Das Regius-Poem (1390)
Vollständige Übersetzung von Hermann Marggraff, 1842
Aus: Urgeschichte der
Freimaurerei in England. Von James Orchard Halliwell. http://zenisis.de/images/ebook/Buch00284-Freimaurerei-auf-www.zenisis.de.pdf
Wie bei der anonymen Übersetzung derselben Schrift von James Orchard Halliwell in der Freimaurerischen Vierteljahrs-Schrift Latomia im selben Jahr beginnt der Text nach einem längeren Vorwort des Übersetzers Hermann Marggraff (III-XII), worin er einige Problem der Übersetzung anspricht und eine Nacherzählung des gesamten Gedichts gibt, mit der Nacherzählung der "alten Legende"; nachher folgen die vollständige Übersetzung des Regius-Poems in dem „alten ehrlichen Knüttelvers“ sowie das Nachwort Halliwells über die York-Urkunde. Im Nachwort (41-47) weist C. C. Gretschel darauf hin: Die von Halliwell herausgegebenen Reime „zeigen zugleich auf’s Neue den Zusammenhang unserer ältern deutschen Baugenossenschaften mit den britischen, unter dem Einflusse der päpstlich gesinnten Mönche gebildeten und durch diese mit den noch ältern kuldeischen Vereinen, von denen die Yorker Constitution ausging“ (45).
Für die Übersetzung der Nacherzählung der alten Legende und des Nachworts von Halliwell siehe: Frühere Geschichte der Freimaurerei in England
Gute englische Texte: http://www.freemasonry.bcy.ca/texts/regius.html http://www.freemasons-freemasonry.com/regius.html
Ein Gedicht über die Grundgesetze der Maurerei.
Hic incipiunt constituciones artis Geometrie(ae) secundum Euclydem,
Wer Einsicht hat und lesen kann, trifft in alten Büchern die Kunde an Von manchen Frauen und grossen Herrn, Die Kinder hatten von gutem Kern, Doch, sie zu erhalten, nicht Gut und Geld, Weder in der Stadt, noch auf See, noch im Feld. Darauf man denn zu einem Rath In dieser Absicht zusammentrat, Wie am besten ihr Leben sei zu leiten, Ohne Gram, ohne Kummer, ohn' Kämpfen und Streiten, Zumeist für die spätere Nachkommenschaft, Wenn der Tod sie selbst hinweggerafft. Zu grossen Gelehrten schickten sie nun, An ihren Kindern Gutes zu thun.
„Wir bieten sie um Gotteswillen, Unsre Kinder Die gutem Geist zu erfüllen, Damit sie ihre Lebenszeit Zu bringen in Ehren und Sicherheit." Damals, durch die gute Geometrei, Diese edle Kunst der Maurerei Ward angeordnet und nachgemacht und von jenen Gelehrten ins Leben gebracht; und der angewandten Geometrie Den Namen Maurerei gaben sie - Denn sie ist von allen die beste Kunst. Den Kindern nun geschah die Gunst, Vom Gelehrten zu lernen die Geometrie; Die grosser Sorgfalt belehrte er sie;
Auf die Bitten von Mutter und Vater, War er in der Kunst ihr edler Rather. Und wer am eifrigsten huldigte ihr Und seine Brüder übertraf an Wissbegier In dieser Kunst, der sollte mehr Als die übrigen haben an Ruhm und Ehr. Euclid war dieser Gelehrte genannt, Und wunderbar weit sein Name genannt. Dieser grosse Gelehrte befahl noch dies, Dass, wer sich am tüchtigsten erwies, Lehren sollte den Einfältigen, Diese Kunst vollkommen zu überwältigen; Und so solle Jeder den Andern lehren Und wie Bruder und Schwester lieben und ehren;
Fernerhin verordnete er, Meister genannt sein solle der, Dem vor Allen der höchste Preis sei zu gönnen, Dann dürfte man ihn auch Meister nennen. Doch nenne der Maurer den Genossen, Der aus derselben Kunst entsprossen, Nur lieber Bruder, nicht Knecht, nicht Sklav. Obschon ein Andrer ihn übertraf. Kameraden heissen sie alle zusammen, Weil sie von guter Geburt entstammen. So durch den Witz der Geometrei Begann die Kunst der Maurerei; So der gelehrte Euclid erfand Die Geometrie im Aegypterland;
In Aegypten lehrt er sie weit und breit, In vielen Ländern nach jeglicher Seit'. Viele Jahre nachher, wie ich vernahm. Die Kunst auch nach unserm Lande kam - Diese Kunst kam nach England - ich führ' es jetzt an - Zur Zeit des Königes Adelstan - Er errichtete Hallen und hohe Tempel Und Pfeilergewölbe zu gutem Exempel, Darin sich zu freuen so Tag als Nacht Und Gott zu ehren aus aller Macht. Dieser gute Herr liebte sehr die Kunst Und kräftigte sie durch seine Gunst; Denn da er Mängel in ihr erfand, Hat er verordnet durch all sein Land,
Dass Alle, die Theil an dem Handwerk nähmen, Zu ihm in rüstigen Schaaren kämen, Und durch ihren Rath die Fehler all Verbessern möchten für jeglichen Fall. Er versammelte dann durch seine Gnade Verschiedene Lords, nach ihrem Grade, Herzöge, Grafen, Barone sodann. Ritter, Esquires und manchen anderen Mann, Und die, grossen Bürger dieser Stadt, Nach: Rang und Ordnung, wie Jeder hat. Beisammen drauf, beriethen sie frei Ein Grundgesetz für die Maurerei. Sie suchten dann, durch kluges Dichten, Wie am besten das Ganze sei einzurichten;
Sie haben funfzehn Artikel erdacht Und funfzehn Punkte hervorgebracht.
