Die Maurerprüfung, 1723
A Masons Examination: aus der Zeitschrift Flying Post or Post Master, No. 4712, . 4712, von Donnerstag d. 11. April bis Sonnabend d. 13. April 1723; abgedruckt bei Gould, History of Freemasonry, III S. 487 f.
dt. F. K. Schwalbach: Geschichte des älteren maurerischen Gebrauchtums. Berlin: Stankiewicz 1889, 9-15
Die Kapitel II, III und IV nachgedruckt in Heinrich Boos: Handbuch der Freimaurerei. 1894, 64-67
I. Brief an den Herausgeber der Flying Post.
Die alte Brüderschaft der freien und angenommenen Maurer ist zu allen Zeiten mit Recht für die einzige Gesellschaft angesehen worden, die jene zwei wesentlichen Grundpfeiler aller guten Genossenschaft, Verschwiegenheit und Eintracht, unverbrüchlich beobachtet und gehalten hat, indem es seit dem Anfang der Zeit nur einen einzigen Fall giebt, wo ein Freimaurer das große Arcanum der Gesellschaft verriet, nämlich Simson, der sich in der That als ein bloßer Judas erwies und demgemäß bestraft wurde. (Daher kommt der Spruch von einem, der alles, was er weiß, ausplaudert: „Er wird sich ein altes Haus auf den Kopf bringen.")
Dies ist für die übrigen Menschen ein Gegenstand vielen Nachdenkens gewesen und hat verschiedentliche Betrachtungen und Streitigkeiten veranlaßt.
Allseitig wird in der That zugestanden, daß die Maurerei, der wesentlichste Teil der Architektur, von besonderer Nutzbarkeit und Zierde ist; daß die Freimaurer keine spähenden, neugierigen Neuigkeitskrämer, sondern ehrliche, fleißige Personen sind, die nur den Wunsch haben, sich in ihrem eigenen Stande auszuzeichnen; daß die Mitglieder der Ehrwürdigen Gesellschaft keine Neuerer in religiösen Dingen, keine meineidigen Ränkemacher oder Verschwörer gegen die bestehende Regierung sind; daß sie in keiner Weise irgend eine andere Gesellschaft, so würdevoll und hervorragend sie sein mag, stören oder mit derselben im Widerspruch stehen.
Wegen aller dieser ausgezeichneten Eigenschaften würde jeder vernünftige Mensch willens sein, ihren Personen, ihren Logen, ihren Konstitutionen alle gebührende Achtung und Ehre zu zollen.
Aber der Fall ist einmal der, daß es Leute von seichten Fähigkeiten, Ausschwätzer von Geheimnissen giebt, die, weil sie ihre eigenen ursprünglichen Anlagen verloren oder gemißbraucht haben, diejenigen beneiden und hassen, welche die Gabe der Verschwiegenheit und Treue bewahren. Diese gemeinen Schurken haben jüngst tausend Kunstgriffe betrieben, um diese Ehrwürdige Gesellschaft in Verachtung und üble Nachrede zu bringen, und dabei werden sie von einigen albernen Weibern unterstützt, die (weil aus guten Gründen ihr Geschlecht durch die Konstitutionen für unfähig zur Mitgliedschaft erklärt wird) deshalb sich ärgern und Rache suchen. Dies sind die Personen, welche viele närrische und nichtige Zeichen, Körperbewegungen und Gebräuche ausposaunen und sie für die wirkliche Basis und den Grundplan der Freimaurerei ausgeben.
Das Beifolgende ist ein Beispiel ihrer Bosheit, von dem sie behaupten, daß es von einem jüngst verstorbenen Maurer-Mitgliede schriftlich hinterlassen sei; aber in Wahrheit ist es ein sinnloses Pasquill, welches in hohem Grade die Ehre der ganzen Körperschaft und jedes Ehrwürdigen Genossen schädigt, von denen viele täglich vor Königen stehen und mit Titeln, Würden und Ehren bekleidet sind.
