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H. Müller: Quelle der Inspiration. Leipzig: Engelsdorfer Verlag 2009.
Ein Müller ohne Vornamen ist fast ein Inkognito. Immerhin outet er sich als Geselle der Dresdener Freimaurerloge „Zu den drei Schwertern und Asträa zur grünenden Raute“. Diese Loge wurde im Jahre 1738 unter dem Namen „Aux trois Glaives d’or“ gegründet (siehe auch Seiten 46-47). Mit zwei Jahren Verspätung wurde 1890 deren 150jähriges Bestehen gefeiert. Den gut 70seitigen Bericht des Schriftführers und Logenarchivars Friedrich Adolph Peuckert darüber hat H. Müller nun mit minimen Äderungen herausgegeben; er hat Abkürzungen ausgeschrieben und einige uns heute fremd vorkommende Wörter erläutert, beispielsweise „Latomia“ = Freimaurerei, „Baustück“ = Rede, oder „distinguirt“ = vornehm.
Eingeleitet wird dieser dreiteilige Haupttext von einleitenden Worten Müllers über das Wesen und die Eigenarten der Freimaurerei aus seiner „jungen“ Sicht sowie die Geschichte seiner Loge (15 Seiten). Angehängt am Schluss sind die Schilderung des „Schwesternfests“ durch den II. Aufseher Chr. Klötzer (6 Seiten), sowie von Peuckert zusammengestellte Verzeichnisse der damaligen Beamten, 72 Ehrenmitglieder und rund 170 gewöhnlichen Mitglieder der Loge (15 Seiten).
Eine gut zweistündige Festloge
Die schmale Schrift ist also ein eindrückliches Zeitdokument des Jahres 1890. An der Festloge nahmen etwa 300 Brüder teil. Ein Ausschnitt aus der Ansprache des Stuhlmeisters möge die Rhetorik der damaligen Zeit anschaulich werden lassen: „Unsere Geschichte, von kundiger Hand niedergeschrieben, belegt
genügend, dass auch unserer Loge die Zeiten schwerster Kämpfe inner- und
äusserlich nicht erspart geblieben sind.
Der zehnseitigen Rede folgten die Uraufführung einer von Klötzer gedichteten Festkantate „Auf Brüder! Dem Meister der Welten zu danken, Lasst tönen ihm heute ein jauchzend Lied!“ - und ein zwölfseitiger Abriss über die Geschichte der Schwerterloge von Peuckert selber, in welcher die farbige Zeit unter dem Einfluss der Strikten Observanz (1762-1785) besonders hervorzuheben ist (49-51); danach wurde die Johannismaurerei eingeführt und 1817 das Schrödersche Ritual. Es folgte ein reger Austausch von kürzeren und längeren Gruss- und Dankesadressen, unter anderem mit einem Lob auf Lessings grosses nationales Lustspiel „Minna von Barnhelm“. Auch der Schwestern wurde gedacht.
Eine fünfstündige Festtafelloge
Nach einer dreiviertelstündigen Pause wurde eine fünfstündige „Festtafelloge“ abgehalten, an der kräftig geredet, rezitiert und gejubelt, geprostet und getrunken, musiziert und gesungen wurde. Peuckert fasst zusammen. „In gehobenster, begeisterter Stimmung verlief das Festmahl, an welchem 300 Brüder teilnahmen. Zündende Rede und Gegenrede folgten einander in raschem Wechsel, und dazwischen boten die tönekundigen Brüder, an ihrer Spitze Meister der herrlichen Musika, einzige Genüsse, die namentlich auch die zahlreichen Brüder anderer Oriente geradezu überraschten“ (75). Auch nach dieser rauschenden Tafelloge blieben viele Brüder „noch einige Zeit in trautem Zusammensein vereinigt“ (91).
Ein fast fünfstündiges Schwesternfest
Acht Tage später „vereinigten sich die Brüder und Schwestern der jubilierenden Loge und zahlreiche Ehrengäste zu einem Schwesternfeste, welches sich in seinem ganzen Verlaufe den Festarbeiten der Brüder würdig anreihte“ (95). Auch hierbei wurden Trinksprüche ausgebracht und Gedichte rezitiert. Es wurde gesungen, musiziert und getafelt. „Nur zu rasch waren aber unter allen diesen Darbietungen die Stunden entflohen, und Mitternacht war vorüber, als der vorsitzenden Meister Bruder Mackowsky die Kerzen verlöschen liess und mit einem Gebete zum allmächtigen Baumeister aller Welten das herrliche Fest schloss“ (100).
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