Hic incipit articulus primus.
Der erste Artikel der Geometrie: - Der Meister Maurer darf wanken nie, Muss standhaft, treu und wahrhaft sein, Nie darf ihn seinen Werkes reun. Die Gesellen bezahl' er nach dem Preis, Nach dem Werth der Lebensmittel wie er es weiss; Und zahl' ihnen redlich auf Stund' und Tag, Was ihnen nur immer dienen mag; Und zu ihrem Lohne nehm' er nicht mehr, Als was sie verdienen in aller Ehr', Auch sei er von dem Vorwurf frei,
Er buhle um Dank bei einer Partei, Und weder vom Lord, noch vom Cumpan, Nehm' Geld oder Geldeswerth er an. Er steh' als Richter treu und ächt; So behält er gegen Beide Recht. Wohin du auch gehst und wo du auch sei'st, Wächst so dein Nutzen, dein Werth zumeist.
Articulus secundus.
Der zweite Artikel der guten Maurerei Euch wie folgt genau verkündet sei: Jeder Meister werde in Pflicht genommen, Zur allgemeinen Versammlung zu kommen; Auch zeige der Meister Jedermann, Wo statt sie finde, gehörig an.
Er versäume sie um keinen Preis, Wenn er nicht sich zu entschuldigen weiss, Sei es, dass ihm nach der Kunst nicht gelüstet, Sei es, dass Betrug ihn überlistet, Sei es, dass Krankheit ihn halte fest, Die nicht zur Versammlung ihn kommen lässt; Dies gute Entschuld'gung zu nennen ist Vor solcher Versammlung ohne List.
Articulas tertius.
Der dritte Artikel sagt dieses an: Keinen Lehrling der Meister nehme an, Er wolle denn - ich sag' es fürwahr - Bei ihm sich verbürgen für sieben Jahr, Seine Kunst zu lernen - das ist es, was glückt;
Geringre Zeit macht ihn nicht geschickt, Sich selbst zu nutzen und seinem Herrn; Das sagt die eigne Vernunft Euch gern.
Articulus quartus.
Der vierte Artikel bringt dies zum Schluss, Dass der Meister sich immerdar hüten muss, Zum Lehrling zu machen einen unfreien Mann, Noch ihn aus Habsucht zu nehmen an; Denn der Herr, in dessen Dienst er steht, Kann ihn wiederfordern, wohin er auch geht. In der Loge, worin er aufgenommen, Dürfte grosses Ungemach auf ihn: kommen Und Missgeschicke in solchem Schwalle, Dass sie Einige schmerzten oder Alle;
Denn sämmtliche Maurer, rein und schön, In solcher Loge zusammenstehn. Doch sollt’ ein Leibeigner im Handwerk wohnen, Möchte’ es für Alle sich bitter lohnen. Um zu sichern die Billigkeit und das Recht Sei der Lehrling durchaus von gutem Geschlecht. In alten Zeiten geschrieben ich fand: Es sei der Lehrling von edlem Stand; Und so zu Zeiten selbst grosse Herrn. Der edlen Geometrie huldigten gern.
Artculus quintus.
Der fünfte Artikel sagt recht und gut Der Lehrling sei von ehelichem Blut, Einen Lehrling, dessen man sich muss schämen,
Soll der Meister nicht in das Handwerk nehmen; Das ist zu verstehen und so sei es euch kund: Seine Glieder seien alle stark und gesund; Denn der Kunst gereichte zur Schand’ und Scham Ein solcher Mann, verwachsen und lahm. Ein Mann von solchem unächten Blut That nimmer diesem Handwerk gut. Und so höre von Euch denn Jedermann: Die Kunst will einen kräftigen Mann. Nie ein Krüppel von tüchtigem Schlage war - Das wisst ihr schon selbst, seit manchem lieben Jahr.
Artlculus sextus.
Den sechsten Artikel, den merkt Euch wohl,
Der Meister den Herrn nicht bevortheilen soll, Nicht so viel für. seinen Lehrling nehmen, Als zu nehmen der Gesell sich nicht darf schämen. Der Gesell hat der Kunst Vollendung gewonnen, Der Lehrling, Ihr wisst es, hat nur begonnen. Der Vernunft und Billigkeit spräch’ es Hohn, Nähmen Gesell und Lehrling den selben Lohn. Derselbe Artikel demnach bestimmt; Dass an Lohn der Lehrling weniger nimmt Als seine Gesellen, die Kenntnisvollen, In verschiedenen Dingen, sie sei’n wer sie wollen. Doch möge der Meister so wohl ihn lehren, Dass des Lehrlings Lohn sich möge mehren
Und dass er recht gut im Lohn sich stände, Bevor noch die Lehrlingszeit zu Ende.
