Freimaurerei
Brockhaus Konversations-Lexikon, 14. Auflage, 7. Band, 1894, 271-275.
Freimaurerei (Masoney, Masonentum, auch Königliche Kunst genannt, frz. franc-maçonnerie; engl. free-masonry),
die Kunst ohne die Antriebe der Furcht und der Hoffnung gut und vollkommen zu werden und durch Lehre und Beispiel veredelnd auf die Menschheit einzuwirken.
[Bereits 1810 hat Karl Christian Friedrich Krause in seinen „Drei ältesten Kunsturkunden der Freimaurerbrüderschaft“ (Seite 106) die Maurerei u. a. definiert als „die Kunst, ohne Hülfe von Furcht und Hoffnung gut und vollkommen zu werden“; ausführlicher 1821, 2.1, 357-358, 398, 465.]
Die Menschheit in ihrer sittlichen Vollendung, befreit von allen sie trennenden Vorurteilen (der Geburt, des Standes, der Nationalität u. s. w.), geeint durch das Bewußtsein gemeinsamer Gotteskindschaft, wetteifernd im Dienste der Tugend und arbeitend am Baue allgemeiner Glückseligkeit, ist das Ideal, dem die Freimaurerei nachstrebt.
Ausgehend von dem Glauben an Gott den Schöpfer (allmächtigen Baumeister) der Welt und Vater aller Menschen, betrachten die Freimaurer sich als Brüder. Atheisten können daher als Freimaurer nicht aufgenommen werden. Diejenigen freimaurerischen Vereinigungen, die berechtigt sind, neue Mitglieder in den Freimaurerbund aufzunehmen, heißen Logen oder auch Johannislogen nach Johannes dem Täufer, dem Patron des Bundes.
In Deutschland giebt es gegenwärtig (1893) 388 Johannislogen mit 44 744 Brüdern. Außerdem bestehen noch zahlreiche Freimaurerkränzchen, die, ohne die Rechte der Logen zu haben, regelmäßige Zusammenkünfte zur Pflege freimaurerischer Zwecke abhalten.
Eine eigentliche Geheimlehre, d. h. Kenntnisse, die andern Kreisen verschlossen wären, hat die Freimaurerei nicht. Wenn sie gleichwohl ihre Mitglieder zur Verschwiegenheit gegen Ungeweihte verpflichtet, so bezieht sich diese Verpflichtung namentlich nur auf die Erkennungszeichen sowie auf die Rituale und Symbole, deren sie sich bei Mitteilung der Kunstlehre bedient. Da das Verständnis dieser Rituale und Symbole nur durch Übung erworben werden kann, wird der Neuaufgenommene nur stufenweise mit der freimaurerischen Kunstlehre bekannt gemacht; demgemäß finden sich in jeder Loge Lehrlinge, Gesellen und Meister. Hinsichtlich der Aufnahmefähigkeit wird übereinstimmend von allen deutschen Logen verlangt, daß der Aspirant ein freier Mann von gutem Rufe sei und an Gott und die Unsterblichkeit der Seele glaube. Die Mehrzahl der deutschen Logen (223 von 388) verlangt von dem Aspiranten außerdem, daß er sich zum Christentum bekenne, wogegen die übrigen 165 dem religiösen Bekenntnis einen Einfluß auf die Aufnahmefähigkeit nicht einräumen. Doch öffnen die Logen ohne Unterschied ihre Pforten jedem einer andern Loge angehörigen Bruder ohne Rücksicht auf dessen religiöses Bekenntnis.
An der Spitze der Loge steht der Logenmeister (auch Meister vom Stuhl genannt), ihm zur Seite stehen noch einige andere Beamte (ein abgeordneter [stellvertretender] Meister, zwei Aufseher, ein Schatzmeister, ein Sekretär, ein Ceremonienmeister [Schaffner] u. s. w.). Die Beamten werden jährlich von der Brüderschaft gewählt, bez. vom Logenmeister ernannt. Wichtige Angelegenheiten legt der Logenmeister dem Beamtenkollegium oder der gesamten Brüderschaft zur Beschlußfassung vor. Bei der Abstimmung über die Aufnahme neuer Mitglieder ist Stimmeneinheit erforderlich, im übrigen entscheidet einfache Stimmenmehrheit. Jedes Mitglied (mit Ausnahme jedoch der dienenden Brüder) ist stimmberechtigt. Etwaige Vergehungen von Mitgliedern werden im Wege des für alle Logen gleichartigen maurerischen Verfahrens geahndet. Zu dem Zwecke besteht bei jeder Loge ein Ehrenrat. Am Schluß jeder in regelmäßigen Perioden stattfindenden Instruktions- oder Arbeitsloge wird für die Armen gesammelt, ebenso am Schluß gemeinsamer Mahle (Brudermahle oder Tafellogen). Am Tage Johannes des Täufers (24. Juni) sowie am Geburtstage des Landesherrn finden Festlogen statt. Dem Andenken verstorbener Brüder wird jährlich eine Trauerloge gewidmet. Behufs einheitlicher Regelung gemeinsamer innerer und äußerer Angelegenheiten haben sich Logenverbände gebildet, deren Organ den Namen Großloge (auch wohl Mutterloge) führt. Die einem solchen Verbände angehörigen Logen führen in Beziehung auf die Großloge den Namen Bundes- oder Tochterloge, während sie sich gegenseitig als Schwesterlogen betrachten.
