Historische Vertheidigung der Frey-Maurer-Gesellschafft, frz. 1738; dt. 1738
Anhang zum Constitutionen-Buch der Frey-Maurer, Worin Eine Sammlung verschiedener zum Vortheil dieser Ehrwürdigen Gesellschafft Ans Licht gekommenen merckwürdigen Schutz-Schrifften, Reden Und anderer Vertheidigungen, enthalten. Franckfurt am Mayn, In der Andreäischen-Buchhandlung 1743 identische Auflage 1762 Seiten 73-126
Der Text – ohne die ersten vier Zeilen, dafür mit längerer Einleitung – auch bereits in: Gründliche Nachricht von den Frey-Maurern. Frankfurt am Main: Andreae 1738; 2. Aufl. 1740, im IX: Capitel: „Von dem Schicksal der Frey-Maurer in Franckreich“, 83-134.
Eine längere deutsche Übersetzung vor allem der Eingangspartien findet sich – unter Ramsay - in: C. Lenning: Allgemeines Handbuch der Freimaurerei. Dritter Band. Leipzig: F. A. Brockhaus 1867, 8-12.
Die Zuschreibung an Ramsay ist nach Alain Bernheim „pure nonsense“
Auszüge auch – vermischt mit Ramsays Rede - in: Der neu-aufgesteckte Brennende Leuchter des Freymäurer-Ordens, 1746, 176-193; weitere Auszüge 122-133.
Einen längeren Auszug in seiner eigenen Übersetzung bietet: August Horneffer: Freimaurerisches Lesebuch, 1920. I, 12-18, 4. Aufl. 1951, 14-20, unter dem Titel: Die antiken Genossenschaften und die Frmrei“. Es handelt sich um die drei Abschnitte: Der Mensch sucht und braucht die Gemeinschaft Gesellschaften im Altertum Die Freimaurerei: „eine Versammlung weiser und verständiger Leute“
[Zwischentitel zur leichteren Lesbarkeit von R. M. eingefügt.]
De Gelegenheit zu gegenwärtiger Vertheidigung hat eine im Jahr 1737. in Paris zum Vorschein gekommene Nachricht von den Gebräuchen, so dem Vorgeben nach bey Aufnehmung eines neuen Frey-Maurers beobachtet werden sollen, gegeben, daher selbige zu besserm Verstande der Schutz- Schrifft selbst allhier mitgetheilet wird:
René Hérault; Réception d’un Frey-Maçon. Paris 1737 siehe auch: Frühe Berichte über die Freimaurerei
Der neue Frey-Maurer muß anfänglich der Loge von einem der Mit-Glieder, als ein tüchtiges Subjectum, vorgeschlagen werden, worauf er die Freyheit bekommt, sich der Zunfft zu präsentiren. Derjenige, so ihn darstellet, und hernach bey ihm die Pathen-Stelle vertritt, führet ihn in eine Cammer der Loge, wo kein Tages-Licht vorhanden ist, und man thut an ihn die Frage: Ober den Beruff habe, aufgenommen zu werden? Wenn er hierauf mit Ja geantwortet, so fraget man ihn um seinen Namen, Zunamen und Lebens-Art. usw.
Geheimnis und Öffentlichkeit
Die Gesellschafft der Frev-Maurer hat einige Zeit her so grosses Aufsehen in Europa gemacht, und gewisse Leute reden oder schreiben davon auf so unterschiedene Art, daß man sich fast einbilden solte, es sey dieselbe, als etwas neues, nur erst in der Welt aufgekommen, oder es müsse solche, wenn sie ja alt sey, abscheuliche Grund-Reguln haben, weil man daraus ein so grosses Geheimniß mache.
Wie gehet es doch zu, spricht man, daß von so vielen Unterthanen verschiedener Völcker, welche Mitglieder derselben sind, niemahls ein eintziger dieses Geheimniß der Ungerechtigkeit entdecket hat? Wie kommt es, daß kein Liebhaber gefunden worden, der solches seiner Geliebten offenbaret, und kein Trunckener, welchen der Wein veranlasset, das Geheimniß auszuschütten? Es muß also, schliesset man hieraus, diese Gesellschafft sehr verdächtig, und ihre Gebräuche höchst-gefährlich seyn.
Ich gestehe, daß dieser Vernunfft-Schluß einigen Schein habe, und fähig sey, den Beyfall derjenigen zu bekommen, welche entweder von dieser aus grossen, mittelmäßigen und geringen Personen bestehenden Gesellschafft gar kernen Begriff haben, oder doch bey der davon erlangten Nachricht gewisse Umstände, so ihnen einen bessern Begriff von derselben beybringen müssen, nicht in Erwegung ziehen.
Kan ich diesen Beweis nicht umkehren und sagen, daß die Fürsten, die Pairs und der Adel eines Königreichs, die Richter, die Advocaten, die Aertzte, die Kauffleute und Künstler einer Stadt, sich es für eine Ehre schätzen, Mitglieder von dieser Gesellschafft zu seyn; daß ihre Zusammenkünffte an solchen Orten, welche jedermann bekannt sind, gehalten werden, und daher nicht verdächtig seyn können; daß endlich dieselben sich durch solenne Proceßionen öffentlich und in corpore zeigen, um vor dem Königlichen Thron, ihrem Regenten, die Huldigunq zu leisten; und daß also ihre Grund-Sätze und Sitten gar nichts anstößiges in sich fassen mögen, weil sie ohne Scheu und Furcht zum Vorschein kommen dürften. Ich frage anjetzo, welcher von diesen beyden Schlüssen sich am besten hören lasse? Man kan zwar von keinem derselben behaupten, daß er vollkommen überzeugend sey, doch scheinen mir die Vermuthungen bey dem letztern weit mercklicher und ungezwungener herauszukommen.
Warum wolte man demnach bey so schlechten Bewegungs-Gründen einen Ausspruch thun? Man siehet ja, daß dieselben sehr baufällig sind, und von selbsten wegfallen. Es hat nur ein eintziger Leichtgläubiger diesem Vorgeben Glauben beymessen dürften, so haben gleich andere davon Bericht empfangen. Auf diese Art geschieht es, daß der abgeschmackteste Irrthum von Mund zu Mund fortgepflanzt wird, und in der Welt, ja offtmahls gar bey ehrliebenden und verständigen Leuten, einigen Beyfall findet. Die tägliche Erfahrung bestärcket diese Wahrheit, und man kan darwider nichts einwenden.
Was diejenige Nachricht anbetrifft, welche man ohne genügsame Versicherung ans Licht gestellet bat, so äussert sich bey selbiger der Ungrund so deutlich, daß man derselben nicht beypflichten kan, ohne zugleich die gesunde Vernunfft zu verläugnen. Solte denn die Entdeckung des Geheimnisses der Frey-Maurer, oder nur eines Theils derselben unsern Zeiten vorbehalten geblieben seyn, und solten die vorigen Zeilen gar keine Wissenschafft davon erlanget haben? Hat denn keiner von so vielen Grossen und Königen, in deren Landen sie sich von so langen Zeiten her niedergelassen, jemahls den geringsten Verdacht geschöpffet, daß bev ihrer Gesellschafft einiges Geheimniß der Bosheit anzutreffen sey? Es ist ja bekannt, daß unter diesen Grossen sich einige befunden, welche, wegen gefaßten Argwohns, mit eigenen Augen und Ohren Bericht einziehen wollen, und sich zu dem Ende mit den gewöhnlichen Ceremonien in dieselbe aufnehmen lassen. Es haben ja Könige ihre Printzen, Königinnen ihre vornehmsten Vertrauten, in diese Gesellschafft einschreiben, und da sie nichts, als alles Tugendhaffte und Ersprießliche, in Erfahrung gebracht, ihnen Gerechtigkeit wiederfahren lassen, ihrem gantzen Collegio den Zutritt zu ihrem Thron verstattet, und sie ihrer Hochachtung und Schutzes würdig geschätzet.
Wenn diese Betrachtungen nicht fähig sind, die Unruhe einiger zärtlichen Gemüther aus dem Grunde zu heben, so mögen sie sich der Gesellschafften, so vor mehr als 1800 Jahren in Griechenland und Italien gestifftet worden, erinnern. Sie dürffen nur die berühmtesten Griechischen und Römischen Scribenten wegen dieser Materie zu Rathe ziehen; und ich bin versichert, daß sie bey der Gesellschafft der Frey-Maurer einen ungemeinen Vorzug vor denen, welche allda beschrieben sind, (1) wahrnehmen werden.
(1) Homerus Iliad. I. v. 604 Virgilius Eclog. III. v. 59. Pacutius in Ciceronem Lib. I. de nomin. divin. Cap. 57
Die Freimaurerei wird heruntergemacht
Von der Englischen Nation, bey welcher dieselbe, nach dem Beyspiel der Griechen und Römer, ihren Ursprung genommen, ist sie zu verschiedenen andern gebracht worden. Rom, Venedig, Cadix, Lissabon, Amsterdam, Paris, und andere grosse Städte in Europa, sind die schönste Schauplätze, deren sie ausserhalb ihrer geliebten Insul sich rühmen kan. Was für Mittel auch die Unwissenheit und das Vorurtheil gebraucht, selbige zu verbannen, so scheinet sie doch alle Tage neuen Wachsthum zu erlangen. Je grössere Mühe man angewandt, sie übern Hauffen zu werffen, je mehr hat sie sich verstärcket. Die schwartzen Farben, deren man sich zu denen von dieser Gesellschafft gemachten unähnlichen Gemählden bedienet, häben nur ihren Glantz erhöhen müssen. Sie funckelt beständig mitten in der Finsterniß, worein man sie verhüllet, und gleichet dem Sonnen-Licht, welches aus den dicken und finstern Wolcken, so von den schwartzen Dünsten aus morastigen Sümpffen aufsteigen, immer gläntzender und schöner hervortritt. Die Natur bestätiget sie, die Vernunfft unterstützet sie, die Tugend und Gesetze finden allda ihre Anhänger und weise Beschützer.