Articulus septimus.
Der siebente Artikel ist nun hier Und wird Euch berichten für und für, Dass der Mister, weder aus Furcht noch Freude, Einen Dieb weder nähre noch bekleide. Wer getödtet oder gestohlen hat, Nie Schutz von ihm zu gewärtigen hat, Noch der, dessen Name von Makel befleckt; Sonst würde der Kunst nur Schande erweckt.
Articulus octavus.
Der achte Artikel zeiget nun,
Dass der Meister trefflich möge thun; Doch hat er einen Mann im Verein, Der nicht so brave, als er sollte sein, So stell' er einen andern Mann, Einen besser geprüften, für ihn an; Durch solches Mannes Sorglosigkeit Die Kunst führwahr nur schlecht gedeiht.
Articulus nonus.
Der neunte Artikel zeiget ganz richtig, Der Meister sei beides, weise und tüchtig, Und möge siech nie einem Werk zuwenden, Er könn' es denn beginnen und enden, Und dass es auch seinem Herren gedeih’
Wie dem Handwerk zu Nutzen, wo immer er sei; Und dass er auf guten Grund auch sehe, Der nimmer schwinde und nimmer vergehe.
Articulus decimus.
Der zehnte Artikel ist nun zu zergliedern Für Alle im Handwerk, die Hohen und Niedern; Kein Meister dem Andern soll widerstreben, Sie sollen wie Bruder und Schwester leben, Alle und Einige in dieser Handwerkschaft, Welche verlangen nach Meisterschaft; Noch soll er verdrängen einen andern Mann, Der eine Arbeit genommen an, Wofür die Strafe so streng sein muss,
Dass in Geld er zahlen soll die Buss; Doch wenn man den je schuldig erfand, Der das Werk genommen zuerst zur Hand, (Denn in der Maurerei kein einziger Mann Ungestraft den andern verdrängen kann), Es sei von ihm so schlecht verrichtet, Dass es in sich selber so gut wie vernichtet, Dann mög ein Maurer das Werk begehren, Um seines Herren Nutzen zu mehren. In solchem Fall nur mag es sein, Sonst mische sich keine Maurer ein. Und hat er begonnen einen Grund, Und ist er ein Meister gut und gesund, So hat er es sicher in seinen Händen,
In glücklicher Weise das Werk zu vollenden.
Articulus undecimus.
Von dem elften Artikel muss ich gestehn, Dass er beides ist, frei und, schön; Denn er lehret in seiner Macht, Dass kein Maurer arbeiten soll bei Nacht, Es sei denn, dass er im Geist bedenke, Wie man es weiter zum Bessern lenke.
Articulus duodecimus.
Der zwölfte Artikel ist ehrenvoll Für jeglichen Maurer, er sei wer er woll', Er verderbe nicht das Werk des Gesellen, Er beschütz’ es vielmehr in allen Fällen; Er empfehl' es ehrlich und mach' es bekannt,
Mit aller Einsicht, die Gott ihm gesandt. Du magst es fördern nach deiner Fähigkeit, Unter euch beiden ohn’ allen Streit.
Articulus xiijus.
Der dreizehnte Artikel, so wahr Gott mich beschützt, Ist, dass wenn der Meister einen Lehrling besitzt, Er Jegliches solle lehren, Und die Regeln der Kunst in allen Ehren, Damit er die Kunst recht redlich verstehe, Wohin er auch unter der Sonne gehe.
Articulus xiiiius.
Der dreizehnte Artikel, nach vernünftigem Schluss, Zeigt, wie der Meister handeln muss: Er nehme keinen Lehrling in Pflicht,
Ausser, ihm fehlt es an Beschäftigung nicht, Dass dieser, in der gesetzlichen Frist, Ueber die verschiedenen Punkte belehret ist.
Artictulus quindecimus.
Der fünfzehnte Artikel eine Ende macht, Denn er ist für den Meister sehr wohl bedacht: So erzieh' er en Lehrling, ass er sich möge schämen, Ein falsches Zeugniss auf sich zu nehmen, Nicht erhalt' er die Gesellen in ihren Sünden, Um einen Gewinn dabei zu finden; Noch beweg’ er sie zu falschem Eid, So lieb ihm die eigene Seeligkeit; Sonst folgte der Kunst nur Schande nach; Ihm selber Unehr' und bitterste Schmach.
Plures constituciones.
Mehr Punkte die Herren und Meister auch, Auf dieser Versammlung brachten in Brauch. Dass die, welche die Kunst können und üben, Gott und die Kirche sollen lieben, Und den Meister auch, unter dem er steht, Zu Land, zu Meere, wohin er auch geht; Auch sollst du lieben die Genossen dein, Denn es will die Kunst, so soll es sein,
Secundus punctus.
Der zweite Punkt, den ich nun sage: Der Maurer arbeite am Werkeltage, So treu als er nur kann oder mag,
Zu empfangen seinen Lohn am Feiertag. Er arbeite treu an seinem Frohn, So verdient er wohl seinen Wochenlohn.