Doch giebt es auch Logen, die einem solchen Verbände nicht angehören, so in Deutschland fünf, nämlich zwei in Leipzig, je eine in Gera, Altenburg und Hildburghausen. Diese sind, namentlich zur Erlangung einer Vertretung im Großlogentage, zu einer «Freien Vereinigung der fünf unabhängigen Logen in Deutschland» zusammengetreten.
Großlogen giebt es in Deutschland acht, nämlich die «Große Nationalmutterloge zu den drei Weltkugeln» zu Berlin (mit 122 Tochterlogen und 13 473 Brüdern), die «Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland» zu Berlin (mit 101 Tochterlogen und 11 037 Brüdern), die Großloge «Royal York zur Freundschaft» zu Berlin (mit 66 Tochterlogen und 6 520 Brüdern), die «Große Loge von Hamburg» zu Hamburg (mit 25 deutschen und 7 außerdeutschen Tochterlogen und 3 024 Brüdern), die «Große Landesloge von Sachsen» in Dresden (mit 20 Tochterlogen und 3 659 Brüdern), die «Großloge zur Sonne» in Bayreuth (mit 23 deutschen und 3 außerdeutschen Tochterlogen und 2 300 Brüdern), die «Große Mutterloge des Eklektischen Bundes» zu Frankfurt a. M. (mit 15 Tochterlogen und 2 532 Brüdern) und die «Große Freimaurerloge zur Eintracht» in Darmstadt (mit 8 Tochterlogen und 796 Brüdern).
Die Großloge ist die maurerische Oberbehörde ihrer Tochterlogen. Sie vertritt dieselben dem Staat gegenüber und ist diesem für ihr Verhalten verantwortlich, da in den Staaten, in denen die Freimaurerei nicht verboten ist, die Logen dem Vereinsgesetze nicht unterstellt sind, ihre Versammlungen daher nicht polizeilich überwacht werden.
Jede Loge, welche sich ohne Genehmigung einer Großloge konstituiert, heißt Winkelloge; sie untersteht dem Vereinsgesetz, ihre Mitglieder werden in anerkannten Logen nicht zugelassen. Hinsichtlich der Gründung von Logen betrachten die deutschen Großlogen das Reichsgebiet als gemeinschaftlich, soweit nicht die Landesgesetze entgegenstehen.
Jede einzelne Großloge hat ihr besonderes Ritual. Oft weichen die Ritualien verschiedener Großlogen nicht bloß in der Form, sondern auch in der Lehre erheblich voneinander ab; man spricht deshalb auch von verschiedenen Lehrarten oder Systemen der Freimaurerei. So sind die Lehrarten der Großen Nationalmutterloge zu den drei Weltkugeln und der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland (beide zu Berlin) und der Großloge der Eintracht in Darmstadt wesentlich vom Geiste des Christentums getragen, weshalb auch Nichtchristen in die Tochterlogen dieser Lehrarten als Mitglieder nicht aufgenommen werden können.
Indessen betrachten alle deutschen Logen, auch die, welche Nichtchristen aufnehmen, die Heilige Schrift (nicht bloß das Alte Testament) als die reinste und reichste Quelle der Gotteserkenntnis. Doch halten sich alle Lehrarten frei von kirchlichem Dogmenzwange, indem nur die allen christl. Bekenntnissen gemeinsame reine Lehre Christi in Frage kommt. Da aber in dem Nahmen der drei Johannisgrade nicht ausreichend Raum für die Behandlung des reichen maurerischen Inhalts dieser Lehre ist, so haben die genannten beiden Berliner Großlogen noch weitere, über den Johannismeistergrad hinausgehende Grade (die Großloge zu den drei Weltkugeln 4 [Schottenloge und innerer Orient], die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland 6 [Andreasloge und Kapitel]). Auch die dritte Berliner Großloge, Royal York zur Freundschaft, welche die Aufnahme von Nichtchristen in die Johannisloge gestattet, hat noch einen über die Johannisgrade hinausreichenden, nur Brüdern christl. Bekenntnisses zugängigen Grad, den sie den innern Orient nennt. Die übrigen Großlogen arbeiten nur in den drei Johannisgraden, denen sich bei manchen Logen noch eine Art vierten Grades, der sog. Engbund, anschließt, der sich hauptsächlich mit der Geschichte der Freimaurerei beschäftigt.
