Home Im Altertum hiess die Loge Bienenstock

                     Eine Satire von 1724, Jonathan Swift zugeschrieben

 

 

Inhalt

I. Bemerkungen zum Text

II. Der Text

 

 

 

I. Bemerkungen zum Text

 

A Letter from the Grand Mistress of the Female Free-Masons to Mr. Harding, the Printer. Dublin: John Harding 1724 und Dublin: Faulkner 1730

 

Anfänglich Jonathan Swift zugeschrieben und bis 1774 in seinen Gesammelten Werken nachgedruckt sowie 1760 und 1798 im Rahmen seiner gesammelten Schriften auch ins Deutsche übersetzt; die Autorschaft ist umstritten

 

Viel später nachgedruckt in Henry Sadler: “Masonic Reprints and Historical Revelations“. 1898.

 

Eine neue Internetversion in Dudley Wright: „Women and Freemasonry“ (1922, 184-194:

http://www.phoenixmasonry.org/women_in_freemasonry.htm

 

 

Eugen Lennhoff, Oskar Posner: Internationales Freimaurer-Lexikon. 1732, Sp. 1540-1541:

 

Swift, Jonathan,

irischer politisch-satirischer Schriftsteller. * 1667, † 1745. Dekan der St. Patrick's Kathedrale in Dublin, verfaßte "Gullivers Reisen" u. a., schrieb eine Travestie der zu seiner Zeit in Umlauf befindlichen (unechten) Rituale der Freimaurerei, die dieser Abbruch tun sollten, unter dem Titel: "A Letter from the grand Mistress of the Female Free-Masons to Mr. Harding, the Printer", von Thalestris (d. i. Jonathan Swift), Dublin gegen 1731, wie Hunt meint, bereits 1724. Wurde 1760 in seinen gesammelten Schriften auch ins Deutsche übersetzt.

Man nimmt an, daß "Mr. John Swift", der 1730 einer Loge am Londoner Haymarket angehörte, der Schriftsteller gewesen sei.

 

 

Das Jonathan Swift Archive schreibt:

This piece, perhaps not by Swift, has a curious history. It was first printed by John Harding, the printer of the Drapier’s Letters, as a letter addressed to him, in 1724. It was then reprinted in the Hawkesworth Works as addressed to Faulkner, and Faulkner himself reprinted it in this way in this edition of 1762. The text is modernized, as texts that have been through Hawkesworth are; Davis says there are careless omissions.

 

 

Katumi Hashinuma von der Hitotsubashi University schreibt in seiner Arbeit über „Jonathan Swift and Freemasonry“, 1997:

„The Letter was probably written as a comical answer to The Grand Mystery of the Free Masons Discover‘d, an anonymous pamphlet published 1724 in London.

 

… The ostensibly learned but comical approach of the author of the Letter amounts to a parody of Freemasons' zeal and seriousness in their endeavours concerning the historical derivation of their society. The use of exaggeration, distortion and random association in the pseudo-history of Freemasonry in the Letter is characteristic of Swift's satirical methods …

 

… Is it further evidence, though circumstancial, of Swift's authorship of the Letter that the bee is one of his favourite images as in the famous episode of the spider and the bee in the Battle of the Books? The mention of "Drapier" in the "Postscript" to the Letter may not necessarily indicate that Swift wrote the piece but parallels between the Letter and other works of his own seem clear enough to show that he did.

 

Swift's ambiguous attitude to Freemasonry must have been a problem to Sir Walter Scott. Scott, as editor of Swift's works [19 Bände, 1824], included for the first time the Tripos in his edition but omitted the Letter presumably because he was himself a Freemason …

The Letter has since been restored to Swift's canon but in the awkward place of an appendix to the current standard edition without any commentary by the editors.“

 

http://hermes-ir.lib.hit-u.ac.jp/rs/bitstream/10086/13309/1/HJart0380100130.pdf

 

 

Christina L. Voss widmet in ihrer umfangreichen Dissertation an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz „The Universal Language of Freemasonry“ (2003) ein Kapitel dem Thema „The Bee-Hive“, 220-222:

http://archimed.uni-mainz.de/pub/2003/0093/diss.pdf

http://cola.siu.edu/english/faculty-staff/faculty/voss.php

 

 

Umfassend über „The Beehive and Freemasonry“, Geo. W. Bullamore (1923)

http://freemasonry.bcy.ca/aqc/beehive.html

 

 

 

II. Der Text

Aus:

Jonathan Swift: Satyrische und ernsthafte Schriften.

