Eine Geschichte der Freimaurerei: umfassend, informativ, aktuell
Tom Goeller: Freimaurer. Aufklärung eines Mythos. Berlin: be.bra Verlag 2006; Rheda-Wiedenbrück, Gütersloh: RM-Buch-und-Medien-Vertrieb 2007.
Tom Goeller ist ein deutscher Journalist, Experte für internationale Beziehungen und Freimaurer. Er hat amerikanische Geschichte studiert und befasst sich seit langem besonders mit dem Nahen Osten. Er schildert die Geschichte der Freimaurerei von den alten Ägyptern bis heute. Zuerst führt der Bericht über die Templer und Steinmetzen bis 1717 mit besonderem Augenmerk auf die Legenden von Isis und Osiris, Pythagoras und Hiram, die drusischen Geheimreligion und den Derwischorden. Dass dies die historischen Wurzeln der Freimaurerei seien, überzeugt nicht. Viel Behauptungen sind nicht belegt, etwa dass der Satz des Pythagoras wirklich von Pythagoras stammt oder dass einer der besten Baumeister von Tyrus der dionysischen Bruderschaft der Handwerker angehörte, „die ausschliesslich Gebäude errichteten und sich eine geheime Organisationsstruktur gaben“ (21). Oder dass die Templer zumindest vorübergehend ihre Niederlassungen in Schottland halten konnten und nach 1314 „Mitbrüdern vom europäischen Kontinent, vielleicht sogar einem Teil der Templer-Flotte“ Zuflucht gewährten (31f). In der Kapelle von Rosslyn fänden sich „in der Innenausstattung genauso wie in der Gesamtanlage der Kirche hunderte von Templer- und Freimaurer-Hinweisen: angefangen bei dem Tempel Salomons, über Hiram Abiff bis zu heute noch ausgeübten Freimaurerriten und Freimaurersymbolen“ (32).
Weltweites Streben nach Freiheit
In der selben Munterkeit berichtet Goeller hernach über die Entfaltung der Freimaurerei nach 1717, allerdings derart geschwätzig, dass die Sache rasch langweilig wird. Immerhin, wir erfahren viele Details der Entwicklung in Deutschland, Amerika und Frankreich. Deutlich formuliert Goeller: „Der These, hinter der französischen Revolution stünden Illuminaten und/ oder Freimaurer, fehlt jede Grundlage“, und behauptet keck, Abbé Sièyes, Mirabeau und Camille Desmoulins seien keine Freimaurer gewesen (73). Dafür zählt er den „faux frère“ Diderot in einer lückenhaften – und daher unbefriedigenden - Liste im Anhang (215-221) zu den „bekannten Freimaurern“. Ausführlich werden Mozarts „Zauberflöte“ und die „Gold- und Rosenkreuzer“ am preussischen Hof gewürdigt.
Sehr informativ werden für das 19. Jahrhundert die sonst gerne ausgeblendeten revolutionären Umtriebe der Freimaurer Bolivar, Garibaldi und Ypsilanti dargestellt. Der Weg zur modernen Türkei dauerte dagegen länger, etwa von 1863 bis 1933.
Es folgen weniger erfreuliche Kapitel der Geschichte, etwa die „Affäre Dreyfus“, „Taxils Schmierenbücher“ und die „Protokolle der Weisen von Zion“. 1920 begann der „Untergang der Freimaurer im 20. Jahrhundert in Europa“ (118) mit dem ungarischen Diktator Miklos Horty; Bald folgten Mussolini und Hitler, Salazar und Franco. Als Gegenbild schildert Goeller den Einsatz des deutschen Aussenministers Gustav Stresemann und des französischen Aussenministers Aristide Briand in den 1920er Jahren (7-14) sowie von Carl von Ossietzky (131-133) für den Frieden.
Ein ganzes Kapitel widmet Goeller dem „Untergang der Freimaurer zwischen Moskau und Ost-Berlin“ (144-153), also im kommunistischen Bereich. Während es in der DDR und im Ostblock bis 1989 „finster“ blieb, konnte sich nach Kriegsende in der Bundesrepublik Deutschland die Freimaurerei langsam wieder aufbauen. 1958 schlossen sich zwei Grosslogen mit einer „Magna Charta der deutschen Freimaurer“ zusammen und im Laufe der Zeit schlossen sich alle in Deutschland regulären Logen an.
