Freimaurerei - schön gefärbt und vage
Michael Kraus (Hrsg.): Die Freimaurer. Salzburg: Ecowin Verlag 2007.
Gemäss Angaben des Herausgebers Michael Kraus, 2002-2008 Grossmeisters der österreichischen Freimaurer, haben 18 seiner Mitbrüder dieses schmale Bändchen verfasst. Sie bleiben völlig anonym. So liest man die rund zwei Dutzend Kapitel als ob sie aus der Feder eines einzigen Autors stammten. Die gut zwei Dutzend farbigen Abbildungen im Mittelteil betreffen spezifisch die österreichische Freimaurerei und haben zum grossen Teil nichts mit dem übrigen Text zu tun. Es handelt sich nicht um eine historische Darstellung, sondern um eine Einführung in die Denkweise und ethischen Werte der Freimaurer – aus österreichischer Sicht, mitunter reichlich akademisch und fast zu schön, um wahr zu sein.
Die Absichten der Freimaurerei
Im Vorwort gibt Kraus eine gute Schilderung der Absichten der Freimaurer: „Was die Freimaurerei in der gesamten Zeit ihrer Existenz versucht, ist nicht weniger, als der Menschenwürde und der Menschenliebe in der Welt den Platz zu schaffen, der ihnen nach unserer humanistischen Überzeugung zusteht. Das zu wollen, heisst, sich gegen Bevormundung, Engstirnigkeit, Diktatur, Egoismus, Intoleranz und viele andere Unmenschlichkeiten zu wehren. Manchmal bedeutet es Aufklärung, immer aber ist es die Arbeit des Sisyphos, die wir deswegen positiv erleben, weil wir erkannt haben, dass es sich lohnt, den Weg zum Ziel zu machen. Die immer neue Anstrengung, die immer neue Herausforderung macht den Menschen zum Freimaurer“ (12).
Ein kultursoziologisch oder -philosophisch argumentierender Bruder präzisiert: „Die Freimaurerei unterstützt keine Partei, macht keine Öffentlichkeitsarbeit, investiert in keine Unternehmen, lehrt in keiner Schule, predigt keine Doktrin. Einzelne Freimaurer tun das alles, aber nicht als Vertreter der Freimaurerei, sondern in ihrem jeweiligen Amt oder Beruf“ (29).
Und ein weiterer Bruder fasst etwas unbeholfen zusammen: „Das Ziel ist (mehr) Humanität einschliesslich von Demokratie und Menschenrechten. Dies geschieht über den Weg der persönlichen Arbeit am Menschen, zunächst und primär an sich selbst. Basis dafür ist die eigene Selbsterkenntnis, aber auch die Erkenntnis weiterer Zusammenhänge“ (128).
Die erste Hälfte dieser Schrift ist sehr besinnlich und philosophisch gehalten. In wohlabgewogenen Worten wird über das „masonische“ Menschbild, Humanität, Aufklärung und Toleranz gehandelt. Auffällig ist, wie wichtig offenbar für die österreichischen Freimaurer die Verschwiegenheit ist. Sie haben Angst, „mit einer grundsätzlich misstrauisch eingestellten Öffentlichkeit in eine Diskussion einzutreten“, denn das könne, wie die Situation in anderen Ländern zeige, „nur mit der Banalisierung der Freimaurerei enden“ (49). Die Österreicher setzen alles daran, dass die „im Inneren der Bruderschaft verankerten Mechanismen und Traditionen“ gepflegt werden „und diese nicht durch Anpassungs- und Öffnungsfantasien“ gefährdet und verflacht werden (156).
Teils vage, teils unzutreffend, teils klar, teils hochnäsig
In der Beschreibung des Logenlebens sowie der Symbole und Rituale werden daher auch keine Details bekanntgegeben. Ob sich Aussenstehende davon ein auch nur einigermassen zutreffendes Bild machen können, bleibt fraglich. Die historischen Angaben über die mittelalterlichen Bauhütten (69-73) und die Herkunft der Symbole und Rituale daraus (68, 75, 105, 138f, 152) sind zudem völlig unzutreffend.
Klar und deutlich wird dagegen das Verhältnis der Freimaurerei zu Religion und Politik dargestellt. Vage bleiben demgegenüber die Ausführungen zu Globalisierung, Globalismus und Neoliberalismus. Was heisst beispielsweise die Formulierung: „In dem gleichen Mass, in dem die Qualität der Ereignisse, Prozesse und Faktoren zunimmt, die den Wandel der modernen Gesellschaften bewirken, nimmt die Prognosekraft künftiger Lebenssituationen ab“ (95)?
Bei aller Knappheit informativ ist die Schilderung der Entwicklung der Freimaurerei in Österreich seit 1742, die Mithilfe beim Aufbau der Freimaurerei in den ehemaligen Ländern des Ostblocks nach 1989 und der Hochgrade, die in Österreich praktiziert werden. Die „grünen“ Hochgrade, die etwa in der Schweiz und Frankreich gepflegt werden, werden erst weiter hinten (144) erwähnt – allerdings unter die „roten“ subsumiert. Die „schwarzen“ Grosslogen setzten sich früher ausschliesslich aus Afroamerikanern zusammen (149).
Bezüglich Verschwörungstheorien betritt ein Autor dünnes Eis. Er meint: „Es ist nicht überraschend, dass der unkritische Glaube an Verschwörungen in hohem Mass mit niederen Bildungs- und Intelligenzstandards korreliert. Eigenartigerweise sind besonders misstrauische Menschen auch oft besonders leichtgläubig“ (124). Immerhin werden auch einige „Kuriositäten“ (126) auf Seiten der Freimaurerei erwähnt, etwa die Schwindler Cagliostro und Leo Taxil oder die italienische Loge P2.
Die Erläuterungen über die Organisation der Freimaurerei in Grosslogen, Grossoriente, Orden und Vereinigte Grosslogen sowie die „Regularität“ derselben sind vermutlich nicht einmal für Freimaurer klärend. Dass die reguläre Freimaurerei keine Frauen aufnimmt, wird damit erklärt, dass im Mittelalter Frauen weder einer Bauhütte noch Handwerksgilden zugehörig sein konnten (152).
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