Vierter Band. Hamburg und Leipzig, 1760, 373-389

 

 

Übersetzer: Der Schweizer Theologe Heinrich Waser (1714-1777), Diakon in Winterthur. Er übersetzte 1756-1766 für den Zürcher Verlag „Orell, Geßner und Compagnie“ insgesamt acht Bände „Satyrische und ernsthafte Schriften von Dr. Jonathan Swift“.

 

[Eine andere Übersetzung – ohne das Lehrlingslied - in:

Swift’s und Arbuthnot’s vorzüglichste prosaische Schriften, satyrischen, humoristischen und andern Inhalts. Zweiter Band.

Leipzig, in der Weygandschen Buchhandlung, 1798, 3-20.]

 

 

 

 

Schreiben der Großmeisterin bey der Loge der Freymäurerinnen, an Herrn Georg Faulkner, Buchdrucker.

 

Nubem pro Junone

Ovid. Libr. 6, p. 107

 

 

Nachdem es in unserer Stadt Mode geworden, daß wer etwas an die ganze Welt zu schrieben hat, sich an euch adreßiert, so haben auch wir, die Gesellschaft der Freymäurerinnen [our society of Female Free Masons], euch zu unserm Buchdrucker gewehlet, und so ohne Vorrede, Kunst und Zierrath (denn dergleichen bedarf die Wahrheit und ein kurzes Blat nicht) und so sage ich, besitzt unsere weibliche Loge das ganze Geheimnis so gut als irgend eine in Europa, und wir können es auch schreiben, und was euch noch selzamer vorkommen mag, so können wir es, und werden dabey doch im geringsten nicht meineidig.

 

Nun wird zwar, ich weiß es gewiß, jeder Leser, der ein Freymäurer ist, lachen und böse thun, allein das mag er immer. Unser Geschlecht war diesen Streich dem eurigen schon lange schuldig. Ihr wolltet die Königin Elisabeth und selbst Semiramis die Königin zu Babylon nicht zu Freymäurerinnen annehmen, obschon sie beyde (ohne Zweydeutigkeit) männlichen Fleisches genug hatten.

 

Aber endlich werdet ihr doch gestehen müssen, daß wir das Geheimniß wissen, und so kamen wir folgender Gestalt dazu:

 

Ein gewisser Herr, und grosser Freund von uns allen, der uns unterrichtet, und in eine Loge formieret hat, und welchen wird deswegen unsern Vormund nennen, kam unlängst in eine Freymäurer-Loge zu Omagh in der Provinz Ulster: Sie lagen ihm sehr an, in ihre Gesellschaft zu treten, und beredeten ihn endlich dazu. Da er den Eid auf das alte Testament schwören sollte, hatten sie keines; die Bibel ihres Gastgebers [the innkeeper’s Bible], der das alte und neue Testament in einem Bande zusammen hatte, wollte es nicht thun. Denn da der Freymäurer-Eid viel älter ist als das neue Testament, nemlich von Erbauung des Tempels Salomon an; (bis auf welche Zeit er bloß in einer Protestation bestand, die mit Fluchen und Verwünschungen [with curses und excreations] wol ausgespiket war) so lässt man die Freymäurer stets auf das alte Testament allein schwören: Sie wollten dem Mann die Bibel abkaufen: Allein, da er merket, daß sie das alte Testament von dem Neuen wegschneiden wollten, hält er sie sämtlich für ein Pak profaner Taugenichts [a pack of profane wretches], und weigert sich, ihnen seine Bibel zu überlassen: Und diese Gewohnheit, nur auf das alte Testament allein zu schwören, hat zu dem gemeinen Irrtum Anlaß gegeben, daß die Freymäurer das neue Testament verwerfen: Also schritten sie in Ansehung unsrs Vormunds zu denen übrigen Ceremonien, und verschoben den Eid bis auf den folgenden Morgen, nachdem sie hörten, daß einer von ihnen ein altes Testament nächst daheim in seinem Hause hätte.