Ich will es nicht übernehmen, den hohen Ruf der Brüderschaft zu verteidigen; ihre zahlreichen Logen haben zu ihrer Aufrechterhaltung keine Stützen und Strebepfeiler nötig, auch werden ihre Mitglieder sich durch keine Künste oder Kniffe bewegen lassen, wie Narren oder Kinder die Lehren und Anweisungen zu offenbaren, die ihnen von ihren Meistern und Aufsehern gegeben werden; sondern ich will beständig den beherzenswerten Spruch des weisen Königs Salomo, des ehemaligen Großmeisters der Freimaurerei und Architektur, im Auge behalten, der auf das oben erwähnte Schicksal Simsons hindeutete: „Ein schwatzender Narr wird fallen." Ich bin u. s. w.
II.
Wenn ein Freimaurer aufgenommen wird, so muß er, nach dem er allen gegenwärtigen Mitgliedern der Brüderschaft ein Paar Mannes- und Frauen-Handschuhe und eine lederne Schürze gegeben hat, die die Gesellschaft betreffenden Konstitutionen anhören, welche ihm von dem Meister der Loge vorgelesen werden. Dann führt ihn ein Aufseher zu dem Meister und den Genossen; zu jedem von diesen muß er sagen: Ich möchte gern ein Maurergeselle sein, Wie Eure Ehrwürden alle deutlich sehen können (1).
(1) Diese und die folgenden Knittelverse sind der deutlichste Beweis, daß wir es hier mit alten und ächten Sprüchen, die unzweifelhaft noch der Periode der Handwerksmaurerei angehören, zu thun haben
Darauf schwört er, keine Geheimnisse der Ehrwürdigen Brüderschaft zu verraten, bei Strafe, daß ihm die Gurgel abgeschnitten wird und er dereinst einen doppelten Anteil an Hölle und Verdammnis erhält. Dann werden ihm die Augen verbunden und die Ceremonie des Lichtgebens wird vollzogen. Darauf muß er tausend verschiedene Stellungen und Geberden ansehen, die er alle genau nachahmen oder sich der Strafe unterziehen muß, bis er es thut.
III.
Darauf wird das Wort „Maughbin" von dem jüngsten Maurer dem nächsten zugeflüstert, und so weiter, bis es zu dem Meister kommt, welcher es dem aufgenommenen Maurer zuflüstert, der sein Gesicht in gehöriger Lage haben muß, um es zu empfangen. Dann sagt der auf genommene Maurer folgendes:
Ein aufgenommener Maurer bin ich gewesen, Boas und Jachin habe ich gesehen; Zum höchst vortrefflichen Gesellen wurde ich vereidigt Und kenne den Bruchstein, den Spitzstein und das Quadrat; Ich kenne die Meister-Partie sehr wohl. Wie der ehrliche Maughbin euch sagen wird.
Dann sagt der Meister: Wenn Sie ein Meistermaurer sein möchten, Beobachten Sie wohl die Regel von drei (Regel de tri). Und was Ihnen in der Maurerei fehlt — Deine Marke und Maughbin macht Dich frei.
IV.
Wenn man in eine Loge eintreten möchte, muß man dreimal an die Thür klopfen und man wird angeredet werden:
Fr. Sind Sie ein Freimaurer? A. Ja, in der That, ich bin einer. Fr. Wie soll ich das erkennen? A. An Zeichen und Griffen — — von meiner Aufnahme in die Küche und von da in die Halle. Fr. Welches ist der erste Punkt Ihrer Aufnahme? A. Hehlen und verbergen, bei Strafe, daß mir die Gurgel abgeschnitten oder die Zunge ausgerissen wird.
Dann wird einer der Aufseher sagen: „Gottes Gruß sei bei diesem Zusammentreffen und mit dem Sehr Ehrwürdigen Meister und den Ehrwürdigen Gesellen, welche die Schlüssel der Loge, von wo Sie herkamen, bewahren; und Sie sind auch willkommen, Ehrwürdiger Bruder, in dieser Ehrwürdigen Gesellschaft."
Dann grüßt man wie folgt: Der Sehr Ehrwürdige Meister und die Ehrwürdigen Gesellen der Loge, von wo ich herkam, grüßen Sie vielmal.