Alle anerkannten Großlogen (nicht bloß die deutschen) bestellen beieinander Repräsentanten, derart, daß alle Korrespondenzen der Großlogen untereinander durch die Repräsentanten vermittelt werden. Die deutschen Großlogen treten außerdem seit 1871 jährlich zur Abhaltung eines Großlogentages behufs Beschlußfassung über freimaurerische Angelegenheiten von allgemeinem Interesse zusammen. Der Vorsitz wechselt unter den acht Großlogen. Versammlungsort ist der Sitz der den Vorsitz führenden Großloge. Die Beschlüsse des Großlogentages bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Stimmeneinhelligkeit aller Mitglieder. Gegenwärtig geht man mit dem Plane um, den Großlogentag zu einem Maurerparlament zu erweitern.
Geschichte.
Die Vorgeschichte der Freimaurerei ist noch nicht derartig aufgehellt, daß es möglich wäre, den Ursprung des Bundes mit Sicherheit anzugeben.
Die Ableitung ans dem Orden der Tempelherren ist nach den Forschungen Schottmüllers (s. unten Litteratur) als unhaltbar aufgegeben. Ebensowenig erscheint es gerechtfertigt, ihn von den Mysterien des Altertums abzuleiten, da deren letzte Spuren mit dem Ende des 2. Jahrh. n. Chr. erlöschen. Auch mit den Essenern und Therapeuten läßt sich trotz aller Ähnlichkeit nach Inhalt und Form ein geschichtlicher Zusammenhang nicht nachweisen. Kurz, alle Versuche, die Freimaurerei auf eine ältere Wurzel als die der mittelalterlichen deutschen Bauhütten (s. d.) zurückzuführen, sind resultatlos geblieben.
Veranlassung zu allen diesen Vermutungen hat die Thatsache gegeben, daß die Bauhütten der modernen Freimaurerei in ihren Riten und Symbolen eine lichtvolle Kunstlehre vererbten, die unmöglich das geistige Produkt der Handwerker sein konnte, auch die Ausbildung einer derartigen Kunstlehre der auf die Wahrnehmung der Zunftinteressen gerichteten Aufgabe der Bauhütten vollständig fremd zu sein schien. Erst neuere Forschungen, namentlich die Arbeiten von Katsch («Über die Vorgeschichte der Freimaurerei») und Keller (s. unten Litteratur, S. 275b), haben den hervorragenden Anteil dargethan, den die urchristl. Brüdergemeinden (Waldenser, Apostolische Brüder, Armen von Lyon, Begharden, Beghinen), die gegen die Inquisition Schutz in den ihnen geistig verwandten Bauhütten suchten, auf die Gestaltung des religiösen Lebens der Hüttenbrüderschaften ausgeübt haben. Diese nahmen viele der christl. Brüder als «Liebhaber des Handwerks» (angenommene Maurer) zu Mitgliedern auf, durch deren Einfluß sich die bereits vorhandene Tendenz des «geistigen Bauens» erheblich steigerte.
Die Thätigkeit der deutschen Bauleute blieb aber nicht auf Deutschland beschränkt; ganz Westeuropa, namentlich Holland, Belgien und England, weisen Denkmäler ihrer Thätigkeit auf, und überall, wohin sie kamen, richteten sie nach heimatlichem Brauche Bauhütten ein oder schlossen sich an bereits bestehende an. So wurden besonders in England die Bauhütten (auch Baulogen genannt), die Epigonen der röm. Baukollegien, von ihnen befruchtet. Die aus dem 15. Jahrh. stammenden engl. Steinmetzordnungen, die nur in unwesentlichen Punkten von den deutschen abwichen, beweisen dies deutlich. Besonders lebhaft wurde die Übersiedelung deutscher Bauleute nach London im letzten Drittel des 17. Jahrh. Zwar wurden die engl. Bauhütten von der Regierung stark angefeindet; nachdem aber durch die deutschen Brüder die Idee des geistigen Bauens in sie hineingetragen war, sieht man auch hier, wie in Deutschland, neben den Bauleuten noch Liebhaber des Handwerks (accepted masons) in den engl. Bauhütten verkehren, und 1695 tritt sogar der König Wilhelm III., wenn auch nur heimlich, dem Bunde bei.