Tercius punctus.
Der dritte Punkt genau muss sein, Damit der Lehrling ihn wisse fein. Seines Meisters Rath soll er halten verschlossen, Der Geselle auch, ganz unverdrossen. Der Werkstatt Geheimnis erzähl’ er Keinem, Auch was in der Loge geschieht, nicht Einem. Und was du siehts oder hörst sie thun, Soll fest in deinem Herzen ruhn. Was in der Zunfthalle man berathen,
Sollst du in Ehren halten und nicht verrathen; Sonst wär’s der Kunst ein böses Zeichen Und würde dir selbst zur Schande gereichen.
Quartus punctus.
Der vierte. Punkt lehrt also fein, Gegen das Handwerk Niemand falsch soll sein; Einen Irrthum gegen die Kunst bewahren Soll er nicht, sondern lass ihn fahren. Nicht dem Meister, auch dem Gesellen nicht Zum Schaden handeln, sei Jedermanns Pflicht; Soll auch der: Lehrling gehorsam sein Schliess ihn ein gleiches Gesetzt doch ein.
Qulntus punctus.
Der fünfte Punkt ohne Eiswurf ist, Dass, wenn der Maurer zur bestimmten Frist Vom Meister den gesetzlichen Lohn erhält, Er ohne Widerspruch nimmt das Geld. Doch habe der Meister die Billigkeit, Ihm aufzusagen vor der None Zeit, Wenn er ihn nicht fürder beschäftigen kann, Wie er es früher hat gethan. Gegen diese Regel soll er nicht fehlen, Will er ein günstiges Schicksal erwählen.
Sextus punctus.
Den sechsten Punkt zu wissen ist guter Brauch, Für die Hohen zugleich und die Niedern auch.
Zuweilen mag es wohl vorfallen Unter den Maurern, einigen oder allen, Dass durch tödtlichen Hass oder Neid Entsteht eine grosse Streitigkeit; Dann soll der Maurer, wenn er es mag, Ansetzen für Beide einen Tag. Doch der Versöhnungstag finde nicht statt, Bis der Werkeltag gänzlich geendet hat, Am Festtag mag man sich Musse nehmen, Zu einem Versöhnungstag sich zu bequemen. Sonst liessen sie zur Werkeltagszeit, Die Arbeit liegen für solchen Streit. Zu solchem Zweck soll er sie bewegen,
Damit sie ständen in Gottes Segen.
Septimus punctus.
Der siebente Punkt dazu gedeiht, Dass Gott uns ein langes Leben verleiht, Da er uns sagt ganz unverschwiegen: Du sollst bei des Meisters Weib nicht liegen, Noch bei den Gesellen sollst du schlafen, Sonst wird dich die Kunst mit Verachtung strafen, Noch bei des Gesellen Kebsfrau einer, Wie auch du nicht willst, er thu es bei deiner. Die Strafe dafür ist schwer fürwahr, Lehrling muss bleiben noch sieben Jahr. Wenn er sich vergeht an einem von ihnen,
Muss er es so mit grosser Strafe sühnen; Denn vieles Aergerniss würde entstehn Aus solchem sündigen Vergehn.
Octavus punctus.
Der achte Punkt ergibt sich klar, Wenn man bis hieher aufmerksam war. Deinem Meister sollst du dienen treu, Für diesen Punkt fasst dich niemals Reu, Ein treuer Vermittler ferner auch sei Dem Meister wie, den Gesellen frei. Sei treu … und ächt Beiden Parteien, so will es das Recht.
Nonus punctus.
Der neunte Punkt sei dem erzählt, Der als Schaffner unsrer Halle erwählt, Dass, wenn ihr in dem Zunftsaal seid, Einander euch dient zur Zufriedenheit. Gefällige Brüder, zu wissen euch sei, Müsst Schaffner werden all' nach der Reih’; Woche um Woche, dran zweifelt nicht, Müsst ihr erfüllen die Schaffnerpflicht; Jeder diene dem Andern lieblich, Wie zwischen Bruder und Schwester üblich. Es möge Niemand darauf sinnen, von dem Ändern Nutzen zu gewinnen; Jedermann soll bei dem Kostenbetrage
Gleich beteiligt sein, wie ich euch sage! Den Mann zu bezahlen magst du nicht vergessen, Von dem du gekauft hast irgend ein Essen, Damit man dir und der Brüder Kreise Nichts abverlangt in keinerlei weise; Und Mann oder Weib, wer immer es sei, Bezahle sie wohl, das wollen wir frei. Auch ein Schein von den. Brüdern sei beigebracht, Für die gute Bezahlung, die du gemacht. Sonst würde es dir zur Schande gereichen Und deinen Genossen auch desgleichen. Doch hab' einen Schein er [der Schaffner – steward] für jedes Ding Und jede Waare, die er empfing,
Und was er gab für die Brüder weg, Wo und wie und zu welchem Zweck; Solche Quittungen mache du nun, Wenn die Brüder wollen, du sollst es thun.
Decimus punctus.