Vergebens bemühen sich die Schlangen-Zungen, so ihre Galle auf alles, was rein und angenehm ist, ausschütten, die Gebräuche und Grund-Reguln dieser so nützlichen als beliebten Gesellschafft zu vergifften. Sie mögen immerhin die Lügen unter der Larve der Wahrheit vorstellen, und sich Hoffnung machen, die Fabeln und Gebäude einer verderbten Einbildungs-Krafft, welche ohne wahrscheinliche Vermuhung herumirret und sich aufs. Rathen leget, festzusetzen; es ist alles vergebens, und die Frey-Maurer, welche mit der Minerva durch eine Wolcke umgeben werden, haben von ihren Stichen nichts zu befürchten, und sind sogar von ihrem Anblick entfernet. Die Flügel des wanckelbaren Ruffs sind nicht starck genug, ihre Tugenden in die Himmels-Gegenden, welche solcher gantz flüchtig durchstreichet, zu übertragen. Die Vernunfft bringet sie zusammen; die Wahrheit, das ewige Denckmaal der Vernunfft, giebt ihnen den Einfluß, und von dem natürlichen Trieb zur Glückseligkeit werden sie belebet. Sie streiten wider das vermeynte Schicksal, um sich dessen Tyrannen zu entziehen, und endlich crönet sie der Sieg mit Palm-Zweigen und Lorbeer-Reisern, welche sie selbst zubereiten, obgleich eine unzehliche Menge stinckender Thiere, so aus allen Erd-Löchern hervorkommen, durch ihren vergiffteten Hauch dieselben welck zu machen, und mit ihren scharffen und spitzigen Zähnen zu zerschneiden suchet.
Das heisset wohl recht, eine unverschämte Vermessenheit so weit treiben, daß man eine grosse Anzahl solcher Männer, welche wegen ihrer Ehren-Aemter, ihres Standes, ihrer Wissenschafft, und noch mehr wegen ihrer Tugenden, Hochachtung verdienen, nicht verschonet. Auf diese Art misbrauchet man die Leichtgläubigkeit schwacher Gemüther, bey welchen man keine grosse Mühe vonnöthen hat, ihnen das Erstaunliche, Wunderbare, und vornemlich das Arglistige, glaubhafft zu machen. .Man nimmt, solches mit einem, .zärtlichen Vergnügen an, und. betrachtet es, als einen Schatten, welche fähig, etwas dem Schein nach Gutes zu erhöhen, gleich als wenn die schlimmen Eigenschafften, so bey einigen befindlich, die guten Eigenschafften anderer bestätigen könten.
Haltet ein, ihr unbescheidene und falsche Mäuler, die ihr auf leichtsinnige art die abgeschmackten Dinge, so man euch mit noch grösserer Leichtsinnigkeit vorsaget, wiederholet. Und ihr in den schwarzen Acheron eingetunckte Federn, die ihr den Verfassern der öffentlichen Zeitungen solche aus einem alten cabbalistischen Zauber-Buch abgeschriebene Nachrichten darreichet, und eine Gesellschafft anzuschwärtzen suchet, deren Lobsprüche in Ertz gegraben und auf die Nachwelt fortgepflantzet zu werden verdienen! Ihr betrügliche Federn, die ihr eine vielleicht ungegründete Erzehlung von den Ausschweiffungen der Tempel-Herren, oder einer wegen ihrer Frevelthaten berüchtigten Diebes-Rotte, ausschreibet, und solche als glaubwürdige Nachrichten darstellet! Stumpffet eure betrügerische Schnabeln, und suchet euch durch bessere Dinge verdient zu machen. Mässiget euch in den ungereimten Muthmassungen, womit ihr müssige Leute unterhaltet, welchen ihr die Meynung beygebracht, als ob sie euch für getreue Wiederschalle der Fürstilchen Cabinetter anzusehen hätte.
Was für Marter thun sie nicht einer schwülstigen Einbildungs-Krafft an um ein Blat mit leerem Gewäsche zu füllen, welches doch verständige Leute nur für ein Spiel der Winde achten! Man darff sich nur der so bewährten Nachricht von den Vampyren in Hungarn erinnern, so wird man gar bal sehen, was man sich von der Thorheit der Menschen zu versprechen habe.
Wie glücklich würde das Publicum seyn, wenn man dasselbe mit wichtigern und gründlichern Dingen zu unterhalten wüste, welche vermögend, den Verstand von den Wundern der Natur, die Gott den menschlichen Untersuchungen überlassen hat, (2) zu unterrichten, und das Hertz zu solchen Tugenden, welche der Unsterblichkeit würdig, anzuflammen!
(2) Er lässet ihr Hertz sich ängstigen, wie es gehen soll in der Welt. Pred. Sal. 3, 11.
Es würde ihnen dieses trefflich von statten gehen, wenn sie den Schlüssel zu den Archiven der Frey-Maurer hätten; allein sie werden diesen niemahls erlangen, wenn sie das Wunderbare suchen. Die Natur setzet allen ihren Geheimnissen die Schrancken. Indem sie sich bey ihren anmuthigen Lustbarkeiten davon nicht entfernen, so vermeiden sie die gähen Abwege, welche die Gräntzen derselben umgeben. Sie kennen den Umfang ihrer Sphäre, und gehen nicht höher, als die Flügel der Vernunfft sie erheben können. An statt, daß sie, nach dem Exempel des ungeschickten Icarus, ein Meer durch ihre Vermessenheit berühmt machen solten, folgen sie vielmehr dem weisen und klugen Vater dieses Unglückseligen in einer gemässigten Luft-Gegend. Es ist ihnen nicht unbewust, daß die vorwitzigen Erforscher der himmlischem Majestät durch ihren Glantz verblendet, und durch das Feuer, wovon dieselbe der Mittel-Punct ist, (3) aufgerieben werden.
(3) Wer schwere Dinge forschet, dem wirds zu schwer. Sprüchw. Salom. 25, 27.
Doch sie haben nichts zu befürchten; ihre Füsse werden immerzu staubicht und kothig bleiben. Das heilige Feuer befindet sich im Himmel in Sicherheit, und sie werden niemahls einen Versuch thun, dasselbe zu rauben. Weil diese niederträchtige Promethei dahin nicht gelangen können, so dürfften sie keine Sorge tragen, daß ihnen auf dem Berge Caucasus ein verdrießlicher Aufenthalt angewiesen werde. Der unersättliche Geyer, welcher daselbst seine Wohnung hat, wird sich niemahls ihres Hertzens zum Frühstück bedienen.
Dieses ist schon genug, solche vermessene und unverständige Erfinder der Hirngespinste zu beschämen, welche, von der berühmter und gelehrten Gesellschafft der Frey-Maurer niemahls einen rechten Begriff gehabt, und gleichwohl von derselben kindische Fabeln und unähnliche Abbildungen, welche kein Mensch von gesundem Verstände jemahls annehmen wird, zu Marckte bringen.
Ich will demnach solchen Personen zu Gefallen, welche mit Verstände, und Beurtheilungs-Krafft begäbet sind, einen richtigen Abriß von dieser Gesellschafft mittheilen. Und damit ich denselben vollkommen machen möge, ist, meines Erachtens, vonnöthen, vor der Ableitung ihres Namens, von ihrer Stifftung, von ihrem Zweck und Nutzen, von ihren Gesetzen und Gebräuchen, und von den Ceremonien, welche sie bey Aufnehmung der Candidaten, und bey ihren täglichen Zusammenkünftfen beobachten, einigen Unterricht zu geben.
Ich zweifele nicht, dass diese Beschreibung, welche ich mit der grösten Aufrichtigkeit zu machen das Vermögen und den Willen habe, hinlänglich seyn werde, die Hirngespinste, womit man die Gemüther bezaubern will, zu vernichten, und die finstern Wolcken, womit man diese weise und liebenswürdige Gesellschafft zu verdunckeln suchet, aus einander zu treiben. Ich weiss gar wohl, dass diejenigen, welche dergleichen Fabeln auf ihre Rechnung ausbreiten, selbst davon das geringste nicht glauben. Mein Absehen ist demnach keinesweges, diese aus ihrem Irrthum zu ziehen. Sie sind so einfältig nicht, dass sie solche Götzen-Bilder, welche sie mit eigener Hand aus unreiner und garstiger Materie bereitet, verehren sollen. Ich schreite zur Sache.
Der Mensch sucht und braucht die Gemeinschaft
So tumm und schwermüthig ein Mensch immer seyn mag, so empfindet er dennoch bey seinem leutscheuen Wesen, dass er zur Gesellschafft gebohren sey. Sein unersättliches Verlangen, seinen unwissenden Verstand zu unterrichten, und seine Lern-Begierde zu stillen, muss hier zu einem unwidersprechlichen Beweise dienen. Ein jeder Schritt, welchen er thut, hat diese Begierde zum Grunde.
Hiernächst muss man einräumen, dass nicht zum Unterricht diensamer sey, als der menschliche Umgang. Die Bücher tragen zwar ein grosses bey, den Verstand aufzuräumen; weil sie aber nur vermittelst der Augen in die Seele eindringen, so machen sie bey derselben lange nicht den Eindruck, als die beseelte Reden, welche mit der Lufft zu den Ohren gelangen, und nicht allein weit leichter sich dem Verstande mittheilen, sondern auch viel besser darin bewahret werden. Man mag immerhin mit lauter Stimme lesen, und sich also selbst hören; so redet man dennoch nur den Augen, und der Leser mercket bloss durch diese Werckzeuge, was er lieset. Die Ohren werden durch unsere eigene Aussprache nicht gerührert, da hingegen der Laut eines fremden Mundes sich denselben vollkommen einpräget.
Gleichwie wir uns nicht selbst hervorgebracht haben, also können wir uns auch nicht selbst unterrichten. Andere müssen uns lehren, wenn wir lernen wollen. Es mögen uns nun die Verstorbenen durch ihre Bücher, oder die Lebenden durch mündlichen Vortrag unterweisen, so haben wir doch fremde Hülffe vonnöthen.
Wer sollte sich einbilden, dass diese der Grund zu der Benennung der Frey-Maurer sey? Und gleichwohl ist gewiss, dass dieser Name keinen ältern noch wahrscheinlicheren Ursprung haben könne. Hier folget der Beweis, wobey man aber nicht erwarten darff, dass ich einen Nachdruck in den Worten suchen werde, um einem Namen, welcher sehr niedrig und gemein heraus kömmt, eine prächtige Etymologie beyzulegen. Ich überlasse dergleichen hochtrabenden Mischmasch den sinnreichen Verfassern der Geschlechts-Register, welche aus einem Nicht oder aus den Koth einen Edelmann vom ersten Rang schaffen und hervorbringen. Diese abgöttische Verehrer ihrer verguldeten Creatur legen derselben die Titul einer langen Reyhe von Ahnen bey, von welchen doch niemahls der kleineste Bluts-Tropffen in die Adern derselben gekommen.