 

Das war nun freylich ein ganz abscheuliches Versehen gegen die Gesetze der Freymäurerey; allein Punch und Spiel hatten den guten Herren den Kopf ein bisgen zu stark eingenommen [But the gentlemen were far gone in punch and whisky]. Kurz, unser Freund und itziger Vormund ward ein Freymäurer ohne Eid; und des folgenden Morgens war er schon bey drey Stunden weit weg, als die lustigen Freymäurer erwacheten, und nach ihrem alten Testament sendeten und was noch das schlimmste war, so hatten sie ihn auch selbst die Eidsformel gelehret, welche er des Morgens beschören sollte.

 

Nun, was die geheimen Worte und Zeichen der Freymäurer angeht, so ist zu bemerken, daß in dem Hebräischen Alphabete (wie unser Vormund uns gezeiget, da er es unsere Loge schreiben gelehret hat) vier Paar Buchstaben sind, da bey jedem Paar die Buchstaben einander so gleich sehen, als ob sie dieselben wären.

Beth nemlich und Caph, Gimel und Nun, Chet und Thau, Daleth und Resch, und von diesen hangen alle ihre Zeichen und Griffe ab.

 

Chet und Thau hatten die Figur zweyer aufrecht stehender Galgen [standing gallowses], jeder mit zwey Beinen. Wenn nun zween Freymäurer einander begegnen, so spricht der eine Chet, der andere antwortet Thau, und damit wollen sie sagen: Sie wollen sich eher henken lassen, als das Geheimniß [secret] entdeken.

 

Ferner: Beth und Caph, gleichen einem Galgen der umgekehrt auf einer Seite lieget, und enthält wenn sie sich selbiger auf vorgedachte Weise bedienen, das fromme Stoßgebettlein: Dass alle die, welche das Geheimnis entdeken, so lange am Galgen hangen mögen, bis er zu Boden fällt. Dieses ist ihr Hauptgeheimniß, und heißt insgemein das grosse Wort [great word].

 

Daleth und Resch, stellen zween Schnabelgalgen oder einen Galgen vor, der von oben mitten enzwey geschnitten ist; wodurch sie wenn sie diese Buchstaben sprechen, zu verstehen geben, sie wollten lieber halb gehangen werden als ein Wort oder Zeichen [either word or signal] vor jemand anders als einem Bruder vorbringen, das verstanden werden könnte.

 

Spricht einer Gimel so antwortet der andere Nun. Denn sezt der erste beydes zusammen, und sagt dreymal nacheinander, Gimel-Nun, Gimel-Nun, Gimel-Nun, welches die Meinung hat, daß ein gleiches Interesse, gleiche Geheimnisse, und eine gleiche Liebe sie unter einander verbinde. Die Aussprache dieses lezten Worts hat mit Verlauf der Zeit, von Gimel-Nun in Gimel-um, hernach in Giblun, und zuweilen in Giblin abgeartet, und weil die Bedeutung dieses Worts einst durch einen Zufall entdeket worden, so geben die heutigen Freymäurer nun vor, es sey weiter nichts als ein Schimpfname [a mock-word].

 

Ein anderes ihrer Wörter, ist von den Ungelehrten in der Aussprache gestümmelt worden, und dieses ist der Buchstabe Lamed [Lamech], womit sie einander schweigen heissen„ denn wenn ein Bruder in der Loge es sprach, so war es so viel als die übrigen sollten sich in Acht nehmen, es wären Leute zugegen die sie behorchten. Dieses wird nun verderbt ausgesprochen, Lan; allein die Freymäurer sagen, daß dieses ebenfalls, und um der gleichen Ursach willen, ein Schimpfwort sery, wie Giblin: Dies Spiel [this play] mit dem Hebräischen Alphabet heißt von Alters her das Manaboleth.

 

Wenn ein Bruder den Andern nach Freymäurerart einher gehen heißt, so muß dieser vier Schritte rükwerts [backwards] gehen, vier in Absicht auf die vorgedachten vier Paar Buchstaben; und rükwerts, weil das Hebräische rükwerts gelesen und geschrieben wird.

