse halten. In Gefühlen, Leidenschaften, und Vergnügungen, in Schwächen, Krankheiten, und Bedürfnissen, sind alle Menschen sich gleich. Natur hat uns keinen Oberrang gegeben; diesen giebt nur Weisheit und Tugend. Nach diesen Sätzen schätzen wir unsern Bruder, wenn seine Unfälle unsern Rath oder unsre Hülfe fordern; die Werke der Liebe entspringen von sympathetischen Gefühlen, und Wohltätigkeit handelt nach der Richtschnur. - Das Emblem dieser Gesinnungen ist ein anderes der Kleinode unserer Gesellschaft.
Aufrichtig vor Gott und Menschen zu wandeln, ohne weder rechts noch links abzubeugen, ist die Pflicht eines Maurers; weder wird er ein Schwärmer oder Verfolger in der Religion, noch neigt er sich zu Neuerungssucht und Unglauben. Im Staate: fest im Gehorsam; doch standhaft bey den Gesetzen, Freyheiten, und Staatseinrichtung. Im Privatleben: jeden selbsüchtigen Hang aufgebend, weder zu Geitz noch Ungerechtigkeit, zu Bosheit noch Rache, zu Neid und Verachtung gegen die Menschen, geneigt. Sondern, wie der Baumeister seine Säule mit dem Hobel und nach der Bleywaage aufführt, so solte der Maurer sich gegen die Welt betragen.
Unsre Neigungen nach Gerechtigkeit, und unsre Handlungen nach Wahrheit einrichten; heisst ein Kleinod tragen, das die Brust des höchsten Potentaten der Erde zieren würde. Die menschliche Natur bekömmt Antriebe von Begierden, die oft zu unordentlich sind; Liebe verblendet durch Vorurtheile, und Groll brennt mit Fieberhitze; Verachtung macht ungläubig, und Habsucht vertilget jedes edle, und menschliche Gefühl. Den Nachen des Lebens auf der See der Leidenschaften steuren, ohne den richtigen Lauf zu verlieren, ist eine der höchsten Vollkommenheiten, wozu die menschliche Natur, von allen Kräften der Philosophie und der Religion geholfen, kann gebracht werden.
Und doch: - bloss gerecht und wahr handeln, ist nicht Alles, wornach der Mensch streben soll. Selbst diese Vollkommenheit würde Selbstsucht seyn; diese Pflicht ist ohne Bezug auf andere, bloss aufs Eigne gehend; sie betrift nur unsern Charakter, und thut nichts für unsern Nachbar; denn Gerechtigkeit ist eine nicht zu entlassende Schuldigkeit jedes einzelnen Menschen. Aber wir sind nicht für uns allein geboren, um bloss unsern Lauf durchs Leben auf den Wegen der Ruhe zu lenken, und bloss nach dem, was unser eignes Gewissen beruhigen kann, zu streben; nein! Menschen sind zu wechselseitiger Hülfe gegeneinander da. Keiner unter uns, sey er noch so reich, kann ohne. Beystand seiner Nebengeschöpfe bestehen: die Bedürfnisse der Natur sind zahlreich, unsre Hände sind nur mit wenig Befriedigungen der Noth gefüllt; unsre Nacktheit muss bekleidet, unser Hunger gesättigt, unsre Krankheiten besucht werden. Wo soll der Stolze für seinen Unterhalt arbeiten, wenn er ohne Hülfe seines Nachbars da steht? Blicken wir auf die mannichfache Scene des Lebens, so sehen wir unsre Nebengeschöpfe von unzählbaren Beschwerlichkeiten angegriffen; und wären wir ohne Mitleid, so fehlte uns eins der feinsten Gefühle des menschlichen Herzens. Lieben und Beyfall geben, sind Regungen in der menschlichen Seele, die Vergnügungen gewähren; aber Mitleid haben, giebt himmlische Empfindungen; und Erquicken, ist göttlich. So entsteht Menschenliebe; ihr Ursprung kömmt von dem Bewusstseyn unsrer Gleichheit in der Natur; auf diesem Plan ward die Menschheit im Anfang erschaffen; ihr Fortgang besteht in den sympathetischen Empfindungen, von den Zuneigungen des Herzens, das Liebe gegen den Bruder athmet, und das durch das Gefühl der ursprünglichen Schätzung verbunden wird, welche beweist, dass unser ganzes Geschlecht Brüder Eines Daseyns sind. Ihr Schluss geschieht durch die urtheilende Vergleichung; wir wägen die Noth unsers leidenden Mitbruders nach unserer natürlichen Billigkeit, nach Mitleid, nach unsrer Sympathie, und nach unsern eigenen Fähigkeiten ab, und vertheilen unsre Gaben nach Zuneigung. Mitleid und Schmerz sind Schwestern durch Sympathie.