Mit der Wende des Jahrhunderts gerieten jedoch die Londoner Logen in Verfall; ihre Zahl nahm von Jahr zu Jahr ab, und die fortbestehenden Logen hatten schließlich mehr angenommene Maurer als wirkliche Bauleute aufzuweisen. Deshalb vereinigten sich 1717 die vier in London noch vorhandenen Logen (Zur Gans und zum Roste, Zur Krone, Zum Apfelbaum, Zum Römer und zur Weintraube; so genannt nach den Gasthäusern, in denen ihre Versammlungen stattfanden) unter der Führung einiger dem Gelehrtenstande und dem hohen Adel angehörigen Brüder (darunter der presbyterianische Geistliche Anderson, der Altertumsforscher Payne, der Naturforscher Desaguliers und 13 Lords, Grafen und Baronets) zur Bildung einer Großloge, welche der Pflege des geistigen Bauens ausschließlich dienen sollte. Sie erwählten den ältesten unter den Vorsitzenden Meistern dieser vier Logen, Anton Sayer, zum Großmeister auf die Dauer eines Jahres. Er wurde am Johannistage 1717 eingeführt. Gleichzeitig beschlossen sie, die in England vorhandenen Logen zum Anschluß zu veranlassen, und beanspruchten für die neue Großloge das Recht, alle neu entstehenden Logen zu konstituieren. Gleichzeitig wurde Anderson beauftragt, unter Zugrundelegung der alten werkmaurerischen Konstitutionen ein den modifizierten Zwecken Rechnung tragendes, für alle Logen des neuen Bundes bindendes Konstitutionsbuch auszuarbeiten, dessen erste Ausgabe 1723 erschien.
Die darin enthaltenen allgemeinen Verordnungen sind größtenteils neu, und die sog. alten Pflichten (old charges) des Andersonschen Konstitutionsbuches sind eine Umarbeitung der old charges älterer Konstitutionen. Von Interesse sind die Bestimmungen über des Maurers Verhältnis zu Gott und Religion. Sie lauten: «Der Maurer ist verbunden, dem Sittengesetze zu gehorchen, und wenn er die Kunst recht versteht, wird er weder ein stumpfsinniger Gottleugner, noch ein irreligiöser Wüstling sein. Ob nun wohl die Maurer in alten Zeiten verpflichtet wurden, die Religion dieses Landes oder dieser Nation zu haben, welche es immer sein mochte, so wird es doch jetzt für ‚dienlicher' erachtet, sie allein zu der Religion zu verpflichten, worin alle Menschen übereinstimmen, ihre besondern Meinungen aber ihnen selbst zu überlassen; das ist, gute und treue Männer zu sein, oder Männer von Ehre und Rechtschaffenheit, durch was immer für Benennungen oder Überzeugungen sie unterschieden sein mögen. Hierdurch wird die Maurerei der Mittelpunkt der Vereinigung und das Mittel, treue Freundschaft unter Personen zu stiften, die in beständiger Entfernung voneinander hätten bleiben müssen.»
Die engl. Logen außerhalb Londons schlossen sich nur teilweise der neuen Großloge an, während einige andere, darunter die Großloge zu York, sich ablehnend verhielten und lange Zeit unabhängig fortbestanden. Später nannten sich diese zum Unterschied von den unter der Londoner Großloge arbeitenden Maurern, die sie als modern masons (moderne Maurer) bezeichneten, ancient masons (Maurer alter Art) und begründeten in der Folge eine eigene Großloge mit dem Sitze in York. Ihr Konstitutionsbuch, verfaßt von einem Irländer Lorenz Dermott, erschien 1756 (u. d. T. «Ahiman Rezon, or a help to a brother» u. s. w.) im Druck. Die ancient masons nehmen nur Christen auf und bearbeiten außer den drei Johannisgraden noch einen vierten Grad (royal arch), der später auch von den modern masons eingeführt wurde.