Freimaurerei ist gelebter Humanismus
Wenig geschickt ist das Kapitel über die heutige Freimaurerei überschrieben: „Mit Frack und Zylinder“ (165-173). Der Inhalt dagegen gibt das Wesentliche der Freimaurerei knapp und verständlich wieder. „Freimaurer waren die wichtigste Stütze der Aufklärung in Europa. Freimaurer treten bis heute für aufklärerische Werte wie Toleranz, Brüderlichkeit, Demokratie und Gleichheit aller Rassen und Religionen ein. Sie treten ein für absolute, uneingeschränkte Meinungsfreiheit. Was in den einzelnen Gesellschaften nicht oder nur unvollkommen erreicht ist, wird dem Freimaurer indes wenigstens in seiner Loge zuteil. Innerhalb der Loge spielen ständische oder soziale Unterschiede, Nationalität, religiöse und politische Überzeugungen keine Rolle. Dies nennen Freimaurer ’Brüderlichkeit und ethisches Wachstum im geschützten Raum’. Freimaurer ermutigen sich gegenseitig, in ihrer jeweiligen Gesellschaft humanitäre Werte zu fördern. Freimaurerei ist keine Religion … Freimaurerei ist gelebter Humanismus“ (171). Goeller behauptet tatsächlich: „In den USA trägt man zum Logen-Besuch in der Regel einen Smoking (Tuxedo), in Deutschland meist einen dunklen Anzug, zu bestimmten Anlässen ebenfalls einen Smoking oder Frack“ (172). Der Zylinder wird nur noch von Potsdamer Freimaurern getragen (173). Bei den „verheimlichten Schwestern“, den Freimaurerinnen, wird Goeller wieder geschwätzig (174-184). Er berichtet über unfreiwillige Initiationen und die Adoptionslogen, den „Droit Humain“ und Frauenlogen in Deutschland. Zerfahren, weil gespickt mit winzigen Einzelheiten, wirken schliesslich die Beschreibungen der Freimaurerei in Asien und Afrika (188-198). Irritierend ist unter anderem die Angabe, dass Hammadoun Dicko heute Aussenminister von Mail sei (197) - laut Wikipedia ist er 1964 gestorben.
An mehreren Stellen (z. B. 16, 210) behauptet Goeller, dass es heute sechs Millionen Freimaurer gebe. Da vor allem in den USA seit 1960 ein gewaltiger Aderlass stattgefunden hat, sind es jedoch nicht einmal mehr die Hälfte.
Die arabische Welt hetzt wie die Nazis
Das aktuell trübste Kapitel der Verfolgung von Freimaurern bietet die arabische Welt, wo einst die Freimaurerei weit verbreitet war: „Abgesehen von
der Türkei und Marokko werden Freimaurer in der islamischen Welt abgelehnt und
verfolgt. In arabischen Medien und teilweise auch von arabischen Regierungen
wird oftmals das ganze Nazi-Repertoire gegen Freimaurer wiederholt. Es sind
nicht nur radikale Islamisten, die Freimaurer als Mordziele ausgesucht haben.
Auch im Iran und in Saudi Arabien werden Freimaurer exekutiert. Offiziell gibt
es in diesen Ländern gar keine Freimaurer. Denn ihnen wird vorgeworfen, für
‚westliche Demokratien und Toleranz’ einzutreten, sich mit ‚Juden gemein’ zu
machen und – als wichtigstes Argument – den Islam nicht als alleinige
Religionsform anzuerkennen. Nach einer Wiedergabe von drei Auszügen dieser hasserfüllten Charta weist Goeller im Detail nach, wie die „Protokolle der Weisen von Zion“ auch heute noch in der arabischen Welt hoch im Kurs stehen. Er schliesst mit den Sätzen: “Es ist durchaus nachvollziehbar, warum totalitäre (islamische) Regime Freimaurer in ihrem Hoheitsbereich nicht dulden. Nicht aus Angst vor Verschwörungen und Putschgefahr, wie sie glauben machen wollen, sondern weil Freimaurer freies Denken propagieren.“ (206).
Ein wichtiges Buch
Leider haben sich die Aktivitäten des 2006 von Tom Goeller in Maryland mitbegründeten „Masonic Peace Institute“ nach kurzer Zeit im Sand verlaufen.
Goellers Buch ist eine nüchtern gehaltene Chronik. Es besticht durch viele aktuelle Informationen und Darstellungen, die man sonst nicht kennt. Es ist - trotz einiger Mängel - ein wichtiges Buch nicht nur zur Geschichte, sondern auch zur heutigen Lage der Freimaurerei in der gesamten Welt.
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