Home Christopher Hodapp: Freimaurer für Dummies (2006)

 

Christopher Hodapp: Freimaurer für Dummies. Weinheim: Wiley-Vch Verlag 2006.

 

 

Das ist ein kurioses Buch: Einerseits möchte man ausrufen: „Typisch amerikanisch“, anderseits ist es mit Informationen derart  vollgepackt, dass es ganz gut aus einer europäischen Gelehrtenstube kommen könnte.

 

Ein junger amerikanischer Werbemensch …

 

1991 publizierte  der angesehene amerikanische Buchverlag Wiley sein erstes Buch „for Dummies“, ein Computerbuch. Seither wurden in dieser Serie Hunderte von allgemeinverständlichen Büchern über fast jedes Thema veröffentlicht und manche davon in mittlerweile 39 Sprachen übersetzt.

Das wäre eine Plattform auch für die Freimaurerei, dachte der noch ziemlich junge Werbemensch Christian Hodapp, der in Indianapolis lebt, und meldete sich beim Verlag als Autor. Im Jahre 2005 erschien sein 300seitiges Buch über die Freimaurerei, das rasch auf Deutsch übersetzt wurde. Ob der professionelle Übersetzer selber ein Freimaurer ist, wird nicht angegeben. Aber jedenfalls berücksichtigen einige Angaben im Text - aber leider nicht alle - spezifisch die deutschen Verhältnisse.

 

… bietet umfassende Information über die Freimaurerei …

 

Obwohl das Buch durch viele Zwischentitel, Vignetten, Kästchen, und einige Abbildungen, ja sogar sechs Cartoons aufgelockert ist, handelt es sich um schwere Kost. Auch eine saloppe Sprache kann nicht darüber hinwegtäuschen. Das Buch ist in etwa 20 Kapitel gegliedert, die man einzeln und in beliebiger Reihenfolge lesen kann. Daher sind auch Wiederholungen (z. B. über die deutschen Grosslogen, 74-75 und 126-126, oder über die Tempelritter) anzutreffen.

 

Da die Freimaurerei viele hundert Jahre alt ist, nimmt die Geschichte in diesem Buch einen grossen Teil ein.Über zwei, drei Behauptungen, vor allem über die frühe Zeit, kann diskutiert werden. Aber viele Abschnitte und Kästchen geben lebendige Schilderungen über meist recht unbekannte Ereignisse, Strömungen und Organisationen der Kulturgeschichte, inklusive die Templer - in einem „Crashkurs“ -, das englische Königshaus und die Jakobiten (nicht: Jakobiner).

 

Hodapp bietet umfassende Auskunft über sämtliche Aspekte der Freimaurerei: über die Herkunft aus dem mittelalterlichen Bauwesen und die Legende der Tempelritter so gut wie über die heutigen Rituale und Gepflogenheiten. Besonders interessant sind die Klarstellungen betreffs Verschwörungstheorien, „Illuminati“, „Protokolle der Weisen von Zion“ und „verbreitete Mythen“, wie den Logenbock, die amerikanische 1-Dollar-Note, Baphomet und Jack the Ripper.

Wichtig ist der mehrfache Hinweis des Autors, „dass es so etwas wie eine übergreifende weltweite Zentralverwaltung bei den Freimaurern nicht gibt“ (33, 111, 173-174). „Es gibt niemanden und hat nie jemanden gegeben, der alle Freimaurer vertritt“ (33).

Auch über Frauenlogen in verschiedenen Ländern (36-37, 127-128, 188, 211-212) und Logen für Jugendliche sowie die Pfadfinder (37, 212-215) wird berichtet. Unnötig sind einzig die Exkurse über die Jesuiten (90-91) und die Kabbala (177-178). Und das Register lässt zu wünschen übrig.

 

… und Klarstellungen zu Albert Pike und zum 32° …

 

Deutlich äussert sich der Autor auch zu Albert Pike – „ein Genie war er sicher nicht“: „Heute sind sich die meisten freimaurerischen Gelehrten einig, dass ‚Morals and Dogma’ [1871] ein dickes, eindrucksvolles, verworrenes Buch ist, das in vielen Fragen zu völlig falschen Schlüssen kommt“ (168).