Die Yorker Großloge gewann in England selbst nur langsam an Boden, desto mehr aber im Auslande, namentlich in Amerika, und wenngleich sie mit der Londoner Großloge sich beständig befehdete, war sie doch von der Großloge von Schottland (gegründet 1736) sowie von der Großloge von Irland (1730) offiziell anerkannt. Den Bemühungen des Herzogs von Sussex (Großmeisters der modern masons) und seines Bruders, des Herzogs von Kent (Großmeisters der ancient masons), gelang es endlich 1813 eine Aussöhnung und Vereinigung der beiden engl. Großlogen herbeizuführen, sodaß seit dieser Zeit in England nur noch eine Großloge unter dem Namen «Vereinigte große Loge der alten engl. Freimaurer» besteht. Gegenwärtig bekleidet der Prinz von Wales die großmeisterliche Würde.
Die ungemein schnelle Ausbreitung, welche die Freimaurerei zu Anfang des 18. Jahrh. fand, hat ihre Erklärung sowohl in dem Umstande, daß der Vorgang der neuengl. Großloge überall großes Aufsehen und das allgemeinste Interesse erregte, als auch in der Leichtigkeit, mit der damals die Aufnahme zum Freimaurer erfolgen konnte. 1740 hatten sich bereits 115 Logen der engl. Großloge angeschlossen. Jetzt zählt die engl. Großloge 44 Provinzialgroßlogen in England, 25 Distriktsgroßlogen in den Kolonien und im Ausland, mit zusammen 1 985 Logen und etwa 300000 Brüdern. In London sind 374 Logen, in der Provinz 1 184, die übrigen 427 in den Kolonien und im Auslande.
Die große Loge von Schottland hat ihren Sitz zu Edinburgh, besitzt zur Zeit 37 Provinzialgroßlogen mit 525 Logen und etwa 65 000 Brüdern, wovon 138 Logen den Kolonien und dem Auslande angehören. Die Große Loge von Irland zu Dublin besitzt 18 Provinzialgroßlogen mit 365 Logen und 18 000 Brüdern, wovon 43 Logen in den Kolonien und im Auslande. Die Großlogen von Schottland und Irland stehen unter der Protektion des Prinzen von Wales.
Von England kam die Freimaurerei zuerst nach Frankreich. 1725 errichteten Engländer die erste Loge in Paris, und 1736 befanden sich dort bereits 4 (nach andern Angaben 6) Logen, wahrscheinlich sämtlich von Engländern gegründet. Diese 4 Logen begründeten 1736 unter Lord Harnouester als erstem Großmeister eine Großloge («Grande Loge de France»). Obgleich vom Staat angefeindet und vom Papst mit dem Bannfluche belegt, breitete sich die Freimaurerei in Frankreich schnell aus, aber sie geriet auch ebenso schnell in Verfall, wesentlich aus innern Gründen. 1767 wurde die Großloge von der Regierung geschlossen, indes schon 1772 bildete sich eine neue Großloge («La Grande Loge Nationale»), die später den Namen «Grand Orient de France» annahm und noch jetzt besteht. Daneben ist seit 1804 noch eine zweite maurerische Oberbehörde ins Leben gerufen, der «Suprême Conseil de France». In keinem Lande hat die Freimaurerei eine bewegtere Vergangenheit gehabt als in Frankreich. Bald nach ihrer Entstehung wurde sie der Schauplatz der bedauerlichsten Verirrungen, die mehr oder weniger die Maurerei in allen Ländern Europas nachteilig beeinflußte. Die Französische Revolution brachte sie dem Untergänge nahe, und das Erste Kaiserreich erhob sie zu hohem Glanze; von der Restauration befehdet und in ihrer Existenz bedroht, erblühte sie unter dem Zweiten Kaiserreiche von neuem. Freilich hat sie die Gnade der beiden Kaiser teuer erkaufen müssen, indem sie sich zu einem gefügigen Werkzeug ihrer Politik hergeben mußte; ja sie mußte es hinnehmen, daß Napoleon III. einen seiner Marschälle auf den großmeisterlichen Stuhl kommandierte, als man den mißliebig gewordenen frühern Großmeister Murat nach Ablauf seiner Amtsperiode nicht wiederwählte. Die franz. Großlogen nehmen nur Christen auf. Der Grand Orient de France arbeitet in 7, der Suprême Conseil in 33 Graden. Ersterer hat in Paris 56, im übrigen Frankreich 227, in Algerien und Tunis 11, in den Kolonien 8, im Auslande 22 Logen mit 18 000 Brüdern; letzterer in Paris 20, im übrigen Frankreich 34, in den Kolonien und im Auslande 16 Logen mit zusammen 3 800 Brüdern.