Ich mache folgenden Schluß: Die Gesellschafft würde nimmermehr unter den Menschen zum Stande gediehen seyn, wenn man keine Häuser, Dörffer und Städte erbauet hätte, wo sie beysammen zu wohnen Gelegenheit gefunden. Dieses war das rechte Mittel, wodurch sie dienstfertig, wohlgesittet, vertraulich und mit einem Wort gesellig wurden. Es haben also die Maurer selbst die erste Gesellschafft gestifftet, und dabey die Absicht gehabt, mit einander an Errichtung der Gesellschafft anderer Menschen zu arbeiten. Sie treiben eine Kunst, welche für die älteste, vernünfftigste und nützlichste zu achten. Sie haben es darin so weit gebracht, daß sie gar daran gearbeitet, die Menschen bis in den Himmel zu erheben. Die Heil. Schrifft bezeuget solches, wenn sie von dem Babylonischen Tempel-Bau Meldung thut. Es ist dieses eine Kunst, welche man schwerlich ohne Gehülften ausüben kan; die unterschiedenen Materialien, so zum Bauen vonnöthen sind, könten nicht auf bequeme Art gebrauchet werden, wenn ein eintziger Mensch solche zubereiten müste. Das Handwerck würde unerträgliche Arbeit und Mühe erfordern, wenn der Werckmeister sich genöthiget befände, alle Augenblick hinauf- und herunter, und wieder hinauf zu seinem Gerüste zu steigen, um sich mit allen Nothwendigkeiten zu versehen.
Man hat zu dem Wort Maurer das Beywort Frey gesetzet, damit man die Gesellschafft, welche diesen Namen führet, von der Innung der schlechten Maurer unterscheiden möge. Diese treiben ein geringes, verächtliches und bloß mechanisches Handwerck, und stehen weit unter den Frey-Maurern, welche lauter edele, wohlanständige Beschäfftigungen, und keinen andern Vorwurff noch Zweck haben, als das Gemüth zu ergetzen und aufzuräumen.
Kurtz, damit ich diese Wort-Beschreibung durch eine Vergleichung mit den Maurern vollständig mache, so wird genug seyn, wenn ich sage, daß, wie die Handwercks-Innung der Maurer für die Bequemlichkeit und den Nutzen des menschlichen Cörpers ihren Fleiß anwendet, also hingegen die Gesellschafft der Frey-Maurer lediglich zu dem Ende erachtet sey, um die Vortheile des Gemüths zu befördern. Hieraus erhellet kürtzlich der Unterscheid und die Verhältniß oder Übereinstimmung dieser beyden Gesellschafften und ihrer Verrichtungen, wie auch die Herleitung ihrer Namen. Der Leser wird hiervon aus demjenigen, was ich an seinem Ort zu erinnern habe, noch besser urtheilen können.
Gesellschaften im Altertum
Die Gesellschafft, von welcher ich anjetzo zu reden fortfahre, ist nach dem Modell derjenigen eingerichtet, welche zu Rom, Athen, Lacedämon und in verschiedenen andern Städten, wo die Künste und Wissenschafften in Flor gestanden, gestifftet worden. Doch hat man hierunter keine derjenigen Gesellschafften zum Grunde geleget, welche das heydnische Rom wegen Religions- und Staats-Ursachen aus seinem Schooß hervorbrechen gesehen, indem die Verrichtungen derselben darin bestunden, dass sie die Götter anruffen, und für die Erhaltung der Land-Güter, der Kayser, wie auch des Römischen Raths und Volcks, Gelübde und Opffer brachten. Dergleichen waren die Gesellschafften der Fratrum Arvalium, der Sociorum Titianorum, Augustalium, Flavianorum, Antoninianorum, und a. m Von diesen haben die Frey-Maurer keineswegs ihren Ursprung, und wenn der Leser sich solches einbilden wollte, so würde er sich von dieser berühmten Gesellschafft einen falschen Begriff machen.
Noch weniger gedencke ich, von gewissen bey den Griechen und Römern errichteten Gesellschafften zu reden, welche nur dahin abzielten, das Gemüth mitten unter köstlichen Gastereyen, da man den Bauch mit Wein und niedlichen Speisen füllte, zu ergetzen. Dieses waren eigentlich nichts anders, als Bacchus-Feste, welche bey den Atheniensern Symposia, bey den Lacedämoniern Syssitia, bey den andern Griechen Concoenationes und Compotationes, bey den Römern aber Conviviationes hiessen. Weil alle diese Gesellschafften, welche bloss den Zweck hatten, die Sitten durch Einschläferung der Leidenschafften zu verderben, der gemeinen Wohlfahrt und dem Ruhestand der Länder nachtheilig waren; so wurden sie durch die Gesetze gar weislich abgeschaffet.
Dieser Schimpf ist denjenigen, welche der Frey-Maurer-Gesellschafft ihren Ursprung geben, niemals begegnet. Bey denselben wurden die Götter und Menschen in Ehren gehalten. Die Nahrung des Leibes war daselbst nicht so überflüssig und köstlich, als des Gemüths, und man fand allda mehr Vergnügen an einer schönen Gedancke, an einer Entdeckung in der Natur, und an dem Beweise dieser und jener natürlichen Würckung, als an dem besten Wein und wohl zugerichteten Speisen. Die Lust war so gemäßiqet, daß die Schrancken der Vernunfft, der Höflichkeit und Bescheidenheit niemahls überschritten wurden.
Diese Gesellschafften wurden von den Göttern beschützet, und von den Menschen für genehm gehalten. Man zeigte sich allda mit solchen Eigenschaffen des Verstandes und des Hertzens, welche der Gesellschafft, in welche man treten wolte, anständig waren; und Jupiter wurde deswegen ihr Vertrauter genennet, weil er selbst der billige Richter ihrer Grund-Reguln und ihrer Gesetze war. Man darff nur den Plutarchus lesen, so wird man erkennen, daß sie weit reiner und edeler gewesen, als die von Hermogenes sogenannte Sscratische Gast-Gebote, von welchen Plato und Xenophon, des Socrates vortreffliche Leyh-Schüler, uns eine Probe mitgetheilet.
Hieher gehöret die glückseelige Gesellschafft, worin Cato die angenehmsten Augenblicke seines Lebens zugebracht. Hier sind seine eigene Worte, welche wir dem Cicero zu dancken haben: Die Gesellschafften, spricht dieser weise Censor, wurden zu der Zeit, da ich bey der Republic Schatzmeister war, durch solche Personen gestifftet, welche von der Natur geleitet, und von der Vernunfft unterstützet wurden. Ich aß daselbst mir den Brüdern; weil aber die Jugend-Hitze von Tage zu Tage abnahm, so war mir weniger mit den Speisen, als mit den Reden meiner Freunde, gedienet. Unsere Vorfahren haben diese Versammlungen Convivationes genennet, und zwar mit besserem Grunde, als die Griechen, welche selbigen die Namen Compotationes und Concoenationes beylegten, gleich als wenn sie nur das geringste bey diesen Gesellschafften hätten bemercken wollen. (4)
(4) CIC. Lib de senectute Cap. 13.
Die von unsern Vorfahren angeordneten Gesellschafften, spricht er an einem andern Ort, haben wir jederzeit gefallen. Die Reden, welche der Vorsteher allda nach dem Gebrauch der Alten führet, die frisch-geschwenckten kleinen Gläser, so man daselbst, wie bey den Gastereyen des Xenophanes antrifft, die kühle Lufft im Winter, alles dieses pfleget mich zu ergetzen und zu vergnügen. Ich finde deses bey den Sabinern, welche ich ordentlicher Weise besuche, und in der Versammlung meiner Nachbaren, allwo ich mich täglich einstelle. Wir sind gewohnt, allda so offt und so lang, als es immer möglich ist, mit einander umzugehen. (5)
(5) ID Cap. 14.
Die Freimaurerei: „eine Versammlung weiser und verständiger Leute“
Hieraus erhellet, daß die von den Römern selbst in ihrer Insul gestifftete Gesellschafft der Frey-Maurer eine Versammlung weiser und verständiger Leute sey, die auf solche Art leben, daß sie den Tod nicht fürchten, und das Leben nicht verachten, auch aus den Künsten und Wissenschafften, welche man allda genau untersuchet, weit mehr als aus allen köstlichen Speisen machen. Ihre Welt-Weisheit ist nicht weitläufftig, nicht dunckel, noch verfänglich. Die Grund-Sätze derselben lassen sich in dem ersten Augenblick der Zusammenkunfft begreiffen, und man vergisset sie niemahls, weil alles, was man allda redet und vornimmt, sich auf seinen Zweck beziehet. Hier findet man denselben in wenig Zeilen.
[von hier bis zum Schluss in Auszügen auch in: Freymäurer-Bibliothek. Erstes Stück. Zweyte Auflage. 1782, 51-56.]
Alle Dinge in der Welt machen nur ein eintziges aus, und dieses eintzige befindet sich gantz in allen Dingen. Dasjenige, was wir alles in allen heissen, ist Gott, ein ewiges, unermeßliches und höchst-weises Wesen. In diesem Allem leben, weben und sind wir. Durch dieses Alle ist jedes Ding hervorgebracht, und in dasselbe müssen alle Dinge wieder zurücke kehren. Es ist endlich der Grund und der Zweck aller Dinge. Auf diesem festen Grund-Satz werden alle ihre Schlüsse und Urtheile gebauet.
Indem die Mit-Brüder alles schulfüchsische und störrische Wesen verbannen, dagegen aber ein munteres und aufgeklärtes Gesicht zeigen; so untersuchen sie mit Anmuth und Bescheidenheit, ohne Einbildung und Vorurtheil, die Grund-Ursachen der Dinge, wovon sie die Begriffe des Verstandes durch richtige und überzeugende Erfahrungen zu bestärcken, und das Gemüth in seiner Lebhafftigkeit zu erhalten suchen, ohne daß sie befürchten dürffen, von der Wollust übertäubet, von der Hoheit gar zu sehr erhoben, durch den Verdruß empfindlich gerühret, und durch die Traurigkeit niedergeschlagen zu werden.