 

Was ihre geheimnisreichen Griffe [mysterious grips] angeht, so verhält sichs damit folgender Gestalt: Wenn sie in Gesellschaft sind, da sie die obgedachten Worte nicht sicher sprechen können, so nehmen sie einander die Hände, einer machte die Figur eines Buchstabens, von dem Manaboleth mit seinem Finger an des andern Hand, und dieser antwortet auf gleiche Art wie beym Sprechen.

 

Es verdienet bemerket zu werden, daß vor einiger Zeit eine gewisse Loge in der Stadt, ein ganzes Blat [a sheet full of mock-masonry] voll falsche Namen und Zeichen herausgegeben, nur um die Leute irre zu machen, und für Narren zu halten. Als Mada, oder Adam rükwärts geschrieben, Boas, Nimrod, Jakins, Pectoral, Guttural etc. und dabey nicht ein einziges von den wahren Wörtern, wie aus dem was bisher von dem Manaboleth gesagt worden, zu ersehen ist.

 

Nachdem Jacob der Sechste König in England worden, gab er der Freymäurerey wovon er Großmeister war, wieder das Leben: Vorhin ward sie von der Königin Elisabeth, beydes in Schottland und England gänzlich unterdrükt, weil sie nicht hinter das Geheimniß kommen konnte. Alle vornehmen Leute liessen sich also dem Exempel des Königs zufolge, in die Gesellschaft aufnehmen: Sie machten aber eine Art Engländisches Manaboleth, wodurch sie das alte und ächte nachahmen:

Als z. Ex. I. O. U. H. a gold key, das ist I owe-you each a gold key: Ich habe einem jedem von euch einen güldenen Schlüssel zu danken:

H. CCCC. his ruin. D. i. Each foresees his Ruin. Jeder siehet seinen Ruin vor.

I. C. U. B. YY. for me. d. i. I see you bee too wise for me. Ich sehe, ihr seyt mir zu verständig;

Und dergleichen närrisches Zeug noch eine Menge, das seinen Grund meistens in der Zweydeutigkeit [a silly pun] des Wortes Be oder Bee hat. Denn es ist zu wissen, dass die Biene zu allen Zeiten, und bey allen Nationen, das Hieroglyphische Zeichen der Freymäurerey [the grand hierglyphic of masonry] gewesen, weil dieses Thierchen seine Wohnung oder Zelle, unter allen lebendigen Creaturen am geschiktesten und bequemsten zurichten, wie nebst vielen andern der berühmte Herr Gregorius [Dr. McGregor], diesmaliger Professor der Mathematik zu Cambridge, nach dem Bericht unsers Vormunds vortreflich demonstrirt hat:

 

Ja es scheinet, daß die Mäurerey oder Baukunst [masonry or buidling], selbst zum Wesen und zur Natur der Bienen gehöre, denn ihre besondere von allen lebendigen Geschöpfen unterschiedene Bauart ist die zeugende Ursache ihrer jungen; (vorausgesetzt nemlich, daß die Bienen weder männlichen noch weiblichen Geschlechts sind.)

 

Und daher ist es auch, daß die Könige von Frankreich, so wol heidnische als christliche, welche stets berühmte Freymäurer waren, in ihren Waapen drey Bienen geführet. Clodoväus [Clodovaeus] aber, der erste christliche König dieser Nation, hat sie, damit man ihn nicht der Egyptischen Abgötterey beschuldigen möchte, als ob er eine Biene anbetete, angefangen Lilien oder Fleurs de Lys [flower-de-luces] zu nennen, wobey die kleine Veränderung. welche man in der Figur derselben gemachet, nicht hintert, daß man nicht dennoch eine vollkommene Biene daran erkennen sollte. Und ihr werdet vielleicht wol gelesen haben. wie man einige Jahrhunderte nach Christi Geburt, im Sarge eines alten heidnischen, Französischen Königs, nahe bey Brüssel, eine Menge göldener Bienen gefunden hat, welche er sich mit in den Sarg geben ließ, zum Zeichen daß er ein Freymäurer gewesen wäre.

