Saloppe Schulmeisterei - an der Freimaurerei vorbei
Franz X. Perick: Freimaurer. Was Sie schon immer wissen wollten, aber niemanden fragen konnten, ohne eine allenfalls eine unbefriedigende Antwort zu erhalten. Dülmen: Laumann-Verlag 2009.
Dazu zwei Rezensionen von John J. Robinson. Born in Blood. The Lost Secrets of Freemasonry. New York: Evans 1989 http://www.phoenixmasonry.org/masonicmuseum/Born_in_Blood_Book_Review.htm http://freemasonry.bcy.ca/texts/reviews/born_in_blood.html
Zur Qualifikation von John J. Robinson http://www.msana.com/jrobinson.asp
Der Untertitel dieser gut 150seitigen Schrift führt in die Irre. Die meisten Profanen, die an der Freimaurerei interessiert sind, wollen kaum ausführliche Schilderungen des Bauernaufstandes von 1381 in England, des Templerordens und anderer Ritterorden, der Drusen sowie der Rosenkreuzer lesen. Der Autor, offenbar ein Freimaurer, kommt erst auf Seite 97 zu den Freimaurern. Doch bald irrt er wieder ab zur Alchemie, zur Theosophie von Böhme und Swedenborg und zu den griechischen Sophisten. In weiten Teilen bezieht sich Dr. Franz X. Perick immer wieder auf die Verbindung der Freimaurer zu den Templern, wie das 1989 der Hobby-Historiker John Robinson in seinem Buch „Born in Blood“ beschrieben hat.
Ein Kunterbunt
Das Kunterbunt setzt sich fort in einem II. Teil. Das freimaurerische Ritual und der freimaurerische Deismus werden gestreift. Bei der Frage, ob Beethoven und Schiller Freimaurer waren werden der Heraklitische Logos, die Orphik und der Jesuitenorden ins Spiel gebracht. Als „Freimaurerische Chefideologen“ erfahren Karl Christian Friedrich Krause und Gotthold Ephraim Lessing eine kurze Würdigung und zum Schluss wird noch schnell auf die Animosität der katholischen Kirche gegen die Freimaurerei eingegangen und die Freidenkerbewegung angetippt. Der Text schliess mit je zwei drei Zeilen zu Friedrich Nietzsche, Nicolo Macchiavelli, Rudolf Karl Bultmann und Kardinal Richelieu.
Perick möchte einen frischen Zugang zur Freimaurerei bieten. Er will „entmythologisieren, entmystifizieren“ Das Ergebnis ist konfus. Auch wenn ein Freimaurer Fragen beantworten will, muss es nicht immer gut herauskommen. Wieder eine verpasste Gelegenheit!
Perick macht auf humanistische Bildung. Philosophie- und Kulturgeschichte sind ihm geläufig. Er spricht über Moscheen und Päpste, die Piratenflagge („Jolly Roger“) und das Lamm Gottes, die Kabbala, das Universum und das Periodensystem der chemischen Elemente, über „Sophien“ und „Logien’n“ (114). Unter seinen Lieblingswörtern sind „obstinat“ (67, 82, 145, 151) und „gimmi shelter“ (67, 95, 97).
Trotz Bildungsdünkel zahlreiche Fehler
Je länger man sich in das kleine Werk vertieft, desto mehr staunt man über den Bildungsdünkel des Autors. Einerseits streut er immer wieder saloppe Zwischenbemerkungen ein, etwa über Muckertum (12), den FC Arsenal (25), die St.-Pauli-Fans bei Hamburgs Fussball (53) und Sepp Herbergers Fussballer, die 1954 „brennen“ mussten (71), über die Vorteile eines Katechismus (51), über Outletcenter (20, 55), „Pulp fiction“ (75) oder Beatmusik („Das ist Rock’n’Roll, dem man den Geist genommen hat“, 86). Zur Schlacht von Crecy 1346: „Totschlag stillos anstatt Corrida, das Endergebnis ist gleich: Leichen (Fast food anstatt haute cuisine)“ (34). „An seiner Steinmetzarbeit fand Sokrates offenbar weniger Befriedigung: er war ein zu früh gekommener Freimaurer“ (113).