Nach Italien kam die Freimaurerei um 1730. Im Jahre 1735 waren schon Logen in Florenz, Livorno, Rom, Mailand, Venedig und Neapel. Doch gingen sie bald wieder ein, da sie von der Kirche fanatisch verfolgt wurden. Erst unter der franz. Regierung erblühte die Freimaurerei auf ital. Boden von neuem. Es entstand 1805 unter Prinz Eugen als ersten: Großmeister der «Großorient von Italien» zu Mailand, und 1809 konstituierte sich in Neapel eine zweite Großloge, deren erster Großmeister Murat war. Nach dem Sturze der franz. Herrschaft traten jedoch wieder Verfolgungen ein, sodaß die Freimaurerei fast gänzlich erlosch. Erst nach dem Kriege von 1859 nahm der Großorient von Italien seine Thätigkeit wieder auf; daneben entstanden noch zwei Großlogen zu Neapel und Palermo (Großmeister Garibaldi). Alle drei vereinigten sich später zu einer einzigen Großloge, die unter dem Namen «Großoriont von Italien» nach Rom verlegt wurde. Unter ihr arbeiten gegenwärtig 132 Logen, worunter 28 im Auslande.
In Spanien erließ König Philipp V. 1740 ein Edikt, das alle Freimaurer aus Spanien verbannte und den Eintritt in eine Loge mit Galeerenstrafe belegte. Obwohl Ferdinand II. 1751 dieses Edikt erneuerte und die Inquisition mit Folter und Kerker furchtbar gegen die Freimaurer wütete, bestanden hier im geheimen dennoch zahlreiche Logen, die nach dem Einmarsch der Franzosen (1807) plötzlich offen hervortraten. Unter franz. Schutze blühte die Freimaurerei hier schnell auf, und schon im Oktober 1809 etablierte sich in den Räumen des Inquisitionspalastes zu Madrid der «Grand Orient d’Espagne». Indessen rief Ferdinand VII. nach seinem Einzüge (1815) in Madrid die Inquisition zurück, ließ sämtliche Freimaurerlogen schließen und bedrohte den Beitritt zur Freimaurerei mit dem Tode. Obwohl derartige Todesurteile wiederholt vollstreckt wurden, gelang es doch nicht, die Freimaurerei gänzlich zu unterdrücken, die nach Vertreibung der Dynastie wieder ans Licht trat. Gegenwärtig sind in Spanien 700 Logen, die unter fünf verschiedenen Großlogen arbeiten. Die bedeutendsten maurerischen Großbehörden des Landes sind der «Große Orient von Spanien» zu Madrid mit 207 Logen und der «Nationale Große Orient von Spanien» zu Madrid mit 215 Logen.
Ähnlich gestalteten sich die Schicksale der Freimaurerei in Portugal. Frühzeitig (1727) dahin verpflanzt, gewann sie hier schnell Boden, wurde jedoch bald auf das grausamste unterdrückt. Erst seit 1834 hat die Verfolgung nachgelassen. Jetzt stehen etwa 70 Logen unter dem «Großorient von Lusitanien» in Lissabon.
In Griechenland hat die Freimaurerei erst seit 1867 Eingang gefunden. Unter dem 1872 gegründeten «Großorient von Griechenland» zu Athen arbeiten 6 griech. und 1 deutsche Loge. – Die in der Türkei befindlichen Logen arbeiten unter der Autorität ausländischer Großlogen.
Nach Österreich kam die Freimaurerei 1740, doch hat sie dort nie festen Fuß gefaßt, nachdem gegen dieselbe von der Kaiserin Maria Theresia 1764 ein Verbot für den Umfang der österr. Staaten erlassen worden war.
Dagegen ist sie in Ungarn seit 1868 wieder gestattet. Unter der 1886 gegründeten «Symbolischen Großloge von Ungarn» in Budapest arbeiten gegenwärtig 41 Logen mit etwa 2 000 Brüdern.
In der Schweiz besteht die 1844 gegründete Großloge «Alpina» zu Bern (der Sitz wechselt) mit 32 Logen. Außerdem giebt es noch je eine Großbehörde in Lausanne und Genf.
In Russland blühte die Freimaurerei bis Ende des 18. Jahrh. Katharina II. erließ jedoch ein Verbot gegen dieselbe, das das gänzliche Erlöschen der Freimaurerei in diesem Lande zur Folge hatte.
In Holland bestehen Freimaurerlogen seit dem vierten Jahrzehnt des 18. Jahrh. Maurerische Großbehörde für alle holländ. Logen ist seit 1756 der «Großorient des Königreichs der Niederlande» im .Haag, unter dem 51 Logen in Holland und 27 in den Kolonien mit etwa 3 900 Brüdern arbeiten.