 

Die Egypter, stets berühmte alte Freymäurer, thaten der Biene göttliche Ehre an, unter der Gestalt eines Ochsen [bull], damit sie so das Geheimniß desto besser verbergen möchten. Dieser Ochs hies bey ihnen Apis und dieses ist eben das, womit die Lateiner eine Biene andeuten: Das Räthsel aber, die Biene unter der Gestalt eines Ochsens vorzustellen, beruhet darauf, daß nach der Lehre der pythagorischen Freymäurer-Loge die Seelen des ganzen Ochsengeschlechtes in die Bienen, und von ihnen in die Freymäurer fahren [the souls of all the cow-kind transmigrate into bees], gleich jenes ein gewisser Virgil, (s. Virg. Georg. Lib. IV. gegen das Ende) ein Poet, der bey dem Kayser Augustus, wegen seiner vortreflichen Einsicht in die Freymäurerey in grossen Gnaden stand, nach unsers Vormunds [Mr. Dryden] Uebersezung also beschreibt:

 

Keine Säumnis, geschwinde vollstrekt er der Mutter Befehle,

Kömmt zum Tempel, erbaut die angewiesnen Altäre,

Bringt vier Stiere, die schönsten der Heerde, von mächtigem Ansehn,

und vier Rinder, mit glänzenden Naken, vom Joch unberühret,

Als izt die neunte Aurora die Höhen des Aufgangs beglänzte,

Bracht er das Todten-Opfer, und kehrt zum Hayne zurüke.

Aber da wurden sie unversehens ein ganz unerhörtes

Wunder gewahr, aus der Rinder zerschmolzenen Eingeweiden

Summende Bienen, die schwärmten gedrängt aus den berstenden Bäuchen

Zwischen den Ribben heraus, mit siedendem lauten Gesause. etc.

 

Was die heutigen Freymäurer eine Loge nennen, das heissen die Alten um vorgedachter Ursachen willen einen Bienenkorb. [a Hive of Free Masons] und um eben der Gründe willen, ein einer Loge ein Streit entsteht, und ein Theil der Freymäurer geht weg, und formiert eine neue Loge, so sagt man noch bis auf den heutigen Tag, die Freymäurer schwärmen [swarming].

 

 

Unser Vormund ist der Meinung, daß die heutige Freymäurerey ihren Glanz durch die Unwissenheit der arbeitenden, und anderer ungelehrten Mäurer so sehr verloren habe, daß der Tadel des chinesischen Brachmanns [the venerable Chinese brachman], dessen Historie von dem Ursprung, Fortgang und Verfall der Freymäurerey neulich aus dem Chinesischen in eine gewisse Europäische Sprache übersetzet worden, ihrer sehr viele, und selbst ganze Logen treffe.

Dieser chinesische Weise sagt nemlich:

Der gröste Theil der heutigen Freymäurer urtheilet von den Geheimnissen und dem Nuzen dieser heil. Kunst gerade wie ein ganz Ungelehrter von einem vortreflichen Buche urtheile, worinn er, wenn er es aufmachet, keine andere Schönheiten entdeket, als die regulare Uniformität, in jedem Blatt, die genaue Gleichheit der Zeilen in Ansehung ihrer Länge und ihres Abstandes von einander, die Schwärze der Dinte und Weisse des Papiers, oder wie der berühmte Brittische Freymäurer Merlin von den Sternen sagt, wenn Kinder sie beschauen etc.

 

Allein ich will den Leser mit weiterer Ausschreibung dieser Stelle nicht aufhalten, weil Merlins und des Mönchen Bacons Schriften von der Freymäurerey bald in das heutige Englische werden übersetzt, und von unserm Buchdruker Faulkner herausgegeben werden, dafern er genug Subscriptionen bekömmt: Eben wie auch ein Schlüssel zu des berühmten Raymund Lullius Werke, ohne dessen Hülfe unser Vormund es für unmöglich hält, die Quintessenz der Freymäurerey heraus zu kriegen.