Ein rechtschaffener Mann seyn, das giebt dem Charakter des Maurers noch einen grössern Glanz. Gerechtigkeit üben, und Menschenliebe haben, sind vortrefliche Schritte im menschlichen Leben; aber rechtschaffen handeln, giebt den höchsten Grad von Vortreflichkeit. Auf dieser Stelle, werden wir Muster in religiöser, bürgerlicher, und moralischer Aufführung. Nicht genug, dass wir weder Schwärmer noch Verfolger in der Religion sind, uns weder zu Neuerungssucht noch zum Unglauben neigen; nicht, dass wir bloss leidend sind, wir müssen auch thätig erscheinen. Bey gottesdienstlichen Pflichten müssen wir eifrige Ausüber, Beobachter, und standhafte Anhänger seyn; im bürgerlichen Verhältniss uns nicht bloss den Gesetzen unsers Landes unterwerfen, sondern sie ausüben, allen Vorschriften gehorchen, alle Befehle erfüllen, treu der Einrichtung des Staates und pflichtmässig gegen unsern König feyn, getreue Soldaten zur Vertheidigung unsrer Freyheit, und seiner Krone und Ehre; in der Moral: nicht bloss die Vergehen der Beleidigung, der Verrätherey, oder des Betruges vermeiden, sondern Gutes thun nach jedes Möglichkeit auf der Stelle des Lebens, wohin uns die gütige Vorsicht gesetzt hat.
Nach solchen Regeln werde der Maurer geprüfet, und zeige, dass seine sinnbildlichen Kleinode bloss Zeichen des innern Menschen sind; dann wird er Beyfall vom Himmel und von den Menschen haben, und Ehre erwerben seinem Bekenntniss, und Glück dem Bekenner.
Vierzehnte Vorlesung.
Schluß.
Äm Schluß dieser Vorlesungen sammle ich unter Einem Gesichtspunkt die Sätze, die das ganze Werk durch, meine vorzügliche Achtung auf sich gezogen haben. Ich denke dadurch einen klaren Begrif von den Geheimnißen der Maurerey, dem Fortgang, und dem Geist dieser Stiftung, ihrem Ursprung, und gegenwärtigen Zustande zu geben.
Vielleicht tadelt man meine Weitläufigkeit, und das Wiederholen bey gebrauchten Gründen oder Vorstellungen. Aber, wo dieser Vorwurf Statt zu haben scheint, da war er nöthig, einen Satz, der gegen einen allgemein angenommenen Irrthum oder ein Vorurtheil stritt, zu begründen.
Von den alten Gebräuchen, die ich Ihnen beschrieben habe, können Sie itzt Selbst leicht die Quellen unsrer Gebräuche ableiten, und den Grund entdecken, worauf unsere Gesellschaft errichtet ist. Offenbar hatten sie, in der Wett nach der Sündfluth, ihre Abstammung von Ham.