Der zehnte Punkt gutes Leben verleiht, Zu leben ohne Sorg' und ohne Streit; Denn lebt der Maurer ungerecht Und in seinen Werken falsch und schlecht, So zieht er seinen Genossen nach Durch falsche Beschuldigung bittre Schmach;
Durch Verläumdung und fälschliches Schimpfen Wird er das Handwerk nur verunglimpfen. Uebt er an der Kunst solche Schelmerei, Ihm nie eine Gunst gewähret sei; Nicht befördere man sein schlechtes Leben, Das würde nur Streit und Sorge geben. Auch einen Aufschub bewill’ge man nicht, Vielmehr man zwinge ihn zu der Pflicht, Dass er erscheine, wo man will Wie ihr es wollet, laut oder still. Es soll der Ruf an ihn ergehen, Bei der nächsten Versammlung vor den Brüdern zu stehen; Und will er sich nicht stellen den Klagen,
Soll er ab sogleich dem Handwerk sagen. Und seiner dann die Strafe harrt, Wie in alter Zeit bestimmt sie ward.
Punctus undecimnus.
Der elfte Punkt ist von grossem Werth, Wie die Vernunft euch selbst belehrt: Wenn ein kunsterfahrner Maurer muss schauen; Wie die Brüder an einem Steine hauen Und auf dem Punkt sind, zu verderben ihn, Verbessre er es, mit klugem Bemühn; Und wie zu verbessern, lehre er dann, Damit das Werk .... nicht zum Schimpf gereichen kann. Und aufs schnellste zu bessern lehre er sie,
Mit schönen Worten, die Gott ihm verlieh, Um dessentwillen, der im Himmel drüben; Erbau' ihn mit Worten, milden und lieben!
Punctus duodecimus.
Der zwölfte Punkt ist wichtig und sein; Dass, wenn die Versammlung soll gehalten sein, Anwesend seien die Meister und Gesellen, Auch andre grosse deren mögen sich stellen. Dann sei auch der Sheriff der Grafschaft allda und auch der Mayor aus der Hauptstadt nah, Ritter und Squires sollen auch dort sein und andre Aldermen - das seht ihr schon ein; Und welche Befehle man ausgehen lässt,
Die soll man halten, heilig und fest, Wenn irgend ein Mann, wer immer er sei, Verlangt nach der Kunst, so schön und frei; Hat gegen ihn wer einen Streit unternommen So sei er, sogleich in Haft genommen.
Xiijus punctus.
Der dreizehnte Punkt ist uns Werth und lieb; Er leiste den Schwur: er sei kein Dieb, noch schütz' er des Diebes ehrlos Haupt Für alles Gut, was dieser geraubt; Ein Dieb nicht sei, noch kenne einen, Weder für sein Gut noch das Gut der Seinen!
Xiiijus punctus.
Der vierzehnte Punkt viel Gutes erzählt Für den, der ein ehrfürchtig Leben erwählt; Einen treulichen Eid soll man ihn ermahnen Zu schwören seinem Meister und seinen Kumpan Aufrichtig ergeben und immer treu Sei er allen Verfügungen, wo immer er sei, Auch dem Könige, seinem gesetzlichen Herrn, Halt' er seine Eidespflicht treu und gern. Auch diese Punkte zu halten in Ehren, Soll und muss er sogleich beschwören; Und die Hohen und Niedern den Maurereid Zu schwören desgleichen seien bereit, Auf diese Punkte, euch vorgelegt,
In trefflicher Wissenschaft gepflegt, Und prüfen soll man Jedermann Seinerseits, was leisten er kann. Doch hat man jemand schuldig erfunden, Dass er diese Punkte brach unumwunden, Und wer er auch sei - man soll ihn fassen Und vor die Versammlung bringen lassen.
Quindecimus punctus.
Der funfzehnte Punkt, hat guten Unterricht Für die, so geleistet die Eidespflicht, Auf diese Verfügungen, die der Bund Der Meister und Herren machte kund, In derer Betreff, die sich nicht fügen
Diesen Gesetzen, die hier vor euch liegen, In diesen Artikeln ausgedacht Und von grossen Herren und Meistern gemacht. Den man geprüft hat auf dem Tag Der Bundesversammlung so bald als man mag, Und der nicht gut macht, was er verbrochen, Dem sei das Handwerk abgesprochen; Der sei von der Maurerkunst vertrieben Und schwören soll er, es nicht mehr zu üben. Und verspricht er auch sich zu bessern drauf, So nehme man ihn doch nie wieder auf. Doch zögert er, also zu thun, So trete zu ihm der Sheriff nun
Und greife ihn und setz' ihn gefangen Für das Verbrechen, das er begangen, Und nehme das Vieh ihm und nehm' ihm das Gut, Damit es sei in des Königs Hut, Und lass' ihn in Gefangenschaft, Bis des Königs Wille gelöst die Haft.
Alia ordinacio artis geometriae.