 

Allein es werden vielleicht einige fragen; wie kam wol euer ungeschworne Vormund zu einer so genauen und seltenen Erkenntniß [this refined and uncommon knowldege] dieser grossen Kunst? Worauf ich antworte, daß

 

Der Stamme [the branch] der Loge von Solomons Tempel, nachher St. Johanns Loge zu Jerusalem genannt. auf welche unser Vormund eben zu gutem Glüke traf, wie ich unschwer erweisen kann, die allerälteste und reineste ist, die izo in der ganzen Welt mag gefunden werden. Von ihr kam die berühmte alte Schottländische Loge zu Killwinin [Kilwinning], wo alle Könige von Schottland von Zeit zu Zeit in ununterbrochener Reihe Großmeister waren, und das von den Zeiten des Königs Fergus an, der vor mehr als 2000 Jahren regiert, lange zuvor ehe die St. Johannes Ritter von Jerusalem, oder die Ritter zu Maltha entstanden waren; wiewol ich dennoch diesen beyden Logen die Gerechtigkeit muß wiederfahren lassen, daß sie die alte jüdische und heidnische Freymäurerey mit vielen religiosen und christlichen Regeln und Anordnungen ausgezieret haben.

 

Fergus der älteste Sohn des Königs in Irrland ward in allen Künsten und Wissenschaften sorgfältig unterrichtet. vornemlich aber in der natürlichen Magie und in der Cabbalistischen Philosophie, welche man nachwerts die Rosencreuzer-Philosophie nennte, worinn er die heidnischen Druiden in Irrland, und auf der Insel Mona zu Lehrmeistern hatte; welche die einzigen wahren Cabbalistischen Philosophen waren, die damals in denen Abendländern exisiterten. Denn sie hatten ihre Philosophie unmittelbar von den Phöniziern, Chaldäern und Egyptern, welches ich klar erweisen kan, obschon ich nur von dem schwächern Geschlechte bin.

Die Egypter hatten sie wahrscheinlich unmitelbar von Abraham, als wovon uns die Schrift in dem Leben dieses Patriarchen klare Spuren giebt: und die Gelehrten sind, wie ich höre, einmüthig, daß so wol die geheime als auch die moralische Philosophie der Heiden insgesamt, aus der Cabbalistischen Schule der Patriarchen, und nachher der Talmudisten und anderer Rabbinen starke Zusäze bekommen habe [besprinkled and enriched], wiewol sie dennoch von der damals herrschenden Abgötterey [idolatry] sehr verderbt ward.

 

Fergus nun baute, noch ehe er die Pikten in Schottland bekrieget., das berühmte Gebäude, welches nach heut zu Tage nach seinem Namen Carik Fergus [Carrik Fergus] heißt, das mysterioseste Architekturstük auf dem ganzen Erdboden, selbst die Pyramiden der Egyptischen Mäurer und ihre Hieroglyphen oder Freymäurerzeichen nicht ausgenommen, wie jeder geschickte Bruder, der es nach der Regel der Kunst untersuchet, leicht gestehen wird. Er baute es aber zu einer Loge für sein Freymäurer-Collegium welche man damals Druiden nennete; welches Wort, wie unser Vormund versichert, in der griechischen Sprache eine Eiche bedeutet, und so hiessen sie Druiden, weil das Eichenholz eines der besten ist, Gebäude daraus zu verfertigen, in welcher Kunst (vornemlich was die See-Architektur betrift [especially the marine architecture]) die Druiden die einzigen Meister waren, obschon der Name Freymäurer dessen man sich heut zu Tag bedienet, nicht mehr in sich schließt, als einen der in Stein arbeitet.

 

In der That irrig genug; und zum wenigsten weit unter der alten Benennung Druide, angesehen die See-Architektur das nützlichste Theil der geheiligten Kunst dem Wort Druide oder Werkmeister in Eichenholz [worker in oak], ganz natürlich und genau entspricht, und mit Steinen von keinerley Art gar nichts zu thun hat, bis Jason sich des Magnets [load-stone] bedienete, da er das güldene Fließ aufsuchete, wie es in der aenigmatischen Sprache der Freymäurery, oder eigentlich zu sagen, der Cabbala heißt, wie zu denselbigen Zeiten die Freymäurery genannt ward. Damals, und noch lange hernach, ward der Nuzen dieses Steins so geheim gehalten, als immer eines von den übrigen Geheimnissen der Kunst, bis endlich alle grosse Loges einmüthig zugaben, daß man den Nuzen desselben zum allgemeinen Besten bekannt machen sollte:

 

Jasons künstlicher Frosch hatte die Magnet-Nadel im Maul, wo sie in ihrem von Eichenholz gemachten, und halb mit Wasser angefüllten Gehäuse einen freyen Schwung hatte, und daher sich stets gegen den Nordpol richtete. Welches zu der politischen Fabel Anlaß gab, dass Jasons Frosch ein kleiner Spiritus familiaris, oder See-Dämon [al little familiar, or sea demon] wäre, der die Schiffart beschüzte, eben wie jeder andere Schutzengel.