Ich muß zuweilen Kunstwörter gebrauchen, die vielleicht Andern keine Deutlichkeit und helle Begriffe geben; aber meinen Brüdern sind es Kernwörter, die mit der vereinten Kraft von Kunstausdrücken, Sinnbildern und Hieroglyphen würken. Wenn ich von Maurern unter dem Namen Gesellschaft rede, so versteh ich Maurer in so fern sie in Logen, wie itzt solche Logen gehalten werden, inkorporirt sind. — Unser Alterthum bestehe in unsern Grundsätzen, Regeln, Sprache, Gelehrsamkeit und Religion; wir leiten alles dieß ab aus dem Paradiese, von den Patriarchen, und den Weisen des Morgenlandes; und es ward alles unter der christlichen Anleitung vervollkommet. Unser Licht und unsre Lehren stammen von dem Anfange der Zeit, und sind durch diese lange Reihe Jahre unverderbt herabgekommen; aber unsre Sitten und Gebräuche kommen aus den verschiedenen Zeiten des Paradieses, des Jerusalemschen Tempelbaues, und der christlichen Offenbarung.
Ich habe Ihnen erklärt, daß die Bauart unsrer Loge ein Nachbild des Weltalls ist; und daß der erste Eintritt eines Maurers in dieselbe die erste Verehrung des wahren Gottes anzeigt. Wir haben die. ägyptischen Sinnbilder der Sonne und des Mondes beybehalten, um Gottes Allmacht, Ewigkeit, Allgegenwart und Allgüte auszudrücken. Wir zeigen dadurch, daß wir Kinder des Lichts sind, und daß der erste Grund unsers Systemes die Kenntniß und Anbetung des Allmächtigen, der in der Mitte der der Himmel thronet, ist.
Wir leiten von den Druiden viele ammonische Gebräuche ab; und ich behaupte, daß wir mehr von den Druidischen Ceremonien und Lehren bey uns haben, als sonst in der ganzen Welt zu finden ist. Viele von ihren gottesdienstlichen Gebräuchen, die sonst in Ewigkeit geschlafen hätten, haben wir, in unserer Aufnahme zum ersten Grad der Maurerey, von, der Vergessenheit gerettet. Diese, scheint es, haben wir mit dm Sätzen der Essener vermischt und gemäßigt; einer Sekte, die so alt, als der Auszug der Kinder Israel aus Aegypten ist. Die Weltweisheit der Aegypter, und die Gebräuche, Lehren und Sitten der Hebräer kamen durch die Phönizier nach England; und machen einen Theil unsers Systems aus, in so fern sie zur reinen, von Abgötterey unbefleckten, Verehrung des großen Urhebers der Natur passen.
Unser großes Fest begehn wir am Sankt Johannestage, mitten im Sommer (Midsummer-day). Wir feyem denn die Jahrszeit, da die Sonne am, höchsten steht, und in der Mitte ihrer keimenden und treibenden Kraft ist; die Sonne, das große Sinnbild der Allmacht der Gottheit.
Der berühmte Gesetzforscher, Lord Cook, sagt in seinem Werke über Littletons Anleitung: „Das weise Alterthum pflegte, zu größerer Feyerlichkeit, zu bessern Andenken und Beobachten des Anbefohlenen, wirkliche Dinge unter Ceremonien auszudrücken.“
Ich habe Ihnen gezeigt: daß die Zierrathen der Loge Sinnbilder sind, die zur Tugend und guten Leitung reitzen. Klugheit glänzte im Mittelpunkte; aber, wollen Sie dieses Bild noch auf heiligere Grundsätze zurückbringen, so stellt es den leuchtenden Stern vor, der die Weisen nach Bethlehem brachte, und die Gegenwart des Sohnes Gottes verkündigte. Er steht vor Ihren Augen, damit Sie Sich erinnern, die Werke der Seligkeit, welche nahe ist, zu verrichten. Und, um in Handlungen von genauer Pflichtmäßigkeit mit größerer Munterkeit fortzufahren, lehrt der ausgelegte mosaische Fußboden Sie die bunte Verschiedenheit und den Unbestand menschlicher Dinge. Denn Sie sollen Ihr Herz nicht an Dinge dieser Welt hängen, sondern dort Ihre Schätze sammeln, wo der Rost ihren Glanz nicht beschmutzen, noch die Motte das hochzeitliche Gewand zernagen kann.
