Der Zweck der Freimaurerei
Anhang zum Constitutionen-Buch Der Frey-Maurer Worin Eine Sammlung Verschiedener Zum Vortheil dieser Ehrwürdigen Gesellschafft Ans Licht gekommenen merckwürdigen Schutz-Schrifften, Reden Und anderer Vertheidigungen, enthalten. Franckfurt am Mayn, In der Andreaeischen Buchhandlung 1743, erneut 1762 Seiten 68-70
Identischer Text, in leicht veränderter Wortwahl, auch in: Schutz-Schrifft für dem Orden der Frey-Mäurer, Durch den Herrn N***, Mitglied des Ordens. Aus dem Französischen ins Deutsche übersetzet, und mit einem Send-Schreiben eines Frey- Mäurers der Einigkeits Loge zu Franckfurt am Mayn, das Geheimnis der Frey-Mäurer Gesellschafft betreffend, begleitet. Halberstadt, bei Christian Friderich Schopp 1743, 73-78.
siehe auch: Der sich selbst vertheidigende Freymäurer. Leipzig 1744, 115-119. http://digitale.bibliothek.uni-halle.de/vd18/content/pageview/1677477 http://vd18.de/de-ulbsa-vd18/content/pageview/6880924
siehe auch, mitunter wörtlich, aber gekürzt in: Der neu-aufgesteckte Brennende Leuchter des Freymäurer-Ordens, 1746, 257-261.
die französische Ausgabe: Apologie Pour l’Ordre des Francs-Maçons, 1742, 110-117. http://digitale.bibliothek.uni-halle.de/vd18/content/pageview/1676985
Antwort Auf die Frage: Was der Zweck des Ordens seyn möge, weil er doch einen Zweck haben muß?
Ich halte das „Publicum“ für berechtiget, diese Frage an uns zu thun, und uns verpflichtet, wo anders einige Vortheile mit der Aufnehmung in diesen Orden verbunden sind, solche nicht zu verheelen. Ich zehle also acht der vornehmsten:
I. Der Orden vereiniget unter einem Trieb des Friedens und der Brüderschaft alle seine Glieder, von was für einer Parthey sie immer seyn, und in was für einer Gemeine sie erzogen seyn mögen; also daß ein jeder seiner eigenen Gemeine getreu und zugerhan bleibet, deswegen aber diejenigen Brüder, welche durch eine andere Erklärung der Glaubens-Puncte und einen andern Gottesdienst von ihm unterschieden sind, eben so inbrünstig liebet, und in seiner Gemeine einerley Hoffnung und Zuversicht auf das ewige Opfer eines Gottes, der für sie sterben wollen, beybehält.
Diese Vereingung ist um so viel mehr zu bewundern, weil sie unmöglich scheinen würde, wofern eine in dem Orden jederzeit erhaltene Erfahrung nicht bewiese, daß sie würcklich vorhanden sey: Eine Vereinigung des Hertzens, welche von den weisesten und frömmsten Personen, bey Ermangelung der Glaubens-Einigkeit, stets gewünschet worden.
II. Der Orden machet aus Grossen und Kleinen lauter Brüder: er bringet selbige einander nahe, ohne ihre Güter und Rang zu vermischen: Worin er die Klippe zu vermeiden gewust, woran einige Christen der letztern Zeiten gerathen, welche eine Gemeinschafft der Güter unter allen Menschen, oder wenigstens unter den Anhängern ihrer Lehre, zu errichten gesuchet: welches durchaus nicht möglich ist, wenn ihre Gesellschafft zahlreich werden solte. Allhier lasset sich der Grosse dergestalt herunter, daß er des Kleinen Bruder wird und ihn öffentlich mit diesem Titul beehret, daß er ihm hilfft und ihn in allen billigen und mit den Regeln der Liebe einstimmigen Fällen unterstützet. Wenn aber der Grosse sich dergestalt bis zu dem Geringsten erniedriget, so lernet dieser gar bald, niemahls hochmüthig zu werden, noch einer ihm so rühmlichen Brüderschafft, und welche ihn wegen der Mittelmäßigkeit seines Standes aufrichten kan, zu misbrauchen, noch dasjenige aus der Acht zu lassen, was er dem schuldig ist, der ihn an Stande, Gebuhrt und Mitteln, übertrifft. Er beweiset in billigen und vernünfftigen Diensten, so der Grosse von ihm begehret, so viel mehr Eifer und Treue, weil er weiß, daß er für einen Bruder, und für einen erkänntlichen Bruder, sich bemühet. Endlich sind Grosse und Kleine allesamt unter einander verbunden, jeder nach seinen Umständen, zu dem gemeinen Besten das Ihrige beizutragen; Und was noch mehr ist, so siehet man gar selten diese Pflicht hindangesetzet.