Die Logen Belgiens haben unter fortwährendem Kampf gegen den kath. Klerus nur mühsam Fuß fassen können. Zwei Großlogen, der «Großorient» und der «Suprême Conseil», beide zu Brüssel, haben zusammen etwa 20 Logen unter sich.
In Skandinavien hielt die Freimaurerei etwa um 1735 ihren Einzug. Anfangs bei Todesstrafe verboten, bald daraus aber seitens des Thrones begünstigt, gelangte sie hier schnell zu hoher Blüte. 1754 gründeten die schwed. Logen die «Große Landesloge von Schweden» zu Stockholm, und 1763 übernahm der König Adolf Friedrich das Protektorat, der bereits 1753 in Stockholm eine Loge gegründet hatte. Gustav IV. erklärte nach seiner Thronbesteigung die schwed. Prinzen für immer für geborene Freimaurer. Karl XIII. machte 1811 durch die Stiftung eines für höchst beförderte Brüder bestimmten Ordens (Orden Karls XIII.), die schwedische Freimaurerei zu einem staatlichen Orden. Gegenwärtig ist König Oskar II. Ordensmeister, der Kronprinz Gustav Adolf Landesgroßmeister. Das schwed. System, nach den Überlieferungen hervorgegangen aus den Akten der 1735 in Florenz gestifteten Loge, bearbeitet 9 Grade in 3 Abteilungen (Johannisloge, Andreasloge, Kapitel). An der Spitze des Ordens steht der Ordensmeister, an der Spitze der Großloge der Großmeister, sofern der Ordensmeister nicht auch dieses Amt übernehmen will. Die gesetzgeberische Thätigkeit der Großloge erstreckt sich nur auf die beiden untern Abteilungen (Johannis- und Andreasloge), die von ihr beschlossenen Gesetze bedürfen der Genehmigung des Ordensmeisters. Die in den Provinzen befindlichen Logen hängen in erster Linie von Provinzialgroßlogen ab, die der Großen Landesloge von Schweden untergeordnet sind. Auf diese Weise waren auch die norweg. Logen von der schwed. Großloge abhängig; seit kurzem jedoch haben sie Selbständigkeit erlangt. Ihr Ordensmeisteramt bekleidet der König. In Skandinavien arbeiten 25 Johannislogen mit etwa 3 300 Brüdern. Das schwed. System hat seit 1855 auch in Dänemark Eingang gefunden. Auch hier steht der Landesherr oder ein Mitglied seines Hauses an der Spitze. Der König Christian IX. ist Protektor, der Kronprinz Friedrich Ordensmeister, Prinz Hans von Sonderburg-Glücksburg Landesgroßmeister. Die «Große Landesloge von Dänemark» besteht seit 1858. Unter ihr arbeiten 9 Johannislogen und 8 Instruktionslogen (Kränzchen) mit etwa 3 600 Brüdern.
In Deutschland befolgt die «Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland» zu Berlin, gegründet 24. Juni 1770, die schwed. Lehrart. Älter sind die von der engl. Großloge aus 1737 gegründete Loge Absalon in Hamburg, die 1740 zum Range einer engl. Provinzialgroßloge erhoben wurde, 1811 aber sich für unabhängig erklärte, sowie die 1740 gegründete Loge «Aux trois globes» zu Berlin. Letztere wurde aus Veranlassung des durch eine Deputation der Loge Absalon 14. Äug. 1738 in Braunschweig aufgenommenen nachmaligen Königs Friedrich II. gegründet. Sie nahm 1744 den Namen «Große Mutterloge zu den drei Weltkugeln» an und gründete in der Folge zahlreiche Tochterlogen. Die 1760 von ihr errichtete Johannisloge «Royal York de l’amitié» zu Berlin löste sich 1767 von ihr los, erhielt ein Konstitutionspatent der Londoner Großloge und konstituierte sich 1798 als selbständige Großloge, nachdem sie schon lange vorher zahlreiche Johannislogen errichtet hatte. Die Schloßloge «Zur Sonne» in Bayreuth, gegründet 1741 durch Markgraf Friedrich von Brandenburg-Kulmbach, unterstellte sich 1800 der Großloge '"Royal York» zu Berlin, erklärte sich aber, nachdem Bayreuth an Bayern gefallen war, 1811 für unabhängig. In Frankfurt a. M. bestand seit 1742 die Loge «L’Union» («Zur Einigkeit»), die 1743 eine Konstitution von der Londoner Großloge erhielt und 1766 durch Patent derselben zur Provinzialloge des oberrhein., niederrhein. und fränk. Kreises erhoben wurde.