Sie sind alle gleich, und nennen sich Brüder, Cameraden und Freunde. Die Zänckerey, Eigensinn, Neid und bittere Eifersucht kommen nicht in ihre Versammlung. Man spüret allda nichts, als Wissenschafft, Gelehrigkeit, höfliches und aufrichtiges Wesen, welches ich die wahre christliche Liebe nennen will, wovon sie heroische Proben geben. Ich werde hiervon anderswo zu reden Gelegenheit finden. Alles, was man daselbst vorstellet und saget, wird nach dem Gewicht des Heiligthums abgewogen, und mit der äussersten Strenge untersuchet. Weil sie von Vorurtheilen auf das Ehransehen der Lebenden und Todten befreyet sind, so schwören sie nicht, wo mir also zu reden erlaubet ist, auf die Worte einiger Meister. Die Wahrheit ist ihr Zweck, und die Vernunfft der Wegweiser, welchem sie bey begieriger Erforschung derselben folgen.
„Vortreffliche Leute – ernstliche Bemühung“
Wer wird wohl an diesen Eigenschafften die Frey-Maurer, wie man sie jüngsthin vorgestellet, erkennen? So viel ist gewiß, daß man die zu London an ihrem Gepräge sehr wohl unterscheiden kan. Sind diese vortreffliche Leute, welche durch eine ernstliche Bemühung nur mit gründlichen und dem menschlichen Gemüth anständigen Sachen umgehen, wohl mit jenen abentheuerlichen Cabalisten und abergläubischen Beobachtern der Figuren und Zahlen, ja mit jenen verächtlichen Creaturen, in eine Rolle zu bringen, welche aus Irrthümern zusammen gesetzet, und sich dem Zauber Buch der Schwartzkünstlern, dem Jüdischen Talmud und den Figuren und Ausrechnungen der vernunfftlosen Sterndeuter gäntzlich ergeben? Man urtheile nunmehr von dem schlechten Verstände der Mahler, welche uns so elende Abbildungen der Frey-Maurer darstellen; man urtheile aber auch zugleich aus der Vortrefflichkeit ihrer Stifftung, was für Vortheile man daraus ziehen könne.
Ich suche hier eben nicht zu erweisen, daß das Vergnügen des Gemüths eben so weit über die sinnliche Wollust, als die Seele über den Leib, erhaben sey. Es ist dieses einem jeden bekannt, und so sinnlich und wollüstig die Menschen immer seyn mögen, so mercken sie doch gar wohl, daß sie zu reinern und nicht so groben Ergetzlichkeiten geschaffen sind. Der Wermuth, welcher ihr gewohntes Vergnügen begleitet, oder demselben auf dem Fusse folget, muß ihnen auf empfindliche Art zu erkennen geben, daß dieses nicht sowohl für ein Vergnügen, als vielmehr für etwas verdrießliches zu achten sey. Es ist ihnen aber genug, daß die Aufsuchung derselben nicht schwer fällt, und daß der Genuß die Sinnen und Leidenschafften vergnüget, wenn sie es nur dabey bewenden lassen, ohne zu gedencken, daß sie nur noch einen Schritt zu thun haben, um weit dauerhafftere und reinere Ergetzlichkeiten, deren Nachsuchen so angenehm, als der Genuß selbsten ist, zu finden.
Die Eigen-Liebe der Frey-Maurer ist nicht allein weit zärtlicher, sondern wird auch mit weit grösserer Anmuth vergnüget. Ihre Glückseligkeit beruhet nicht auf zufälligen Umständen, noch auf gewissen Dingen, weiche sie ausser sich selbst suchen müsten. Sie finden solche in ihrem eigenen Gemüth, und ihre Versammlungen dienen nur darzu, einander zu deren Wahrnehmung aufzumuntern. Sie sind hierin angebrannten Kohlen gleich, welche ihre Hitze weit besser behalten, wenn sie vereiniget beysammen sind, als wenn man sie aus einander zerstreuet.
Man lehret in ihrer Gesellschafft, wie man sich der Geschöpffe bedienen soll, um nicht allein tugendhafft und weise zu seyn, sondern auch glücklich und vergnügt zu leben. Sie werden von Hoheit, von Reichthümern und von sinnlichen Lüsten nicht gerühret. Sie setzen als edelmüthige Epicuräer die Glückseligkeit des Lebens in dem Vergnügen des Geistes, wobey die widrigen Exempel und Gewohnheiten ihnen zu schlechten Bewegungs-Gründen dienen. Sie lauffen nicht Gefahr, mit dem grossen Hauffen und mit den Unverständigen, ins Verderben zu gerathen, welche die Strasse, worauf jederman gehet, erwehlen, und sich von dem Zweck, dem ein jeder nachtrachten solte, entfernen. Sie reden zwar, wie der gemeine Mann, dencken aber nur, wie die Weisen.
Diese wahrhaffte Brüder halten vor einander gar nichts geheim, sondern erinnern die geringsten ihrer Mit-Gesellen an folgenden Ausspruch des Cicero, welcher ihrem Verhalten zur Richtschnur dienet: Die Weisheit, oder die wahre Philosophie, spricht dieser Redner, erkennet nur sehr wenig Richter. Sie verbirget sich mir Fleiß vor der Menge. Wer sie besitzet, wird ihm selbst verdächtig, und zwar nicht ohne Ursache; denn wenn sie sich zeiget, wird sie von dem Volck geschändet und vernichtet. Auch sogar diejenigen, welche ein Stück davon, oder eine falsche, so eben diesen Namen führet, zu lehren vorgeben, lassen sich von dem Glantz derselben so verblenden, daß sie sich wider selbige auflehnen, und ihre sophistische Schlüsse brauchen, um selbige zu verbannen, oder zum Stillschweigen zu bringen. (6)
(6) Cic. de Divin. Lib. 2 C. 8. 9. Tusculan. Lib. 2. Cap. 1.
Man ermahnet sie, die Gewohnheit zu verlassen, und der Vernunfft zu folgen, damit sie sich über den vermeynten Zufall, eine blinde Gottheit, welche niemahls diesen Namen verdienet, erheben mögen. Hierbey giebt man ihnen zu erkennen, daß dieses das rechte Mittel sey, mit ihrem Schicksal vergnügt zu leben, es möge solches beschaffen seyn, wie es immer wolle. Ihr müsset, sprechen sie ferner, den thörichten Ehrgeitz und den grausamen Neid aus eurem Hertzen verbannen, die flüchtige Ehre, welche nicht unsterblich machen, noch von dem Tode entfernen kan, verachten, und bey einer Gleichgültigkeit gegen alle Dinge ein ruhiges Leben führen. Bey einem so angenehmen Zustande werdet ihr mit dem Virgilius ausruffen: Glückselig ist, wer es so weit gebracht, daß er die Ursachen der Dinge einsiehet, das unerbittliche Verhängniß mir Füssen tritt, und, von aller Furcht befreyet, durch das Getöse der Höllen sebst nicht kan erschüttert werden. (7)
(7) Virgil. Georgic. Lib. 2. v. 490
Dieses ist ein kleiner Auszug der Vortheile, so man in der Gesellschafft der Frey-Maurer antrifft, allwo die Sinnen und Leidenschafften gewiß ihre Rechnung nicht finden. Hieraus kan man schliessen, daß die Krafft und Ausübung der vorgemeldten Grund-Sätze ihr wahrer Zweck sey, und dahin abziele, daß sie sich vor der Tyrannen und den Irrthümern der Welt unter die Flügel der Freyheit und Wahrheit in Schutz begeben mögen.
Damit diese beyde triumphiren mögen, kommen sie in ihren Logen zusammen, keinesweges aber in der Absicht, daselbst die Bacchus-Feste der Ritter vom Becher, (8) oder die Lustbarkeiten der ziegenfüßigen und lichtscheuen Schwärmer zu begehen, welche unter dem Einfluß des Monden in der Stunde der Sonnenwendung zusammen lauffen, um den edlen leeren Raum des hohlen und miltzsüchtigen Gehirns, als das eintzige Mittel in dem Monden-Reich auf närrische Art glücklich zu leben, zu unterhalten. (9) Auch sind dieses keine Calotten-Versammlungen, worin man einem satyrischen, tadelsüchtigen und beissenden Eifer, welcher offt die besten Sachen angreifst, vollen Lauff verstattet; (10) noch solche Zusammenkünffte, welche der Natur einen Abscheu erwecken, und wo man der unersättlichen Wollust den Zügel schiessen lässet. Es sind dieses mit einem Wort keine Gesellschafften, wo die Sinnen unter geborgten Angesichtern sich mit dem Wein, dem Spiel, der Liebe, den Concerten, Bällen, und andern zärtlichen Ausschweiffungen, ergetzen. (11)
(8) Ritter-Orden der Säuffer, so zu Toulouse gestiffet worden. (9) Ordre des Capripedes ou Ratiers, welchen man in Languedoc aufgerichtet. (10) Regiment der Calotte, dessen Stab sich zu Paris befindet. (11) Die Bals der Opera zu Paris und London, und das Carneval zu Venedig.
Was wird in den Zusammenkünften erforscht?
Nein, es ist dieses eine wahre Brüderschafft, eine angenehme Gesellschafft, oder vielmehr eine berühmte Academie, deren Mitglieder weiter nichts, als das Vergnügen des Gemüths und die Beruhigung der Leidenschafften, in einem sittsamen, artigen und von Geräusch und Verwirrung entfernten Umgang suchen. Wenn man allda mit einander speiset, so geschicht es nur, um die Freyheit und Aufrichtigkeit zu bestätigen, und das Band der Gesellschafft desto fester zu knüpften. Endlich suchet man dadurch dem Leibe etwas einzuräumen, und zugleich den Werckzeugen, deren sich die Seele in ihren Würckungen bedienet, Lebens - Geister zu verschaffen.
Hieraus erhellet gar deutlich, daß sie aus Seele und Leib zusammen gesetzet zu seyn glauben, daß sie von der ersten einen viel edlern Begriff haben, alt von dem letztern, und daß sie den Geist weit über die Materie setzen. Weil sie also überzeuget sind, daß man den Leib für eine Art von Gefängniß, worin die Seele eingesperret sey, anzusehen habe; so bemühen sie sich, dasselbe erträglich zu machen, indem sie dem Leibe seine Nothdurfft darreichen, ja ihm auch einige Annehmlichkeiten nicht versagen. Dieses thun sie allemahl in Betrachtung der Seele, so in demselben wohnet, damit durch die Beschwerden eines matten Cörpers die Ruhe des Gemüths nicht gestöret, noch die Freyheit, welche dasselbe zum richtigen Dencken und Urtheilen haben muß, unterbrochen werde.