Immer wieder betont Hodapp, dass die eigentliche Freimaurerei bloss die drei Grade Lehrling, Geselle und Meister umfasst  - die sogenannte Blauen oder Symbolischen Logen, die Johannis-Freimaurerei – und dass es keine inhaltliche Höherstellung über den Grad des Meisters hinaus gibt (z. B. 33-34, 142, 194). Was in Europa als „Hochgrade“ bekannt ist, nenn er „Verzweigungen“, angegliederte (appendant) und angeschlossene (concordant) Organisationen.

Eine besondere Klärung erfahren in diesem Zusammenhang der 32° und 33°: „In den USA müssen Sie vor der Bearbeitung des 32. Grades nicht erst alle vorherigen Grade vorweisen können. Ebenfalls nicht notwendig ist dort die Einhaltung einer bestimmten Reihenfolge, denn jeder Grad vermittelt in sich geschlossenen Lehrinhalte … Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, dass viele Gegner der Freimaurer glauben, der 32. Grad sei ein solch hoher Rang, dass sein Inhaber zweifelsohne über dunkles, mysteriösen und möglicherweise unheilvolles Wissen verfügen müsse, das den darunter liegenden Rängen verheimlicht werde“ (208-209; vgl. 205).

Der 33° ist ein Ehrengrad (auch 255); ferner sind einige leitende Freimaurer in diesem Grad aktiv tätig.

Shriner kann in den USA heute jeder Freimaurer werden, der den Meistergrad hat (186). Das „goldene Schwert der Tempelritter“ dagegen erhält er erst nach einem Aufstieg im York-Ritus (194).

 

… sowie zu Riten und Symbolen …

 

Wertvoll sind die Hinweise auf verwandte – aber nicht verbundene - Organisationen wie das moderne Rosenkreuzertum und die Serviceorganisationen. Etwas viel Platz wird der Beschreibung des amerikanischen „York Ritus“ und des „Alten und Angenommenen Schottischen Ritus“ amerikanischer Ausprägung eingeräumt. Das hat zur Folge dass neben Bibel, Winkelmass und Zirkel sowie dem Salomonischen Tempel auch Symbole wie Jakobsleiter und Pantoffel, „der Punkt mit Kreis und Parallelen“, Bienenstock, Schwert und Kelle erläutert werden.

Im Anhang finden sich unter anderem die älteste Schrift aus der Vorgeschichte der Freimaurerei, das Regius-Poem (von ca. 1390), sowie die „Alten Pflichten“ in deutscher Übersetzung.

 

… und zur Zukunft der Freimaurerei

 

Da Hodapp mit viel Eifer und warmem Herzen an das fast unüberschaubare Thema herangegangen ist, scheut er sich nicht, am Schluss zu fragen: „Hat uns die Freimaurerei heute noch etwas zu sagen?“ und sich kluge Gedanken über die Zukunft der 300 Jahre alten Bruderschaft zu machen.

Nachdem die USA in den vergangenen Jahren mit Massenaufnahmen und „Alles an einem Tag“ von sich reden gemacht haben, schlägt das Pendel offenbar wieder zurück: Europäische Verhältnisse gelten nun wieder als Vorbild. Es gibt bereits „European-Concept- Logen“ etwa nach dem Motto: „Klein ist fein!“ Dabei kann durchaus mit moderner Technologie gearbeitet werden: „Der nächste Schritt werden zweifelsohne 3-D-Simulationen des Salomonischen Tempels und interaktive Lektionen zu seiner mittleren Kammer sein“ (233).

 

Ein erfreuliches und kluges Buch

 

Ein beeindruckendes, rundum erfreuliches Werk. Entgegen dem Titel ist es allerdings nichts „für Dummies“, sondern nur wachen Menschen zu empfehlen, und zwar sowohl jungen wie alten Freimaurern als auch geistig interessierten Zeitgenossen. Es bringt - sachlich fundiert und durchaus selbstkritisch - frischen Wind in die durch dumme Bücher und das Internet wieder angeheizte Diskussion um die Bedeutung der Freimaurerei.

 



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