Fr. Von welcher Loge sind Sie? A. Ich bin von der Loge St. Stephan. Fr. Was macht eine gerechte und vollkommene Loge? A. Ein Meister, zwei Aufseher, vier Gesellen, fünf Lehrlinge, mit Winkelmaß, Zirkel und Maßstab. Fr. Wo wurden Sie (zum Maurer) gemacht? A. In dem Thale Josaphat, hinter einem Binsengebüsch, wo man nie einen Hund bellen oder einen Hahn krähen hörte, oder sonst wo. Fr. Wo wurde die erste Loge gehalten? A. In der Halle Salomonis; die beiden Säulen hießen Jachin und Boas. Fr. Wieviele Ordnungen giebt es in der Architektur? A. Fünf: toskanisch, dorisch, ionisch, korinthisch und zusammengesetzt oder römisch. Fr. Wieviele Punkte giebt es in der Gesellschaft? A. Sechs: Fuß zu Fuß, Knie zu Knie, Hand zu Hand, Ohr zu Ohr, Zunge zu Zunge, Herz zu Herz. Fr. Wie nehmen die Maurer Platz bei der Arbeit? A. Der Meister in Südost, die Aufseher in Nordost und die Gesellen im östlichen Gange. Fr. Wie viele kostbare Kleinodien giebt es in der Loge? A. Vier: Quadrat, Bruchstein, Spitzstein und Winkelmaß. Fr. Wieviele Lichter giebt es in der Loge? A. Drei: Der Meister, Aufseher (Singularis) und Gesellen. Fr. Woher kommt das Modell eines Bogens? A. Von dem Regenbogen. Fr. Giebt es einen Schlüssel zu Ihrer Loge? A. Ja. Fr. Was ist es für einer? A. Eine gut hängende Zunge. Fr. Wo wird er bewahrt? A. In einer elfenbeinernen Büchse zwischen meinen Zähnen, oder unter dem Lappen meiner Leber, wo die Geheimnisse meines Herzens bewahrt werden. Fr. Giebt es eine Kette dazu? A. Ja. Fr. Wie lang ist sie? A. So lang, wie von der Zunge bis zum Herzen. Fr. Wo liegt der Schlüssel einer arbeitenden Loge? A. Er liegt zur rechten Hand von der Thür, zwei und einen halben Fuß unter einem grünen Rasen und einen (Fuß) im Quadrat. Fr. Wo setzt der Meister seine Marke auf die Arbeit? A. Auf die südöstliche Ecke.
V.
Um einen aufgenommenen Lehrling zu erkennen, muß man ihn fragen, ob er in der Küche gewesen ist, und er wird antworten: Ja.
Um einen aufgenommenen Gesellen zu erkennen, muß man fragen, ob er in der Halle gewesen ist, und er wird sagen: Ja.
Um einen Maurer im Dunkeln zu erkennen, muß man sagen: Es giebt keine Dunkelheit ohne Abwesenheit von Licht; und er wird antworten: Es giebt kein Licht ohne Abwesenheit von Dunkelheit.
Um einen Bruder Maurer zu begrüßen, legt man die rechte Hand an die rechte Seite des Hutes und bringt den Hut unter das Kinn; dann wird der Bruder seine rechte Hand an die rechte Seite seines Hutes legen und ihn an die linke Seite unter das Herz bringen.
Um einem Bruder entgegenzugehen, muß man den ersten Schritt mit dem rechten Fuß, den zweiten mit dem linken machen, und beim dritten muß man mit dem rechten Hacken an des Bruders rechtes Spann treten. Dann legt man die rechte Hand an des anderen linkes Handgelenk und zieht die andere Hand vom rechten Ohr zum linken unter das Kinn; und dann wird er seine rechte Hand an seine linke Seite unter das Herz legen.
Den Griff geben ist, wenn man einen Bruder bei der rechten Hand faßt und den Mittelfinger an sein Handgelenk legt, und er wird es ebenso mit einem machen.
Einen Maurer privatim zu erkennen, stellt man den rechten Hacken an dessen rechtes Spann, legt den rechten Arm über des Anderen linken und den linken unter des Anderen rechten und macht dann ein Winkelmaß mit dem Mittelfinger von des Anderen linker Schulter bis zur Mitte seines Rückens und dann herunter bis zu dessen Hosen.
Wenn ein Maurer vom Pferde steigt, legt er den Steigbügel über den Hals des Pferdes.
Um einen Maurer aus einer Gesellschaft zu rufen, muß man dreimal husten oder dreimal an irgend etwas anklopfen.
Ein Maurer, um seine Not kundzuthun, wirft ein Stück Schiefer nieder und sagt: Können Sie mir diese Münze wechseln?
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