Alsdenn zerreisset der Geist so zu reden, die Bande, welche ihn an die Erde fesseln, und erhebet sich bis in den Himmel. Er betrachtet daselbst die Harmonie der lichten Cörper in ihren eigenen Wirbeln und Creysen, und so vieler unermeßlichen Kugeln, die man eben so viel Welten nennen kan, welche unter sich eine bewundernswürdige Subordinaton und Ordnung haben, indem ihre besondere Bewegungen nach der Stärcke des Drucks, welchen sie bekommen, oder des von ihnen geschehenen Widerstandes, entweder aufhören, oder inne halten, oder sich beschleunigen, oder einander Ziel und Maasse setzen. Dieses sind unbegreiffliche Würckungen einer undencklichen Macht, und keinesweges des verwirrten Klumpen (Chaos) oder des blinden Zufalls Epicuri, welcher solche dem Zusammenstossen der rauhen, leichten und krummen Theilgen oder Sonnen-Stäublein zuschreibet, als ob selbige zu einer äusserlichen und unngemessenen Abweichung durch eine in den Zwischen-Welten blindlings würckende Ursache getrieben würden.
Wenn sie die in diesen flüßigen Gegenden befindliche Wunder mit Erstaunen betrachtet, so wenden sie sich herunter zu dem Mittel-Punct der Erden, allwo sie die Erzeugung der unterirdischen, dunckeln und gläntzenden, dichten und flüßigen Cörper, als wundersame Würckungen derjenigen Grund-Ursachen, aus welchen sie alle zusammen gesetzet sind, wahrnehmen. Sie erblicken selbige so augenscheinlich, als wenn sie die Natur auf frischer That angetroffen, oder als wenn diese sie darzu geruffen hätte, um bey ihren Würckungen die Zeugen-Stelle zu vertreten.
Aus dem tieffen Abgrund kehren sie wieder nach ihrer Ober-Fläche, allhier untersuchen sie die Pflantzen und Bäume; sie zerschneiden die belebten Cörper, um die Triebfedern derselben zu erforschen; und endlich schreiten sie zu einer aufmercksamen Betrachtung der stoltzen Meeres-Wellen, .und der gewaltigen Bewegungen der Lufft, damit sie hinter die Grund-Ursachen kommen mögen.
Dieses sind ohngefehr die Materien, welche sie in guter Ordnung und ohne Unruhe in ihren gelehrten Zusammenkünfften vornehmen. Die Sitten-Lehre ist davon nicht ausgeschlossen. Ihre drey besondere Theile finden allda Platz vornemlich die Staats-Klugheit, von welcher sie glauben daß selbige nach dem Begriff der Regierung des Welt-Gebäudes eingerichtet sey, indem die Theile desselben zur Erhaltung des Gantzen stets in Bewegung sind, da indessen das Gantze unter dem Beystand eines unendlichen Verstandes für die Harmonie der Theile zu deren eigener Erhaltung sorget.
Warum keine Beweise?
Ich weiß, daß man nicht ermangeln wird zu sagen, der Verfasser dieser Nachricht gebe nicht den geringsten Beweis von demjenigen, was er behaupten wolle. Es ist wahr, daß ich keine Demonstration davon mache, noch weniger die Mühe nehme, die Sache durch Zeugen bestätigen zu lassen. Weil ich damit zufrieden bin, daß ich die Wahrheit sage; so lieget mir wenig daran, ob die Wahrheit Beyfall finde. Wenn ich auch noch so viele Zeugnisse beybringen wolte, so würde man sich dadurch nicht stärcker überführen lassen, ja es könte seyn, daß solche gar für lügenhafft und verdächtig gehalten würden.
Unterdessen wird man mir erlauben, daß ich in Ansehung der schändlichen Relation, so öffentlich ausgestreuet worden, gleichfalls Beweisthümer verlange. Und warum dringen diejenigen nicht darauf, welche dieselbe annehmen? Man muß jederzeit auf den Grund zurück gehen. Das Böse sehet sich ohne Beweis gar fest, hingegen sind die glaubwürdigsten Zeugnisse nicht zureichend, das Gute zu überreden. Dieses machet die unglückselige Neigung des Menschen. Das Laster findet bey demselben einen stärckern Zug, als die Tugend. Das Wahre misfällt ihm, und die Lüge kan ihn ergetzen.
Doch was sage ich? Ist es denn nicht genug, daß man den Herrn Herault, Policey-Lieutenant zu Paris, zum Zeugen anführet? Hier hat man ja ein Ubriges, um die Leichtglaubigkeit zu unterhalten. Meines Orts weiß ich zwar wohl, daß man es nicht allemahl auf die Wahrheit ankommen lässet; jedoch habe ich kein ander Zeugniß anzuführen, und diese muß allen meinen Beweis vertreten. Inzwischen glaube ich nicht, daß diese Magistrats-Person unter die Correspondenten der Zeitungs-Schreiber gehöre. Seine Bemühungen sind weit edler und nützlicher, und ich weiß, daß er seine Zeit besser anzulegen pflege.
Wie versammeln sich die Freimaurer?
Dem sey aber, wie ihm wolle, und gesetzt, es wäre diese Nachricht, so ich mittheile, von mir selbst ersonnen und ausgehecket, so bleibet es doch dabey, daß der Abriß von der Gesellschafft, welchen ich dem Leser vorlege, gar schön, weise und dem Menschen anständig sey. Es mag immerhin ein Roman seyn: was liegt daran? Genug, daß er zu der Tugend, und folglich zur Glückseligkeit, führet.
Die Frey-Maurer versammlen sich ordentlicher Weise dreymahl in der Woche und zu solchen Stunden, da ein jeder frey von Geschäfften ist, und ein ruhiges Gemüth haben kan. Der Saal ihrer Versammlung, welchen sie eine Loge nennen, ist allezeit in einem Wirthshause, wo man für sein Geld sich frever und ungehinderter, als bey sich zu Hause, befindet. Niemand hat allda, auch ausser der Zeit der Versammlung, einen Zutritt. Vor diesem Saal findet man ein Vorzimmer, worin jeder Mitbruder einen kleinen Schranck hat, um darin allerhand Geräth und das Werckzeug, so er vor dem Eintritt in die Versammlung zu sich nehmen muß, zu verwahren. Ein Thürhüter, welchen man darzu gedungen hat, sorget dafür, daß vor der Stunde alles in Ordnung gebracht werde. Diese Anstalten sind eben nicht groß, und bestehen in einem angemachten Feuer, wenn es die Jahrs-Zeit erfordert; in einem Tisch mit einer Decke; in einem zinnernen oder silbernen Schwenck-Kessel nach dem Vermögen der Loge, worin sehr schöne Gläser schwimmen; in zwey Behältnissen, wovon das eine zu Pfeiffen, das andere zu geschnittenem Taback gewiedmet; in vier Lichtern und gewissen um den Tisch her gesetzten Stühlen. Dieses ist der gantze Aufputz des Saals, worin man sich versammlet.
Der Thürhüter, welcher zugleich die Dienste eines Schweitzers thut, befindet sich an dem Eingang des Vorzimmers, und lässet niemand, als die Frey-Maurer, hineintreten. Der Secretariuss der Loge ist gemeiniglich der erste, welcher sich allda einstellet. Wenn sie sich nun mit einem Schurtzfell von weissem Leder, mit einer Mütze von Baumwolle oder weisser Leinwand, mit weissen Handschuhen und mit ihrer Mauerer-Kelle versehen; so nehmen sie in dem Saal ihre Plätze ein. Der eintzige Zierrath, welchen man allda wahrnimmt, ist die Göttin der Weisheit, eine gemahlte Minerva, so mit einer Wolcke umgeben, durch welche man einige Frey-Maurer erblicket, denen von ihr die Begebenheiten der Natur entdecket werden, mit der Ueberschrifft:
Hac duce, hac comite tot inter aspera firmi. Das ist: Wenn diese leitet, lenckt und führt, Wird gar kein rauher Weg gespürt.
Mit einem Wort, dieses ist ihr Panier und Standarte, unter welchen sie sich versammlen, um die Feinde der Wahrheit und Freyheit zu bekriegen. Man lieset auch über dem auswendigen Gesims der Saal-Thür die Lateinischen Worte:
Arceatur profanum vulgus. Das ist: Was ruchlos ist, kommt nicht hinein.
Da sie denn unter dem Wort ruchlos alle diejenigen verstehen, welche keine Mitglieder ihrer Gesellschafft sind.
Der Präsident, oder Ober-Meister, eröffnet die Session, nachdem der Secretarius den Inhalt der vorhergehenden abgelesen. Sind nun die Puncte, welche damahls vorgekommen, bereits entschieden, so giebt der Präsident eine neue Materie an die Hand, oder es wird solche von einem Bruder vorgetragen. Ist man aber in der vorigen Sache noch zu keinem Schluß gelanget, so fähret man fort, selbige zu untersuchen.
Wenn die Brüder der Loge, worin man die vorgebrachte Frage untersuchet, mit einander nicht einig werden können; so überschicket man solche der grossen Loge, welche davon einige Abschrifften nehmen, und selbige andern Logen, die man für fähig hält, einen Ausspruch darin zu thun, einhändigen lässet. Hier ist beyläuffig anzumercken, daß diese erste Loge von den Geschicklichkeiten, womit die Brüder der übrigen begabet, eine vollkommene Wissenschafft habe. Doch geschiehet es gar selten, daß die Frage in der Loge, wo man sie aufs Tapet gebracht, unerörtert bleiben solte. Denn sie ist mit Personen angefüllet, die sich in so vielen unterschiedenen Wissenschafften dergestalt umgesehen, daß schwerlich eine Materie in Vortrag kommen kan, welche sie nicht zu entscheiden im Stande wären.
Der Wein oder das Bier, wie auch die Pfeiffen und der Taback, sind allen gemein; wenn aber einer von den Mitbrüdern einen Bissen zu essen verlanget, so schellet er, und fordert etwas nach seinem Geschmack, welches ihm, nebst einer Serviette, Gabel und Messer präsentiret wird. Ein jeder fordert, was er will, und wann es ihm beliebet.