Da ist es kein Wunder dass Perick zahlreiche Fehler unterlaufen. Da wird etwa das Siegel Salomos als sechszackiger „Jugendstern“ definiert (158); ein Konzilstheologe Karl Rahmer ist 1904 geboren, aber offenbar noch nicht gestorben (146) und Robert Moray hat kein Geburtsdatum (116), da gibt es ein „Corpus Hermeticorum“ mit 42 Schriften – üblicherweise sind es nur 18 oder 29 - (79) und ein im Herbst 2008 fertig gestelltes Teilchenbeschleunigungszentrum „Cern“ in Genf (81) und einen Nobelpreisträger Nils Bohr, der angeblich ein Jahr nach seinem Tod („schon 1963“) „metaphysischen Bescheidenheit“ empfahl (81). Weiter behauptet Perick; „Die Kabbala entstand ab dem 13. Jahrhundert“ (66, 85), das Sepher Jezira stammt jedoch „aus dem 3. bis 6. Jahrhundert nach Chr.“ (72), die Schweiz sei kein UNO-Mitglied (31), Aristoteles habe ein eigenes Institut, das Lykeion, gegründet und in einem Kapitel nach demjenigen über die „Natur“ über das „übernatürliche“ geschrieben (69). Mal ist John Boswell (116), mal Elias Ashmole (95) der erste spekulative Freimaurer. Manche Namen sind falsch geschrieben. Das kleine Literaturverzeichnis ist äusserst unsorgfältig erstellt. Das Register ist unvollständig.
Kryptisches zur Freimaurerei
Freimaurerisch Belange kommen kaum zur Sprache, und wenn, dann kryptisch, z. B.: „Freimaurer sind wie der Jesus Christus des nicäanischen Glaubensbekenntnisses: ‚gezeugt, nicht geschaffen’ und von ihrer Mutter geboren“ (16); „Die Weltdarstellung in schwarz-weiss wiederholt sich im musivischen (Mosaik) Pflaster auf dem Freimaurerteppich, wo der Fussboden des salomonischen Tempels abgebildet wird“ (37); der musivische Fussboden „geht zurück auf das Banner der Templer ‚beau séant’ – schön anständig -: schwarzes Feld oben, weisses unten, waagrecht“ (62); „Bei der Einweihung (Initiation) legt man in England dem Kandidaten ein ‚cable-tow’ um den Körper: ein Zug-Seil (Kabel-Zug), zwei gute englische Wörter und der Kandidat wird an einem Schleppseil geführt“ (61); „In den drei Säulen der Weisheit, Schönheit und Stärke im freimaurerischen Tempel sind jeweils sich überschneidende Begriffe zusammengefasst“ (73); G: Zeichen der Loge im 2. Grad (TA II), Tempel-Arbeit II im Gesellengrad. G: bedeutet: nicht Geselle; heisst im Englischen Craft“ (117); „Der G. B. A. W. (Grobawski) ist deistisch gedacht, jedoch symbolisch individuell zu verstehen“ (127).
Mit der Regularitätsfrage tut sich Perick schwer. Die „Grossloge von London“ – besser: Die Vereinigte Grossloge von England – hält er für borniert (18, 145). Freimaurerlogen sind für ihn eine „Symbiose von Arbeiterverein und Herrenreitern“ (67). Das Wort „Erkenntnisgrade“ hält er für dumm (150). Die Entwicklung der Mitgliederzahlen sei “in allen Ländern eher rückläufig“ (98), was z. B. in Frankreich nicht der Fall ist, und die Altersstruktur sei nicht „zukunftsversprechend“.
Warum die Freimaurerei „eine Vereinigung von ehrlichen Leuten“ (13) „dogmenlos ist und ohne religiöse Doktrin“ (125) und Freimaurer Leute sind, „die zwar diskret, aber jeglichem Dunkelmännertum abgeneigt sind“ (13), geht aus dieser Schrift nicht hervor.
Dr. phil. Roland Müller, Switzerland / Copyright © by Mueller Science 2001-2016 / All rights reserved Webmaster by best4web.ch |