Um uns in den natürlichen Schwachheiten zu beschützen und zu unterstützen, und um uns auf den Pfad der Pflichtmäßigkeit zu bringen, liegt das Buch der wahren Erkenntniß in der Loge. Der Meister beschränkt Sie, wie mit dem Umriss eines Zirkels; und nach dem Winkelmaaß müssen Sie die Rechtschaffenheit und Uebereinstimmung Ihres Betragens abmessen.
In der folgenden Vorlesung bewies ich Ihnen: daß Sie, um würdige Diener im Tempel Gottes zu seyn, in Unschuld gekleidet seyn müssen, damit Ihr Dienst wohlgefällig, und Sie im Himmel gebilligt seyn möchten. Unsre Kleinode sind Sinnbilder des guten Betragens Key einem tugendhaften Gemüthe, welches das menschliche Leben zieret: Treue, Mildthätigkeit. Rechtschaffenheit.'
In der nächsten Vorlesung brachte ich Sie dahin, einen Unterschied des zweyten Geschlechts der Gottesverehrer zu bemerken; es war dieß unter dem mosaischen Gesetz, als die Wahrheit von den Irrthümern der Abgötterey entkleidet war. Diese Stufe entspricht dem zweyten Grade in der Maurerey.
Ich zeigte, wie passend die Geometrie in unsrer Gesellschaft angenommen worden; sie ist eine Wissenschaft, wodurch die großen Kräfte Gottes dem Menschengeschlechte entdeckt und bewiesen worden sind.
Ferner betrachtete ich den Zustand der Gottesverehrer unter dem Verderbniß des Hauses Israel, und den Mängeln des alten Gesetzes. In dieser Versammlung von Christen bedarf es keines Beweises, wie nothwendig ein Mittler oder Versöhner für die Menschen auf Erden war. In dem Schutt, Aberglauben, Ceremonialgesetz, und Schmutz des jüdischen Tempels, lag der wahre Gottesdienst begraben und verborgen; und Unschuld ward nur der Zierrath seines Denkmals. Aber die Gottheit schaute mit ebar mendem Blick auf den kläglichen Zustand des Menschen herab, sandte uns in ihrer Gnade und Liebe einen Führer und Mittler, der uns die Lehre der Wiedergeburt beybrächte, und uns vom Grabe der Sünde erhöbe, worein sich das Menschengeschlecht, gestürzt hatte. Er lehrte uns den gottgefälligen Dienst, wodurch wir seinem Vater angenehm würden; er vollbrachte das Söhnopfer, ward der Erstling derer die schliefen, und zeigte den Menschen die Auferstehung des Leibes und das ewige Leben. Im Meistergrad ist diese ganze Lehre abgebildet; und das christliche Leben wird uns durch Sinnbilder dargestellt.
Wir Maurer haben drey vorzügliche Charakterzüge angenommen: Geheimniß, Mildthätigkeit, brüderliche Liebe. Ich habe meine Meynung über diese drey große Pflichten erklärt, und was sie besonders für Maurer bedeuten, oder für Männer, die sich von den übrigen Menschen getrennt haben, und sich als Diener Desjenigen bekennen, der mitten im Himmel thronet.
Zuletzt habe ich versucht, den Ursprung unsrer Gesellschaft zu untersuchen; und oft, wo ich ohne Nachrichten war, mußte ich mich bloß Wahrscheinlichkeiten und Vermuthungen überlassen. Es, scheint itzt kein wesentlicher Umstand für uns zu seyn, wer unsre Muster und Vorfahren waren: wenn wir uns nur in dem wahren Geiste der Maurerey beschäftigen, in dem göttlichen Geiste, der die Erzväter beseelte, als sie dem Herrn Altäre erbauten; wenn wie treue Unterthanen unsers Königs sind, beständig und getreu gegen unsre berechtigten Freyheiten, Christen im Bekenntniß und in der Ausübung, und gegen einander und gegen alle Menschen überhaupt liebreich und aufrichtig.