Wenn irgend einer aus Lebhafftigkeit oder im Eifer sich wider einen Mitbruder mit unziemlichen Worten vergehet; so wird ihm alsofort von dem Meister der Loge ein Stillschweigen, und ausser dem eine Geldbusse von einem Sheling oder 12. Sols, die er gleich bezahlen muß, auferleget. Eben dieses wiederfähret denen, so einen Schwur oder unzüchtiges Wort von sich hören lassen, oder einem Bruder in die Rede fallen. Man muß in der Versammlung, welche gemeiniglich im Winter von 5. bis 8. und im Sommer von 7. bis 10. Uhr dauret, aufs wenigste 12. Sol verzehren. Die Mitbrüder grüssen einander allda bloß mit der Mauer-Kelle, ohngefehr auf die Art, wie es ein Reuter mit dem Degen zu machen pfleget.
Der Secretarius redet hier niemahls, sondern har das Vergnügen, alles mit anzuhören, und nichts darbey zu sagen. Er ist aber genug beschäffttiget, die Haupt-Puncte von allem, was allda gesprochen wird, mit Abkürtzungen oder Zeichen anzumercken, damit ihm solches in seinem Cabinet zum Denck-Zettul diene, allwo er zwischen beyden Versammlungen einen Aufsatz davon verfertiget, welcher bey der folgenden Zusammenkunfft vorgeleget wird.
Man machet von allen diesen besondern Piecen jährlich eine Sammlung, und verwahret dieselbe in einem grossen Schranck, welcher im Vorzimmer stehet, und worzu der Präsident und der Secretarius jeder einen unterschiedenen Schlüssel besitzen. Wenn man selbigen öffnen will, hat man beyder Schlüssel vonnöthen. Es ist leicht zu begreiffen, daß jeder Band eine sehr grosse Menge entschiedener Aufgaben, nebst den beyderseitigen Gründen, ingleichen viele schwere Puncte und Fragen aus allen Wissenschafften, Künsten und sinnlichen Erfahrungen, so man von allerhand Materien bekommen können, in sich fassen müsse. Die Gelehrten sowohl, als die Künstler, haben hier einen Vorschub und solche Hülffs-Mittel, die sie sonst in der Welt nirgends finden werden.
Die Schrifftsteller, so an einem Werck, von was für Art es immer seyn mag, arbeiten, können dahin ihre Zuflucht nehmen. Was einer zu wissen begehret, wird er gewiß in den Sammlungen einer Loge finden, wenn es auch bey den übrigen nicht anzutreffen wäre. Er darff sein, Begehren nur schrifftlich kund thun, so schicket man diesen Aufsatz von einer Loge zur andern, und wenn sich das Verlangte gefunden, wird solches Extracts-Weise nebst den Beweisthümern und Experimenten ausgefertiget, ohne daß es dem Fragenden etwas kostet. Eben so leicht können die Künstler und alle andere Arten von Leuten ihren Wunsch erfüllet sehen. Die Archive der Frey-Maurer sind unerschöpfliche Quellen, woraus alle Wissenschafften und Künste zu ihrer Verbesserung etwas hernehmen können.
Die Freimaurer sind demokratisch und sittsam organisiert
Man beobachtet in diesen Zusammenkünfften die Ordnung nach der Aufnahme, daher zuweilen ein Kauffmann, ein Künstler u. s. w. über einen Hertzog und Pair, ja wohl gar über einen Printzen sitzet. Man redet allda bekannte Sprachen, und weiß von keinen rothwelschen oder ersonnenen Red-Arten, wie man aussprengen wollen.
Die Frey-Maurer nehmen in ihre Gesellschafft alle und jede ohne Unterscheid auf, von was für Volck oder Religion sie immer seyn mögen. Weil sie niemand von der natürlichen, bürgerlichen und sittlichen Glückseeligkeit ausschliessen wollen; so richten sie eine Gemeinschafft des Verstandes mit allerhand Leuten auf, gleichwie sonst allerhand Leute ein Glücks-Gewerbe mit einander treiben. Die Ungleichheit der Religionen stehet hierbei nicht im Wege. Sie halten dafür, daß, wenn man davon keine Rechenschafft geben darf, es besser sey, selbige mit Stillschweigen zu glauben und gut zu leben, als übel zu leben und trefflich davon zu reden. Hierdurch werden schwache Gemüther eingenommen und leichtlich verblendet. Die Heuchler glauben berechtiget zu seyn, den Menschen zu schaden, wenn sie nur herrlich von Gott zu sprechen wissen. Ich bin versichert, daß jederman dieser Meynung, welche nicht weniger mit dem Christenthum, als mit der gesunden Vernunfft übereinkömmt, beypflichten werde.
Die Künstler, welche bey dieser Gesellschafft zugegen sind, bringen solche Materien aufs Tapet, welche zur Vollkommenheit ihrer Kunst abzielen. Die Chymisten und Alchymisten reden auch von den Schwierigkeiten, so sie in ihren Operationen antreffen, und diese werden allda sehr gelehrt abgehandelt. Ich kenne einige derselben, welche ihr noch übriges Vermögen dem klugen Rath dieser gelehrten Versammlung zu dancken haben, indem selbige sie von den verderblichen Wegen, worauf sie den Stein der Weisen zu erlangen vermeynet, zurückgezogen. Nicht geringer ist der Beytrag, welcher von ihnen zur Besserung vieler rohen und unartigen Menschen geleistet wird. Hierbey lässet es ihre Liebe und Mitleiden nicht bewenden. Wenn ein Mitbruder wegen Schulden in Verhafft gerathen ist, so bezahlet man solche, so bald man ein Zeugniß von seiner Redlichkeit beybringen kan. Ihre Guthertzigkeit ist allemahl mit kluger Uberlegung gewürtzet. Sie üben solche der Tugend zum besten aus, daher sie von dem Mitleiden, welches lasterhaffte und liedrliche Menschen bey schwachen Seelen erwecken, gar nicht gerühret werden.
Ein krancker Mitbruder, welcher sich ausser Stand siehet, das nöthige zu seiner Wartung aufzubringen, empfängt von der Loge, deren Mitglied er ist, wöchentlich 2. Guineen, wenn anders seine Kranckheit nicht von Schwelgerey und unordentlichem Leben herrühret. Der Medicus, Wund-Artzt und Apothecker der Loge erweisen sich bereit, demselben mit ihrer Vorsorge, Handreichung und Artzneyen umsonst an die Hand zu gehen. Diese drey Gesundheits-Bedienten werden von jeder Loge besoldet.
Übrigens hat die allgemeine Gesellschafft einen Ober-Meister, und dieser wird von den Deputirten aller Logen, deren Anzahl sich in der eintzigen Stadt London über 200. beläufft, alle Jahr erwehlet. Die besondern Gesellschafften haben einen Präsidenten, welchen man den Meister der Loge nennet. Man bringet niemahls einiges Gewehr mit sich in die Versammlung, weil allda die Sanfftmuth und der Friede die Herrschafft führen, Zanck und Zwietracht aber in Fesseln liegen.
Die Gelder der Brüderschafft befinden sich in einer Casse mit vier unterschiedenen Schlüsseln, wovon den einen der Präsident, die übrigen drey aber eben so viel andere Mitbrüder in Verwahrung haben. Man erleget 3. Guinem bey dem Eintritt, und monatlich eine Crone, das ist, einen Thaler.
Hieraus erhellet, daß alles ordentlich zugehe, und daß eine solche Gesellschafft weit mehr beytrage, die Wohlfahrt des Staats zu befördern und zu erhalten, als die Verfassung desselben zu zerrütten. Hier findet man die Schule der Wissenschafften, Künste und guten Sitten, eine gelehrte Academie, deren Mitglieder unterschiedliche Gaben besitzen, und welche in ihrer Vereinigung ohne Wiederspruch die gelehrteste Gesellschafft von der Welt ausmachen. Was für zweiffelhaffte Fragen oder schwere Puncte man derselben auch vorleget, so ist sie im Stande, selbige zu entscheiden; und dieser Ausspruch wird als ein Oracul angesehen.
Man bilde sich aber nicht ein, als wenn ihre Geberden und gantzes Bezeigen etwas rauhes und unfreundliches bey sich führten. Nichts weniger, als dieses. Es ist alles daselbst aufgeweckt, lustig und angenehm, jedoch zugleich mit Sittsamkeit und höflichem Wesen dergestalt gewürtzet, daß man mehr mit vollem Gemüth, als mit vollem Bauch, herausgehet. Die Gratien werden allda geliebet, die Musen wehrt geschätzet, die Schrifftsteller in Ehren gehalten, die Gottheit verehret, die Religion angenommen, die Gesetze gebilliget, und der König geliebet, ohne sich jemahls vor ihm zu fürchten. Bisweilen ergehet man sich mit dem Anacreon, Catullus, Terentius, Juvenalis, Persius, Ovidius, Virgilius und andern Poeten, und Comischen oder Cynischen Scribenten. Kurtz, es wird allda niemahls der Nachruhm der Lebendigen oder der Todten gekräncket.
Die „hertzrührende“ Aufnahmezeremonie
Die Ceremonien, so man bey Aufnehmung der Candidaten gebrauchet, sind noch weit einfältiger, als die Complimenten, welche man einem Fremden, den ein guter Freund in eine ordentliche Gesellschafft mitbringet, zu machen pfleget. Derjenige, welcher in diese Societät aufgenommen seyn will, wird der Versammlung acht Tage vorher, ehe man ihn würcklich aufnimmt, durch einen Mitbruder bekannt gemachet. Wenn dieser Mitbruder die guten Eigenschafften seines Candidaten auf ungezwungene Art erzehlet, so bekömmt er selbst von dem Meister ein Compliment wegen seines bezeigten Eifers, der Gesellschafft geschickte Personen zuzubringen. Er meldet ihm zugleich den Tag, an welchem er denselben darstellen soll.
Wenn der bestimmte Tag erschienen, und die Redlichkeit des Candidaten von den Mitbrüdern untersuchet ist; so führet man ihn herein, worauf ihn der Meister der Loge ersuchet, die Hand auf das Hertz zu legen, und solche, so lang die Ceremonie währet, also zu halten, damit die Versammlung daran ein deutliches Merckmaal habe, daß alles, was er zu sagen hat, aus Grunde des Hertzens gehe, wenn der Mund sich mit der Aufrichtigkeit eines ehrlichen Mannes vernehmen lässet. Alle Mitbrüder und der Meister selbst stehen aufgerichtet. Hierauf machet der Meister zu der Ceremonie den Anfang, indem er die Mitbrüder anredet, und mit einer vernehmlichen Stimme spricht:
Der Meister. Man verschliesse den Eingang vor dem ruchlosen Pöbel. Die Mitbrüder antworten: Die Thüren sind verschlossen, und es ist alles in Sicherheit.