III. Alle diejenigen berühmten Orden, welche von grossen Prinzen errichtet worden, gehören nur für den hohen Stand, und werden den kleinen nicht zu Theil: Gegenwärtiger Orden theilet sich den übrigen Menschen mit, und nimmt selbige ohne Unterscheid samt den erhabensten Personen auf.
IV. Ein jedes Mitglied des Ordens hat einen Zutritt bey allen Logen in der Welt. Dieses ist ein Vortheil, der in Ermangelung besonderer Anempfehlung, demjenigen, der dessen geniesset, ein leichtes Mittel an die Hand giebt, mit einer grossen Anzahl rechtschaffener Leute in Bekanntschafft zu kommen, und im Fall eines unversehenen Unglücks, als der Beraubung, Schiffbruchs oder dergleichen, unter seinen Brüdern Hülffe zu finden, bis er Zeit hat sich wieder zu erholen, und durch seine eigene Gaben die Mittel zum Unterhalt zu erlangen; oder, wenn er ein Fremder ist und in seinem Vaterlande Hülffs-Mittel hat, von da das nöthige zu Erreichung der Absichten, welche ihn zu der Reise bewogen, herbey zu schaffen,
V. Das Vergnügen, die Brüder zu erkennen, ob man gleich in fremdem Lande und an einem Ort ist, dessen Sprache man nicht verstehet, und ohne solche jemahls vorher gesehen zu haben; Und zwar durch eine Sprache und Zeichen, so durchgehends im Orden gebräuchlich sind. Welche Sprache und Zeichen zugleich dienen, einen Bruder von einem andern Menschen, der sich etwa dieses Tituls fälschlich anmassen wolte, zu unterscheiden.
VI. Die Bequemlichkeit, in sehr kurtzer Zeit die Zeichen und Ausdrückungen, welche diese Art von allgemeiner Sprache ausmachen, zu erlernen. Welches, in Ermangelung der Sprache eines Landes, ein hinlängliches Mittel ist, sich an jedem Ort in der Welt, wo man Brüder des Ordens antrifft, zu verstehen und zu erkennen zu geben.
VII, Ein anderer noch weiter gehender Vortheil ist dieser, daß, da sich die Einigkeit und Brüderschafft gewisser Massen nur auf die Brüder des Ordens erstrecket, selbige zugleich ihre Verrichtung seyn lassen, so viel in ihrem Vermögen stehet, allen andern Menschen Hülffe und Beystand zu leisten; und zwar ohne auf die Religion oder das Vaterland zu sehen, sondern bloß nach Beschaffenheit der Bedürffniß, worin sich Unglückseelige befinden.
VIII. Endlich sind ihre verbindlichste Articul diese:
1) Die Ausübung der Pflichten gegen Gott, nachdem solche einem jeden die Christliche Religion überhaupt, und insonderheit die Religion derjenigen Christlichen Gemeine, worin er erzogen worden, vorschreibet.
2) Eine unverbrüchliche Treue gegen den Landes-Herrn, es sey, daß man ein gebohrner oder erworbener Unterthan sey, oder, daß man in seinem Lande wohne, der öffentlichen Sicherheit geniesse und unter dem Schatten seines Schutzes lebe.
3) Die Liebe und Versorgung seiner eigenen Familie, und
4) Ein wohlthätiges Mitleiden, so jederzeit geneigt, sich zum Besten des Nächsten zu äussern, unter welchem Namen nach den Regeln des Christlichen Gesetzes alle Menschen, nicht einmahl die Feinde davon ausgenommen, begriffen sind.
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