Sie verordneten auch wo immer man wollte, Man jegliches Jahr sich versammeln sollte, Die Mängel zu bessern, wo man sie auch fand Im Kreise der Kunst durch das ganze Land. Jedes oder ums dritte Jahr es geschehen sollte,
An jeglichem Platze, wo immer man wollte. Ort und Zeit müssten anbefohlen sein, An welchem. Platz man versammelt soll sein. Alle Männer der Kunst müssen dorthin gehen, Und andere grosse Herren, wie einzusehen, Die Fehler zu bessern, wovon jetzt gesprochen, Wenn Irgendeiner etwas verbrochen. Alle sollten geschworen haben, Welche verlangen nach des Handwerks Gaben, Treu diesen Statuten zu hängen an, Wie sie bestimmt König Adelstan: "Diese Statuten, die ich erfand,
Die soll man halten durch mein ganzes Land, Kraft meiner hohen Würdigkeit, Die mir das Königsrecht verleiht, Bei jeder Versammlung, die gehalten wird, Kommt zu Eurem Könige unbeirrt, Um seine hohe Gunst zu flehen, Und mit ihm an jedem Platze zu stehen, Zu befest'gen die Statuten Königs Adelstan, Die dieser Kunst er geordnet an."
Ars quatuor coronatorum
Bitten wir nun zu Gott dem Allmächtigen Und zur Mutter Maria, der süssen und prächtigen,
Dass wir diese Artikel halten Und diese Punkte in allen Gestalten, Wie vordem die heiligen Märtyrer vier, Die der Kunst gedient zu grosser Zier, Gute Maurer, wie sie nur jemals erlesen, Steinschneider, Bildhauer sind sie auch gewesen. Werkleute waren sie, best ausgerüstet, Drum auch dem Kaiser nach ihnen gelüstet. Er begehrte, sie sollten ein Götzenbild fertigen Und als Gott es verehren, den Allgegenwärtigen; Solche Götzenbilder hatte er in jenen Zeiten, Um dem Volk das Christusgesetz zu verleiden.
Doch standhaft hielten sie fest ihr Streben Und ihre Kunst, ohne nachzugeben; Sie liebten Gott wohl und seine Lehr Und blieben seine Diener immer mehr. Sie waren Männer, treue und feste, Und lebten in Gottes Gesetz auf’s beste. Sie wollten nicht Götzenbilder fertigen, Für alles Gut, was daraus zu gewärtigen; Zu glauben, diese Götzenbilder seien Gott, Das wollten sie nicht, trotz Zorn und Spott. Sie mochten nicht ihren wahren Glauben verlassen
Und sich einem falschen Gesetz anpassen. Der Kaiser ergriff nun von ihnen einige Und setzte sie in Kerker, tiefe und steinige. Doch je mehr er so bestrafte sie, Desto mehr erfreute Christi Gnade sie. Und als er sah, nichts könne sie rühren, So liess er sie zum Tode führen; Will Jemand mehr von ihnen hören, Den wird am besten das Buch belehren, In der Legende der sanctorum Die Namen der quatuor coronatorum:
Ihr Fest ist, ohne dass man widerstreiten mag, Nach Allerheiligen den achten Tag.
[Verse 535-692]
Höret nun, was ich gelesen, Viele Jahre später ist es gewesen, Nachdem die Sündfluth war zerronnen, Dass der babylonische Thurm ward begonnen, Ein solches Werk von Kalk und Stein, Wie nur jemals konnte gesehen sein. Gar lang und breit ward er begonnen, Sieben Meilen hoch schattete er die Sonnen. König Nabogodonosor liess ihn mauern Recht t stark und fest, dass er sollte dauern,
Dass, wenn! eine zweite Fluth auch käme, Sie diesen Thurm hinweg nicht nähme. Doch Uebermuth zeigten sie bald so klar, Dass jegliche Arbeit verloren war. Ein Engel so sehr ihre Sprachen verwirrte, Dass Jeder sich in dem Andern irrte. Viele Jahre nachher der gute Euclid Die Geometrie zu lehnen war eifrig bemüht. So thaten noch andere zu der Zeit In verschiedenen Künsten weit und breit. Da er mochte in Christi Gnade haften, Begann er sieben Wissenschaften:
Gramatica ist die erste Wissenschaft, Dialetica die zweite voll gesegneter Kraft, Retorica [Rhetorica] die dritte, wer wollt' es verneinen? Musica die vierte, nach aller Meinen, Astromia die fünfte, wie ich sagen kann, Arsmetica die sechste, wer zweifelt dran? Gemetria die siebente zum Schlusse muss sein, Weil sie beides ist, schön und fein. Grammatik fürwahr ist der Wurzelkern Für die, welche aus dem Buche lernen gern. Aber die Kunst sie so weit übersteigt, Als der Frucht die Wurzel des Baumes weicht.