Der Meister. Lasset uns dem unvergleichlichen Cato folgen, welcher uns ermahnet, gesund, freudig und vergnügt zu seyn. Die Mitbrüder. Lasset uns den Cato preisen, und ihm nachahmen, lasset uns den Plato, Socrates und Xenophon in Ehren halten.
Der Meister. Lasset uns die Gleichheit beobachten, und einander als Brüder begegnen. Die Mitbrüder. Lasset uns Cameraden und gute Freunde seyn.
Der Meister. Es wollen die Musen und Gratien uns gewogen seyn. Die Mitbrüder. Sie wollen unsere Worte und Handlungen begleiten!
Der Meistex wendet sich zu dem Candidaten, und spricht: Lernet, daß eure jetzige Entschliessung euch zu der Wahrheit und Freyheit führe. Erkläret ihr euch also für einen Feind der Lügen und der Tyranney? Der Candidat, welcher stets die Hand auf der Brust hält, antwortet: Ja, ich kündige denselben den Krieg an, und suche bloß deswegen unter eure Fahne zu treten, damit ich allda einen Unterricht, welcher mich in den Finsternissen der Welt erleuchte, und Kräffte wider die Irrthümer, so unsere grausamste Tyrannen sind, erlangen möge.
Der Meister stimmet ein: Fiat! Fiat! das ist, dieses geschehe also!
Hierauf nehmen die Brüder ihre Stelle ein, der Secretarius aber überreichet dem Candidaten die Mütze, das Schurtz-Fell und die weissen Handschuhe, führet ihn sodann zu dem Lehn-Sessel des Meisters, allwo er aufrecht stehen bleibet, und die von seiner Hand empfangene Mauer-Kelle küsset.
Indem der Meister ihm solche in die Hand giebt, thut er an ihn folgende Anrede: Empfanget dieses Werckzeug, geliebter Mitbruder. Es wird euch von der Gesellschafft gegeben, um euch zu erinnern, daß ihr ohne Unterlaß arbeiten müsset, den Tempel eurer Glückseligkeit auf dem zerfallenen Schutt der falschen sinnlichen Wollüste und der ungereimten Gewohnheiten der Sterblichen zu bauen, welche die Natur, Vernunfft, Religion, und alles, was heilig ist, unter die Füsse treten, und nur daran arbeiten, dem Glück Tempel aufzuführen. Der Grund, worauf sie denselben bauen, ist so schlecht beschaffen, daß ihn der geringste Wind erschüttert, und die Stürme und Ungewitter, so von Haß, Neid und andern hefftigen Leidenschafften erreget werden, ihn über den Hauffen werffen.
Lasset euch denn nun, geliebter Mitbruder, angelegen seyn, diesen Tempel, welchen ihr zu bauen anfanget, auf die wahre Tugend zu gründen. Dieses ist ein unbeweglicher Fels, auf welchem ihr euer Gebäude bis an den Himmel hinaufführen müsset, ohne daß ihr zu besorgen habet, die unendliche Weisheit, welche allda ihren ewigen Sitz hat, zum Zorn zu reitzen. Wenn ihr auf diese Hohe gelanget seyd, so fürchtet euch nicht, herunter gestürtzet zu werden; die Weisheit wird euch die Hand reichen, um euch auf ihren Schooß zu setzen, wenn euer Bau vollendet seyn wird.
Hiermit schliesset er, und nachdem er den neuen Mitbruder umarmet, nennet er ihm den Groß-Meister der Gesellschafft, dessen Namen der Mitbruder wiederholet, und hinzufüget: Er müsse glücklich und lange leben! Alsdenn entfernet er sich von dem Meister der Loge, und wendet sich unter Anführung des Secretarii zu allen Plätzen, wo er die Versammleten auf die Brust küsset, und von ihnen hinwiederum den Kuß auf gleiche Art empfänget, wodurch sie andeuten, daß ihre Vereinigung von Hertzen gehe. Wenn diese Ceremonie vollendet ist, und der neue Mitbruder nächst dem letzten der alten seinen Platz genommen, so wird die Unterredung auf gewöhnliche Art eröffnet.
So bald das Gespräch ohne die geringste Zerrüttung unterbrochen werden kan, stehet der Meister, und die obgedachten Schlüssel-Bewahrer auf, eröffnen die Lade oder den starcken Cofre, bringen einen Becher von purem Golde, welcher zwey Pinten (Kannen) nach dem Landes-Maaß in sich halten kan, auf den Tisch, und nachdem sie denselben mit Wein angefüllet, trincket der Meister zuerst, und überreichet ihn dem Mitbruder, welcher zu seiner Lincken, als auf der ersten Stelle, sitzet. Dieser giebt ihn dem andern, und er gehet von einer Hand in die andere fort, bis er an den neuen Mitbruder gelanget. Dieser nimmt ihn an, und, indem er die Maurer-Kelle in der rechten Hand hält, redet er also: Ich sehe diesen Becher, als die Gestalt meines Hertzens, und den darin befindlichen Wein als das Sinnbild meines Blutes an, womit ich den von mir gefaßten und jetzo erneuerten Vorsatz versiegele, an der Glückseeligkeit, worzu ich gebohren bin, eiferig und beständig zu arbeiten, mit der Entschliessung, den Bemühungen, womit die Geschöpfe mich von meiner Arbeit abzuziehen suchen möchten, hertzhafft zu wiederstehen.
Hierauf sprechen die Versammleten allesamt mit einer Stimme: Die Weisheit vollende dasjenige, was sie in unserm neuen Mitbruder herrlich angefangen! Der Meister und der neue Bruder aber lassen sich mit den Worten: Fiat! Fiat! vernehmen. Nachdem der Meister den Becher aus der Hand des neuen Mitglieds empfangen, treten die Schlüssel-Bewahrer zu ihm, wischen den Becher wohl ab und tragen ihn mit einander wieder in die Lade.
Nach Endigung dieser hertzrührenden Ceremonie wird die angefangene Unterredung fortgesetzet. Der neue Mitbruder lässet sich in selbige mit ein, wie die andern, welchen er von diesem Augenblick an gleich geschätzet wird. Er bringet etwas vor, beantwortet und widerleget nach seinem Gutbefinden, wenn er Gelegenheit zu reden hat. Es werden allda keine Satzungen vorgelesen; denn sie haben sonst keine, als die in dem Hertzen, Verstande und auf der Zunge eines ehrlichen Mannes geschrieben sind.
Nichts Verstecktes, kein Geheimniß und kein Aberglaube
Hier siehet man dieses grosse Geheimniß entdecket. Solte es aber, weil nichts wunderbares und erstaunliches darin enthalten ist, dem Geschmack derjenigen, welche allenthalben dergleichen finden wollen, wohl anstehen? Dieses ist ein Saltz, womit man alle Reden, und Schrifften würtzen muß, wenn man gefallen will. Man darff ihnen nur so viel sagen, daß bey der Gesellschafft der Frey-Maurer nichts verstecktes, kein Geheimniß und kein Aberglaube anzutreffen sey, so sehr sie auch dieselbe damit angefüllet glauben. Es ist dieses ihre Art, daß sie bey allen Dingen, die ihnen nicht bekannt sind, durchaus hiervon etwas suchen wollen.
Man urtheile hieraus, ob die bisher zum Vorsschein gekommene Nachrichten ihnen mißfallen können? Sie finden etwas darin, das ihren Geschmack vergnüget. Es ist keine Zeile oder Wort darin enthalten, so nicht etwas wunderbares bey sich führet: Ein Groß-Meister, der mit einem blauen Ordens-Band in Form eines Trianguls gezieret; eine dreyeckigte Figur, so auf dem Fuß-Boden abgezeichnet; drey Lichter im Triangul gestellet; eine dreymahlige Frage; eine dreymahl wiederholte Antwort; drey Tempo im hingehen, und eben so viel Tempo im zurücktreten; die Brüder in einen Creys gestellet; das Metall weggethan, und das Hartz, der Phosphorus der Zauberer, zum Gebrauch erwehlet; verbundene Augen; ein tieffes Stillschweigen; ein auf Pantoffel-Art niedergetretener Schuh; ein entblößte Knie. Sind dieses alles nicht wunderbare Dinge, welche das Nachsinnen kluger Köpfe verdienen?
Hingegen die Begriffe von einem aufgeräumten Verstand und reinen Hertzen, von wohl eingerichteten Sitten und gelehrten Unterredungen: die Vorschläge von Verachtung der sinnlichen Lüste; von Mäßigkeit, Enthaltung, Sanfftmuth und Gelehrigkeit; alles dieses ist nicht vermögend, bey ihnen einen Eindruck zu machen. Dieses ist gar gut, den Unwissenden vorzusagen, und diese Tugenden, spricht man, schicken sich nur für geistliche Ordens-Brüder.
Alles dieses belustiget nicht, und wenn man es lieset oder höret, muß man gähnen, oder verdrüßlich werden. O Tempora! o mores!
Gleichwohl kan ich nicht umhin, den sonderbaren Fleiß zu bewundern, womit die offtgedachte Nachricht, welche gewissen Leuten zu schaffen machet, oder Unruhe erwecket, verfertiget worden. Diejenigen, welche selbige der Presse überlieffert, bedienen sich einer so richtigen Auedrückung, die in sehr vielen Wercken, welche der Mangel der Deutlichkeit zweydeutig machet, vergeblich gesuchet wird. Wie trefflich würde die Geschichte erläutert seyn, wenn die mitgetheilten Nachrichten selbst so wohl gegründet gewesen wären! Ich hoffe bey dem geneigten Leser einigen Danck zu verdienen, wenn ich demselben gewisse Umstände, die einer Aufmercksamkeit nicht unwürdig sind, zu erkennen gebe.