 

Denn nicht allein izt, sondern zu allen Zeiten hat man geglaubt, die Freymäurer geben sich mit Geistern oder Dämons ab [deal with spirits or demons], und daher ist es, daß sie in vielen Ländern für Zauberer oder Beschwörer[conjurers, or magicians] sind gehalten worden, wovon Merlin und der Mönch Bacon zum Exempel dienen können.

 

Ferner verdient vielleicht auch dieses bemerket zu werden, daß Jason eine von den zwo Orakel-redenden Eichen [one of the two sacred vocal oaks] in dem Walde zu Dodona nahm, und daraus den Schiffboden seines Argos (denn so hieß das Schif) verfertigte, indem er auf solche Weise die Architectur oder Maurerey und die Druidische Priesterschaft, oder die Wissenschaft Orakle zu erklären, geheimnisreich miteinander verband. Denn unser Vormund will, daß die heidnische Priesterschaft stets bey den Druiden oder Freymäurern gestanden, und daß sich immer ein etwelcher dunkler Schein von den Jüdischen Ceremonien (wiewol sehr verdorben) dabey gezeiget habe, daß die Heiden ihren Götzendienst vornemlich in Eichenwäldern gehabt: daß sie die Eiche stets für einen dem Jupiter geheiligten Baum angesehen; ein Begrif der von den Patriarchen begünstigt ward, und daher in Ansehung der Heiden einige Nachsicht verdient; denn wir sehen aus dem ersten Buch Mosis, daß Abraham unter den Eichen zu Mamre geopfert hat, und von Josua lesen wir, daß er einen großen Stein genommen, und denselben dem Herrn zu einem Altar unter einer Eiche aufgerichtet [to raise an altar for the LORD]; wobey er also die beyden großen Elemente der Freymaurerey [!], Stein und Eichen bildlich miteinander verband.

 

So sagt unser Vormund weiter, daß die Beschreibung welche Cäsar von den Druiden in Gallien giebet„ ein so genaues Portrait einer Freymäurer-Loge sey, als man immer eines machen könne.

 

Und was er von dem Manaboleth lehret, ist um so viel merkwürdiger, als es würklich wie ich glaube, Freymäurer giebt, die nichts davon wissen. Er sagt nemlich, die Cabbalistischen Philosophen hätten von Alters her, aus allen und jeden Buchstaben des hebräischen Alpbabethes hieroglyphische oder durch ihre Figur bedeutende Zeichen gemacht, weil sie diese Figuren durch eine unmittelbare Leitung Gottes selbst bekommen hätten [as being shaped and formed by the immediate directions of the Almighty], da hingegen alle andern Buchstaben bloß menschliche Erfindungen wären.

 

Zweitens: Daß das Manaboleth ein sehr genaues und ungezwungenes Verhältnis zu der Mäurerey und Architectur habe. Daher es denn komme, daß die Buchstaben des Hebräischen Alphabeths, und so auch des Syrischen, Chaldäischen und Irrländischen, welche von jenem abstammen. ihre Namen sämtlich von Zimmerholz her haben, einige wenige ausgenommen, die von Steinen benennet werden: Und ich denke, es ist offenbar, daß Holz und Stein [timber and stone] nicht weniger die Elemente der Mäurerey sind, als Buchstaben die Elemente der Bücher; welches denn zwischen der Architectur und der Gelehrsamkeit überhaupt Beziehungs genug ist, und ganz natürlich zeiget, warum die Druiden, welche ihren Namen ebenfalls von eine Baume her hatten, die Baukunst und die Gelehrsamkeit vereinigt unter sich allein besassen.