– Durch das eine Zeit lang einflußreiche System der strikten Observanz, das ein Herr von Hundt von Frankreich nach Deutschland gebracht hatte und welches die Freimaurerei als die Vorstufe für die Wiedererrichtung des Templerordens mißbrauchte, war viel Unklarheit, Verwirrung und Irrtum in die Logen gekommen. Es vereinigten sich daher eine Anzahl Logen infolge einer von der Provinzialloge zu Frankfurt a. M. 1783 ausgegangenen Anregung zu einer Reform der Freimaurerei auf der Grundlage der von London überkommenen Johannismaurerei. Diese Reformlogen bildeten unter der Provinzialloge zu Frankfurt a. M. (die sich 1823 für unabhängig erklärte) als maurerischer Oberbehörde den Eklektischen Freimaurerbund. Die Logen zu Darmstadt und Mainz trennten sich 1845 infolge principieller Verschiedenheit freimaurerischer Grundanschauungen (christl. Princip) vom Eklektischen Bunde und begründeten 1846 die «Große Loge zur Eintracht» in Darmstadt, der sich dann 1859 auf Veranlassung des Großherzogs Ludwig III. auch die übrigen Logen von .Hessen- Darmstadt anschlössen.
Im Königreich Sachsen bestehen schon seit 1737 Freimaurerlogen; 1811 kam es zur Bildung der «Großen Landesloge von Sachsen». Von den sächs. Logen arbeiten einige nach den Akten der Großloge «Royal York», eine nach den «Drei Weltkugeln», die Mehrzahl nach der Lehrart der Hamburger Großloge.
Vielfach sind auch in Deutschland fürstl. Personen dem Freimaurerbunde beigetreten, so außer König Friedrich II. von Preußen auch Friedrich Wilhelm II., Friedrich Wilhelm III., Kaiser Wilhelm I. und Friedrich III., ferner Prinz Friedrich Leopold von Preußen und zahlreiche andere.
Dagegen hat die kath. Kirche der Freimaurerei stets feindlich gegenüber gestanden. Seit 1738, wo zuerst Clemens XII. durch die Bulle «In eminenti» den Bannfluch gegen die Freimaurer schleuderte, hat jeder seiner Nachfolger ihn erneuert.
In betreff der außereuropäischen Staaten giebt es in Nordamerika 89 Großlogen (darunter 33 farbige) mit 12 085 Logen (1 056 farbige) und etwa 700000 Brüdern.
In Mexiko, Centralamerika und Westindien arbeiten 13 Großlogen mit etwa 400 Tochterlogen, in Südamerika 6 Großlogen mit etwa 250 Tochterlogen. In Afrika finden sich 4 Großlogen (je eine in Kairo, Alexandria, Tunis und Monrovia), in Australien 5 (je eine in Adelaide, Melbourne, Sydney, Christchurch und Hobart).
Litteratur.
Die maurerische Litteratur, namentlich die deutsche, ist sehr reichhaltig, doch ist dem Publikum nicht alles zugänglich, da die nur für Freimaurer bestimmten Werke als Manuskript gedruckt oder doch nur gegen Legitimation verkauft werden.
Folgende Werke sind im Wege des Buchhandels ohne Legitimation erhältlich: Heideloff, Die Bauhütte des Mittelalters (Nürnb. 1844); Kloß, Bibliographie der Freimaurerei (Frankf. a. M. 1844); ders., Geschichte der Freimaurerei in Frankreich (2 Bde., Darmst. 1852–53); Keller, Kurzgefaßte Allgemeingeschichte der Freimaurerei (2. Aufl., Gieß. 1860); Lenning, Encyklopädie der Freimaurerei; 2. Aufl. u. d. T. Allgemeines Handbuch der Freimaurerei (4 Bde., Lpz. 1863–79); Janner, Die Bauhütten des Mittelalters (ebd. 1876); Bluntschli, Freimaurergespräche (Nördl. 1879); Findet, Geschichte der Freimaurerei (6. Aufl., Lpz. 1893); Keller, Die Reformation und die alten Reformparteien (ebd. 1885); Schäfer, Was ist F.? (Berl. 1885); Gould, The history of free-masonry (6 Bde., Lond. 1884–87); Schottmüller, Der Untergang des Templerordens (2 Bde., Berl. 1887); Smitt, Katechismus der Freimaurerei (Lpz. 1891); Settegaft, Die deutsche Freimaurerei, ihr Wesen und ihre Ziele (Berl. 1892); Bröcker, Die Freimaurerlogen Deutschlands 1737–1893 (ebd. 1893).
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