Berichtigung einiger Behauptungen
Nach dem Bericht dieser Verfasser wird erfordert, daß das neue Mitglied den lincken Schuh wie einen Pantoffel niedertrete. Hier fordere ich die scharffsinnigsten Köpfe auf, daß sie mir den lincken Schuh von dem rechten unterscheiden. Dieses ist gewiß ein Räthsel, welches dem grossen Geist der Frey-Maurer vorbehalten bleibet, wiewohl diese solches nicht einmahl errathen würden, wenn die Minerva ihnen nicht das Verständnis eröffnete.
Er muß einen Fuß in die Lufft erheben. Dieses ist sehr umständlich, wobey der Leser bekennen muß, daß er von einer Sache, die den vorigen Zeiten unbekannt gewesen, Nachricht bekommen habe. Wir wissen also nunmehr, daß man den Fuß auf die Erde erheben kan, da unsere Vor-Eltern geglaubet, daß man denselben nur in die Lufft erheben könte.
Wenn man von der neuen Entdeckung weiter nichts, als diesen herrlichen Unterricht, empfangen hätte; so wäre das menschliche Geschlecht schon dießfalls denen, so uns denselben mitgetheilet, zu unendlichem Danck verbunden.
Man zeichnet einen grossen Raum auf den Fußboden. Dieses verdienet ein ernstliches Nachsinnen. Jederman weiß, daß man in gewissen Räumen zeichnet, Risse machet, und Figuren entwirfft; allein wer hat gewust, daß man in dem Saal der Frey-Maurer keine Figuren, sondern Raume zeichne? Nichts desto weniger wird man dieses gar leicht hegreiffen, wenn man vernimmt, daß die Raume der Frey-Maurer nur in Gedancken bestehen, keine Länge, Breite noch Tieffe haben, und weil es ihnen an Puncten, Linien und Oberflächen fehlet, dem Fußboden im geringsten nicht hinderlich fallen.
Man erblicket daselbst zwey Seulen von den Uberbleibseln des Salomonischen Tempels. Was kan rarer seyn? Man wird schwerlich ältere Denckmaale antreffen. Das Publicum würde es den Verfassern noch mehr gedancket haben, wenn sie zugleich gemeldet hätten, woher diese Seulen an die Frey-Maurer gekommen, und durch was für einen Zufall sie in den Besitz solcher zwey Alterthümer gelanget.
Ich will einen Versuch thun, diesem Mangel durch das Zeugniß gewisser Jüdischer und Römischer Scribenten, von welchen ich einige unvollkommene Stücke in der Bibliothek zu Cosmopoli gelesen, bestmöglich abzuhelffen. Diese berichten, daß Titus und Vespasianus diese beyden Seulen dem Grimm der Mauerbrecher, oder Sturm-Böcke und anderer Kriegs-Machinen, deren man sich zur Zerstörung des Salomonischen Tempels bedienet, glücklich entrissen, und mit selbigen der Frey-Maurer-Gesellschafft, wovon sie selbst Mitglieder und lebendige Seulen waren, ein Präsent gemachet haben. Da nun die Frey-Maurer zu Rom sich über den hohen Grad der Vollkommenheit, worzu die Englischen Frey-Maurer ihre Gesellschafft erhoben, ein hertzliches Vergnügen geschöpfet; so haben sie ihrer Schuldigkeit gemäß erachtet, dieselbe für das Haupt ihres Ordens zu erkennen, und ihnen diese herrliche Denckmaale, als ein Sinnbild des Tempels, welchen sie der Weisheit aufgeführet, in Verwahrung zu geben.
Was die beyden Buchstaben J. und B. anbetrifft, die ohne Zweiffel mit Hebräischen Buchstaben geschrieben sind, so beziehen sich selbige auf die Seulen. Ich verwundere mich gar nicht, daß dieselben den Neugierigen zu allerhand Untersuchungen Anlaß gegeben. Sie stimmen zwar alle mit dem Verfasser der Nachricht, wer er auch immer seyn mag, darin überein, daß sie sagen, das J. bedeute Jakhin und das B. Bojaes; allein sie berichten uns auch noch etwas, wovon besagter Verfasser mit keinem Wort Meldung gethan. Einige geben vor, dieser Jakhin sey der Urheber des Talmud, und Bojaes des Salomons Secretarius gewesen. Dieser ist es eben, fügen sie hinzu, welchem die Gelehrten die vortrefflichen Claviculn dieses weisen Königs zu dancken haben. Medea ward des Bojaes Gemahlin, und lernte von ihm wider den Willen der Hebe, Göttin der Jugend, das wunderbare Gehemniß, die Menschen wieder jung zu machen. Er lehrte sie die heilsamen und verjüngenden Kräuter kennen, und unterwies sie in der nöthigen Zubereitung derselben, damit sie ihre magische Kunst recht ausüben könte. Hierbey berichten sie uns, daß sie die erste gewesen, welche sich gekochter Säffte, warmer Umschlage, erweichender Artzney-Mittel, und gewisser Träncke, so den allgemeinen Natur-Geist (Archaeum) wieder herstellen können, bedienet habe. Mit einem Wort, sie ist die erste Apotheckerin auf Erden gewesen. Nur schade, daß diese Aufschneider das Reich der Erd-Gewächse verlassen, und sich in den Bergwercken verlieren, mithin den gesegneten Stein, das Werck der Weisen und die Universal-Medicin der Adepten, nicht erlangen können! Von wie vielen Geschlechtern würden wir nicht Stämme erblicken, wenn sie diesem gelehrten Weibe nachfolgten, deren Unternehmung so wohl gelungen, ob sie gleich kein ander Laboratorium, als eine schlechte Küche und einen einigen Topf, gehabt, welcher ihr an statt mancherley chymischer Gefässe gedienet?
Andere vortreffliche Leute, unter deren Zahl ich den grossen Mathematicum, Cornelius Agrippa, Urheber der verborgenen Philosophie, und den ausbündigen Grafen von Gabalis mit seinem Systemate Geniali rechne, geben uns die Versicherung, daß Jakhin und Bojaes der Name und Zuname eines eintzigen Mannes sey, welcher Oberster über eine Legion von Gnomis (12), seine Unter-Ofticiers Salamanders, die Trompeter und Hautboisten Wald-Götter, und die Marcketenderinnen Nymphen gewesen.
(12) Dieses sind bey den Cabalisten unsichtbare Leute, die gegen den Mittel-Punct der Erde wohnen sollen.
Ich habe einen unverwerfflichen Zeugen, welcher dieses, was ich sage, bestärcket. Es ist ein kostbares Buch, worin die Entdeckungen eines scharffsinnigen Dervis enthalten, und weiches durch Vorschub des grossen Mufti in der Druckerey des Serrail am zehenden Tage des letzten Ramadan aus der Presse gekommen. Ich kan hierbey nicht unerinnert lassen, daß der Groß-Sultan gelehrte Schrifftsteller zu neuen Erfindungen aufzumuntern gesuchet, indem er diesem Dervis ein jährliches Gehalt von 4000. Zechinen verliehen, und diese Summe auf die Einkünffte angewiesen, welche an dem Ponto Euxino von den Carossen, Last-Wagen, Brodt-Karren, und Proviant-Wagen, ingleichen von denen zu Fuß und zu Pferde über diese Bewunderns-würdige Brücke, die von einem Frey-Maurer verfertiget seyn soll, gehende Personen erhoben worden.
Ich würde das PubIicum niemahls von diesen gelehrten Entdeckungen unterrichtet haben, wenn mir nicht die in der Welt umher lauffende Relation davon zu reden Anlaß gegeben hätte.
Zum Abschluss eine weitere ironische Bemerkung
Nun habe ich noch eine eintzige Anmerckung zu machen. Wie trefflich würde der Geschmack an hohen Dingen erwecket seyn, wenn derjenige, so den Zeitungs-Schreibern solche Nachrichten an die Hand gegeben, sich beflissen hätte, den Saal, die Stühle, den Tisch, die Schwerdter, ja sogar die Gesichter er Brüder, dreyeckigt zu machen, um nicht wider den Cornelius Agrippa, noch die Clavicul Salomons, zu verstossen, welche dieses bey den Cabalistischen und Zauber-Figuren zur Regul setzen, daß man niemahls zweyerley Figuren unter einander mischen solle.
Warum hat man von dem Klee, dem Tricolor, und allen dreyeckigten Kräutern, nichts gedacht? Warum hat man die Trigonometrie, das Tniumviral zu Rom, den Atheniensischen Dreyfuß und den dreyköpfigten Hund Cerberus, welcher die Höhle des Pluto bewachet, aussen gelassen? Man hätte diesen an die Saal-Thüre stellen können, um den Eingang zu bewahren. Damit endlich das Gedritte noch vollständiger herausgekommen wäre, so hätte der ehrwurdige Groß-Meister seinen Candidaten auf gleiche Art, wie die Cumische Sibylla ehemahls den weinenden Aeneas, in dem Saal empfangen, und ihn geschwinde in drey Tempo sollen drey mahl einen Sprung thun, drevmahl fartzen und drevmahl pfeiffen lassen.
Diese ironische Betrachtungen über den anzüglichen und ungereimten Bericht, welchen man ausgestreuet, zeigen zur Gnüge, wie lächerlich diejenigen handeln, welche denselben für wahr annehmen, und was für kleine Geister sich die Mühe gegeben, selbigen aufzusetzen. Indem ich aber die unverschämten Scribenten, von welchen ihnen vielleicht nur der blosse Name bekannt ist, lächerlich vorstelle, so hege ich darunter keine andere Absicht, als die schwachen Gemüther aus ihrem Irrthum zu ziehen, welche der Meynung sind, allda bey ihrem widrigen Schicksal eine Hülffe, oder für die unbändige Leidenschafften eine Linderung zu erlangen, dagegen aber ihre Zeit, offtmahls ihren Verstand, und immerzu noch etwas mehr, bey deren Lesung verlieren. Leute von geübten Sinnen brauchen meiner nicht, um davor einen Abscheu zu bekommen. Für diese schreibe ich nicht; denn sie kennen bereits die abhängige Klüffte, wohin so schlimme Wegweiser verleiten. Weder die Gestirne, noch die vermeynten elementarischen Geschöpffe, noch die lufftigen und unterirdischen Legionen, haben die geringste Herrschafft über die Schätze, vielweniger über die Hertzen. Es ist demnach vergebens, daß die Thoren darauf ihr Verttauen setzen. Sie dürffte nur einige Lectionen von einem Frey-Maurer mit gelehrigem Sinn anhören, so würde ihnen solches vortrefflich zu statten kommen.
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