Rhetorik die feinere Rede misst, Die Musik ein liebliches Singen ist, Astronomie, mein Theurer, Zahlen stellt, Arithmetik zeigt, wie Eins sich zum Andern verhält, Geometrie ist die siebente Wissenschaft, Die das Falsche trennt von der Wahrheit Kraft. Es sind der Wissenschaften sieben, Wer gut sie braucht, mag ein himmlisches Leben üben. Jetzt, theuren Kinder, durch eures Verstandes Segen, Mögt ab ihr den Stolz und die Habsucht legen, Beobachten gute Verschwiegenheit Und gute Erziehung, wo immer Ihr seid. Nun bitt' ich euch, habt darauf Acht,
Dass Ihr all' dies euch zu eigen macht; Doch ihr viel mehr noch wissen müsst, Als hier geschrieben zu finden ist. Fehlt Klugheit euch dass Gott sie sende, Erhebet zu ihm sogleich die Hände, Denn Christus selbst, er spricht es aus, Dass die heilige Kirche sei Gottes Haus, Dass sie für nichts Anderes eingerichtet, Als zu beten drin, wie das Buch uns berichtet. Es soll das Volk sich drinnen finden, Zu beten und weinen für seine Sünden. Doch kommt nicht zu spät zu dem heiligen Orte, Zoten zu reissen an der Pforte;
Und wenn du kommst zum Gotteshaus, So hab' im Gedächtnis dies überaus: Gott den Herrn zu preisen, so Tag als Nacht, Mit aller Weisheit und aller Macht. Und trittst du zu der Kirchenthür, Nimm vom heiligen Wasser etwas herfür. Denn jeder Tropfen, den du nimmst heraus, Löscht eine fleischliche Sünde aus. Entblösse das Haupt auch sicherlich Zur Ehre Dem, der am Kreuz erblich. Und kommst du in die Kirche hinein, Erhebe zu Christo das Herze dein!
Dann auf zum Kreuze schaue wieder Und fall' auf beide Kniee nieder! Dann bitte zu ihm, dir Kraft zu geben, Nach der heiligen Kirche Gesetzen zu leben, Zu halten die zehn Gebote auch, Die Gott verlieh allen Menschen zum Brauch; Bitte mild zu ihm, es woll' ihm belieben, Fern zu halten die Todsünden sieben Dass du mögst in der Lebenszeit Frei sein von Widerwärtigkeit. Dann mög' er dich mit Gnade begaben, Im Himmelsglück einen !Platz zu haben.
Sprich in der Kirche nicht böse Worte, Von niederm Sinn, nicht sündliche Worte, Leg' ab die Eitelkeit noch viel mehr Und sag sein Paternoster und Ave her. Auch sollst du an nichts anderes denken, Als im Gebete dich zu versenken; Doch willst du für dich selbst nicht beten, Lass ja keinen Andern dafür eintreten. Auch sollst du weder sitzen noch stehn, Sondern beugen die Kniee fromm und schön. Wird das Evangelium gelesen vor,
So hebe vom Estrich dich empor Und schlage das Kreuz, kannst du es thun, Beginnt das Gloria tibi nun; Und ist das Evangelium vorbei, So beuge die beiden Kniee aufs neu; Auf beide Kniee sollst du fallen, Zur Liebe dem, der sich opferte Allen. Ihr sollt sodann, wenn die Glocke läutet Und das Allerheiligste vorbereitet, Inbrünstig knieen, ihr Jungen und Alten, Und empor die beiden Hände halten, Und sprechen dann in dieser Art,
Ohne Zerstreuung, und sanft und zart: „Herr Jesus! sei du uns gegrüsst, In der Form des Brotes, wie du bist! Jetzt, Jesu, durch den heiligen Namen dein Wolle mich von Schuld und Sünden befrei Und mache, dass ich die Beichte erwerbe: Und letzte Oelung bevor ich sterbe, Und dass ich bereue meine Sünden, Um, Herr, nicht in ihnen meinen Tod zu finden. Und wie du von einer Jungfrau geboren, So errette mich, dass ich nicht verloren; Doch wenn ich mich von der Erde wende,
Verleihe mir Seeligkeit ohn' Ende! Amen! Amen! So sei’s sicherlich - Jetzt, süsse Madonna, bitte für mich!" Dies oder Anderes sollst du beten, Wenn du vor das Heiligthum getreten. Nach dem Guten strebend, sei darauf bedacht, Zu ehren Den, der Alles vollbracht. Denn erfreuen mag’s den Mann an jeglichem Tag, Wenn er einmal am Tage ihn sehen mag; Und ein soIcher Werth ist darauf zu setzen, Dass Niemand ihn wagen darf auszuschätzen; Und der Anblick bringt so großen Gewinn,
Wie uns erzählt der heilige Augustin, Dass, wenn du den Leib Gottes geschaut, Du haben sollst - dies sei dir vertraut - Essen und Trinken ganz nach Begehren, An diesem Tage sollst du sie nicht entbehren, Nichtige Eide und Worte auch Vergiebt dir Gott bei solchem Brauch. Plötzlich zu sterben an diesem Tag Keinerlei Furcht dich beschleichen mag. Am Tage, wo du so dich wirst aufführen; Sollst du auch nicht das Augenlicht verlieren. Und jeder Schritt, willst du dorthin gehen,
Um diesen heiligen Augenblick zu sehen, Soll dir zu gut gerechnet werden, Kämest du je in Not auf Erden. Der Bote, der Engel Gabriel, Behütet ihn wohl dir und ohne Fehl’. Doch will ich sogleich hiervon abbrechen, Um mehr noch von der Messe zu sprechen; Geh zur Kirche, wenn es dein Wunschsein mag, Und höre die Messe jeglichen Tag. Kommst du aber zur Kirche nicht, Weil dich hält eine Arbeitspflicht, So wolle, hörst du die Messglock’ läuten;
Dein Herz zu stillem Gebet bereiten. Und nimm so am Gottesdienste Theil, Den in der Kirche man hält, zu deinem Heil.