Ob die Maurer ursprünglich Baumeister oder Geistliche waren, daran liegt uns zu unsern Zeiten nichts. Hält man diese Werke gegen die Rechtschaffenheit, wozu ich Sie ermahnet habe; so verliert sich die Ehre des Alterthums in den Tugenden der Ausübung, und in dem Glanze des Lichts der Wohlgefälligkeit, welches auf einmal der Welt verkündigt, daß wir Diener des wahren Gottes sind, der unsere Seelen lebendig errettet.
Bedeuten unsre Ceremonien nicht, was ich auseinandergesetzt habe; enthalten sie nicht die Grundsätze der Tugend und Religion, die ich entschleyert Ihabe: so frage ich Sie, Maurer, was enthalten, bedeuten, und betreffen sie denn?
Läßt sich vermuthen, soviel gelehrte und brave Männer hätten, in der Folge mehrerer Jahrhunderte, feste Mitglieder dieser Brüderschaft seyn können; wenn die Geheimniße unwichtig, und die Ceremonien unverständlich waren? Gewiß nicht! Man nehme den Geist davon weg; und sie werden lächerlich.
Solte es Jahrhunderte durch der Gegenstand eines elenden Scherzes gewesen seyn, Männer in eine thörichte Falle zu locken, wo der Anführer, der selbst im Lächerlichen gefangen war, sich sehnt über einen Andern wieder lachen zu können? Solche Thorheiten haben keine Wahrscheinlichkeit. Und wäre es nur, das gewesen, so konnte die Falle einfacher gemacht und ausgeputzt werden; man brauchte nicht heilige. Dinge in den Spaß zu ziehen. Dieß macht die Vermuthung so absurd, daß es keiner weitern Anmerkung bedarf.
Wir Maurer bekennen, daß wir Wanderer im Fortgang von Osten her sind.
Gott pflanzte einen Garten in Osten, und setzte darein die Vollkommenheit der menschlichen Natur, den ersten Menschen, voll Unschuld und göttlicher Erkenntniß, yoll Ehre, sogar geziert mit dem Ebenbilde Gottes. Gelehrsamkeit hatte nach der Sündfluth seinen ersten Fortgang aus osten. Die Aeypter bildeten zuerst den Thierkreis ab, entdeckten zuerst die Weisheit des großen Baumeisters der Welt in den Umwälzungen der Himmel; lehrten zuerst die Wissenschaft der Geometrie.
Die Lehre unsers Erlösers und die christliche Offenbarung gieng von Osten aus.
Der Stern, der die Geburt des Sohnes Gottes verkündigte, erschien in Osten.
Das Wort Osten gebrauchten die Propheten, um den Erlöser anzuzeigen.
Folglich können wir mit Recht sagen, daß wir von dorther wandern. Wir bekennen damit, daß wir Maurer, das heißt eine Gesellschaft der Gottheit sind, welche mit dem vater gleich ewig, im Mittelpunkt des Himmels wohnet.
Bekennen wir aber so etwas nicht; warum hätten wir nicht unser Wandern vom Norden, oder von den Gegenden des Chaos und der Finsterniß angenommen?
Itzt aber, meine Brüder! beschließe ich meine Bemerkungen. Ich ende die Arbeiten meines Jahres mit der aufrichtigen Ermahnung: daß Sie fortfahren in dieser Gesellschaft als rechtschaffne und gottesfürchtige Männer zu handeln; sich zu üben in Verbreitung der Ehre dieser Verbindung, trotz des boshaften Verläumdens der Gottlosen und Unwissenden, streng in Ihren Pflichten, als Maurer und als Brüder zu seyn; Ihr Wohlwollen mit Ehrlichkeit, Ihre Mildthätigkeit mit Herzlichkeit, nicht wie Heuchler, zu zeigen; sorgsam sich zu bemühen, zur. höchsten Kenntniß Ihres Systems zu gelangen, - dessen Endzweck, wie ich Ihnen laut verkündige, ist: Die Werke der Rechtschaffenheit zu thun.
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