 

 

In der nächstfolgenden Woche soll der Freymäurer-Eid mit Anmerkungen eines jungen Geistlichen herauskommen, den wir zum Kappellan unserer Loge bestellet haben; dieselbige ist in Herrn Prates Frauenzimmer-Caffeehause [Mrs. Prater’s female coffee-house], wo wir alle Dienstag Morgens von neun bis zwölf Uhr, und ferner den 10ten eines jeden Monats Versammlung halten, auch alle gutmüthigen Damen, wenn sie dabey von gesunder Moral sind, ohne einen Eid annehmen werden.

 

Es mag nicht undienlich seyn, daß ich hier noch das Lied anfüge, welches die Freymäurer in ihren Versammlungen abzusingen pflegen, obschon es bey nahe nicht viel wichtiger ist als ihre übrigen Geheimnisse. Ein gewisser Anderson ist, nach dem Bericht unsers Vormunds der Verfasser desselben, und es kann füglich die Stelle einer guten Glosse über das ganze Geheimnis vertreten [a good gloss on the mystery], wie der Leser aus seinem Innhalt sehen wird.

 

[Im Englischen handelt es sich um den originalen „Enter’d ’Prentices Song“ aus der ersten Ausgabe der Andersonschen „Constitutions“ von 1723.]

 

Lied.

 

Auf, rüstet euch, Brüder,

Zur Freude versammelt

Beim festlichen Schmause der Mäurer;

Trinkt, lachet und singet;

Lust zieht uns zum Weine:

Hoch! Vivat der neue Freymäurer!

 

Die Welt seufzt und dürstet

Nach unserm Geheimniß:

Doch laßt sie stets wundern und schnappen:

Sie kanns nicht errathen,

Das Wort oder Zeichen

Des neuangenommnen Freymäurers.

 

Der sagt dis, der jenes:

Er träumets und weiß nichts,

Nicht, warum des Vaterlands Helden

Das Schurzfell anziehen,

Und jeder sich machet

Zum neuangenommnen Freymäurer.

 

Lord, Fürsten und Prinzen,

Ziehn an, für den Degen,

Voll Anstand, des Schurzfells Geheimniß.

Sie schämen sich nimmer

Des stattlichen Nammens,

Der neuangenommnen Freymäurer.

 

Des Alterthums Ehre

Und Ansehn ist unser!

Das macht im Beruf uns recht hurtig:

Sucht alles was gut ist,

Nichts anders, und findets

Im neuangenommnen Freymäurer.

 

Drum drükt euch die Hände,

Steht fest für einander;

Seyt frölich, erheitert das Antliz:

Welch Sterblicher rühmt sich

Erhabnerer Freuden,

Ans neuangenommne Freymäurer.

 

[In der Übersetzung von 1798 ist nur eine einzige Strophe wiedergegeben, offenbar von einer andern Quelle, z. B. aus „Vierzig Freymäurerlieder“, 1782, 14-15, „Freymaurer-Lieder, zum Gebrauch für die Mitglieder der gerechten und gesetzmäßigen Loge Charlotte zu den drey Sternen“, 1786, 17, oder aus der „Sammlung auserlesener Freymaurer-Lieder“, 1790, 43.

Der Wiener Jakobiner Franz Hebenstreit hat es bekannt gemacht:

 

Die Zeiten, Brüder sind nicht mehr,

Wo Treu und Glaube galten,

Jetzt sind die Worte glatt und leer

So machten’s nicht die Alten

Wie mancher schwört jetzt Stein und Bein

Und nie stimmt seine That mit ein

Wir wollen …]

 

 

N. S. Herr Faulkner, unsre gesammte Loge ersuchet sie, ihren sinnreichen Tuchhändler [Draper], dessen geschikten Feder wir nicht weniger als die ganze übrige Nation verpflichtet sind, unserer aufrichtigen Hochachtung zu versichern. Und dafern er nicht bereits schon ein Freymäurer ist, so sollte uns lieb seyn, wenn er unser zweiter Vormund werden wollte.

 

Dero

Ergebene Dienerin

Thalestris.

 

Netsre ned Nilbud

Stugua [Tsugua].

 


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