[Verse 693-794]
Euren Genossen fernermehr Will ich verkündigen diese Lehr’: Kommst du zusammen mit einem Lord, In der Halle, bei Tafel, und so fort, So lege ab den Hut vor ihm, Bevor du noch gesprochen mit ihm. Zwei oder dreimal, so wird es sich schicken, Musst du vor dem Herren tief dich bücken; Du sollst es thun mit dem rechten Knie,
Zu verlieren den eignen Anstand nie. Entblösst von der Kappe sei dein Haupt, Bis er sie aufzusetzen dir erlaubt. Und während ihr miteinander sprecht, Trage empor dein Kinn fein lieblich und recht; Und wie das Buch dir zeigt die Pflicht, Schau du ihm freundlich ins Angesicht! Fuss und Hand fern zu halten ich bitte Vom Schütteln und Trippeln, so will es die Sitte. Auch Spucken und Schneutzen ist nicht zu leiden, Du sollst es vielmehr verbannen und meiden. Und willst du gut und weise sein,
Sollst du dich zu beherrschen beflissen sein. Und dann, wenn du einmal kommst in die Halle; Unter die höflichen Edlen alle, Nimm in Anspruch kein übermässiges Recht, für deine Abkunft, dein hohes Geschlecht, Und sitze weder, noch lehne dich an, Was weder zierlich noch gut sein kann. Doch sei auch nicht demüthig dein Angesicht, Gute Erziehung zu zeigen, ist deine Pflicht. Wer Vater dir auch und Mutter sind, Wer gut sich verhält ist ein gutes Kind; Man treffe im Zimmer, in der Halle dich an:
Gute Manieren machen den Mann. Wer höher steht, den betrachte klüglich Und zeig’ ihm deine Ehrfurcht füglich. Doch sollst du sie nich Allen gönnen, Ausser es sei, du magst sie kennen. Und wenn du bist bei Tafel gesessen, So sollst du fein und ehrbarlich essen: Hab Acht, dass deine Hände rein und dass dein Messer scharf und rein; Und dein Brot zu schneiden sollst du nicht vergessen, Wie es üblich ist bei solch einem Essen; Doch wenn dein Platz neben Einem ist,
Der würdiger, als du selber bist, So soll er zuerst die Speise empfangen; Bevor du selber darnach magst l langen. Die Leckerbissen sollst du nicht begehren, So sehr sie dir auch zu Gefallen wären. Hüte dich auch, zu deinem Nutzen, Dass deine Hände das Handtuch beschmutzen. Nicht deine Nase schneuze du, Noch in den Zähnen stochere du. In dem Becher sollst du zu tief nicht versinken, Obgleich du grosse Lust hast zu trinken, Dass Wasser nicht in deine Augen tritt -
Sonst gingst du mit der artigen Sitte nicht mit. Dass auch kein Bissen - dies hiermit kund sei - Wenn du sprichst oder trinkst in deinen Mund sei! Und siehst du einen Mann, der trinkt, Und deines Spottes Ziel sich dünkt, So halte sogleich mit der Rede ein, Ob er auch trinke Bier oder Wein. Dann hüte dich, zu verspotten einen, Von welchem Rang er auch mag erscheinen. Auch sollst du vor Verleumdung dich wahren, Willst du den eigenen Anstand bewahren. Solche Worte kommen dann heraus,
Die zu schlechtem Ende führen den Schmaus. Schliess in die Faust deine Hände gut, Und halte dich fern von bösem Blut. Im Saale unter den hohen Frauen Sollst du nicht reden, umher sollst du schauen. Lache auch nicht mit zu grossem Lärmen, Auch sollst du Keinen durch Schelten härmen. Nur mit deinesgleichen sollst du Scherz anbinden Und nicht Alles, was du hörest, der Welt verkünden. Offenbare auch nicht dein eignes Beginnen, Für allen Lohn, den du könntest gewinnen. Deinen Willen zu haben, spreche du freundlich, Sonst wärest du selbst deinem Zwecke feindlich.
Kommst du zusammen mit einem würdigern Mann, So habe Kappe und Kapuze nicht an. In der Kirche, in der Kapelle, an der Pforte auch, Ehr’ ihn nach Verhältniss, so will es der Brauch Willst du mit einem Würdigern gehn; Als du selbst zu sein dir musst gestehn, So gehe du hinter seinem Rücken drein - So wird es ohne Fehler sein! Und spricht er, so verschliesse bescheiden den Mund Und sprach er sich aus, dann mache dich kund. Und hast du’s so bis zur Rede gebracht, Sei, was du sagst, auch wohl bedacht. Doch ihn seiner Rede zu berauben Sollst du weder bei Wein noch Bier dir erlauben. Durch deine hohe Gnade, Christ! Gewähr uns Beides, Klugheit und Frist, Dieses Buch zu lesen und wohl zu kennen, Dass der Himmel zum Lohn euch sei zu gönnen. Amen! Amen! So rufen wir, In christlicher Liebe für und für.
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