"Warum wollen wirs denn aufschieben, uns glückselig zu machen?"
Der Freymäurer.
Seiten 289-296
Das XXXVII Stück.
Leipzig, Sonnabends, den 13. Sept. 1738.
Incipe, gui recte viuendu prorogat horam, Rusticus expectat, dum defluit amnis: at ille Labitur, & labetur in omne volubilis aeuum.
Horat.
So edel und nothwendig es ist, sich je eher je lieber von den Lastern und bösen Gewohnheiten loszumachen: So saumselig erweisen sich doch viele Menschen darinnen.
Was für eine Unbesonnenheit und Thorheit aber in diesem Verfahren stecke, das werde ich in diesem Blatte einigermaßen zu entwerfen suchen. Ich bescheide mich gar gern, daß meine Vorstellungen nicht denjenigen Nachdruck haben werden, womit diejenigen Gedanken ausgerüstet gewesen, welche uns in dieser Woche zu eiliger Bekehrung von unsern sündlichen Wandel ermahnet haben. Die Quelle, woraus ich sie schöpfe, ist nicht so lauter und rein, als jene, aus welcher man uns Busse geprediget hat. Meinen Bewegungsgründen fehlet es an der heiligen Kraft, womit jene belebt waren, und wodurch sie eine sicherere Wirkung über das menschliche Herz haben konnten. Mein Vortrag ist nicht von dem Feuer entzündet, welches Mark und Bein durchfährt, und bis in das Innerste unserer Seelen dringt. Nichtsdestoweniger will ich einige Gründe der Vernunft anführen, woraus, man erkennen kann, wie unbesonnen man handele, wenn man die Aenderung und Verbesserung eines lasterhaften Wandels aufschiebe.
Vielleicht dienen meine Betrachtungen zu einer Vorbereitung, den göttlichen Ermahnungen desto leichter Gehör zu geben. Vielleicht bringen sie auch einen oder den andern dahin, daß er anfängt, sich zu den bürgerlichen Tugenden zu bekehren, und ein brauchbareres Mitglied der Republik zu werden, als er vordem gewesen. Und ob es nun gleich damit nicht gethan ist; ob gleich die Religion erst unsere Bewegungen heiligen, und unsere Handlungen vollkommen machen muß; obgleich erst durch sie die Wohlfahrt eines Stats und unsere eigene Glückseligkeit recht gewiß werden kann: So wäre es dennoch zu wünschen, daß nur alle Menschen erst natürlich fromm leben möchten. Es würde schon viel seyn, wenn nur niemand einigen Anstand nähme, bloß die moralischen Tugenden auszuüben. Denn auch diese sind nicht von allen guten Folgen entblößt. Ziehen sie gleich keine ewige Glückseligkeit nach sich: So befördern sie doch unser zeitliches Vergnügen. Sie überheben uns des Verdrusses, des Kummers, der Reue, welche bösen Verrichtungen auf dem Fusse nachfolgen, und von ihnen nicht getrennet werden können.
Wenn man indessen auf die Menschen Acht hat: So sollte man sich einbilden, sie müßten von diesem allen nichts wissen. Denn es scheint unmöglich zu seyn, daß man nicht dahin trachten solle, sich vergnügte und ruhige Tage zu machen. Es steht also wohl nicht zu glauben, daß man überzeugt sey, wie schädlich die Wirkungen der Laster zu seyn pflegen. Würde man solches recht lebhaft erkennen: So würde man rasend seyn müssen, wenn man nicht eiligst von ihnen abließe, und sich noch zu retten suchte, ehe man darinnen so verstrickt wäre, daß man sich nicht mehr davon befreyen könnte. Würde man gehörig betrachtet haben, daß es die Art der Laster sey, ihre Liebhaber nach und nach immer stärker und stärker zu binden, und sie immer tiefer und tiefer in ihren Schlamm hinein zu ziehen: So würde vielleicht keine Versuchung fähig seyn, uns zu verleiten, nur noch einen einzigen Schritt auf einem Wege zu thun, der so sehr gefährlich ist, und in ein gewisses und augenscheinliches Verderben führet.
Allein, das ist die betrübte Beschaffenheit der Menschen, daß sie sich nicht die Mühe nehmen, ihren Handlungen etwas nachzudenken. Wir unterdrücken unsere Vernunft in den meisten, und ich möchte fast sagen in den wichtigsten, Fällen. Wir laßen uns von dem Gegenwärtigen, womit wir umgeben sind, gar zu sehr einnehmen. Es dünkt uns viel zu beschwerlich zu seyn, bis auf das Ende hinaus zu sehen. Ist nur eine Sache in dem Augenblicke angenehm, da wir sie begehen: So bekümmern wir uns nicht, was daraus entstehen werde. Ja wir verbergen die traurigen Folgen noch wohl gar mit Fleiß vor uns selbst, wenn sie uns wider unsern Willen vor die Augen kommen wollen. Daher rühret es denn, daß wir so schwer und so langsam an unsere Bekehrung gehen, worzu wir doch ohne Aufschub und Verzug greifen sollten.
Martial lachet einen Posthumus aus, der sich allezeit vernehmen ließ, morgen wolle er anfangen zu leben. Er fraget ihn, wenn denn dieses Morgen einmal kommen werde? Wie lange dieses Morgen noch hin sey, wo es sey, und wo man es bekommen könne? Ob es etwa bey den Parthern oder Armeniern verborgen stecke? Es sey dieses Morgen ja schon so alt, als Priamus und Nestor. Dabey bittet er ihn, ihm doch zu sagen, für wie viel Geld man dieses Morgen kaufen könne, und beschließt endlich mit diesen Worten: Du willst morgen leben; o Posthumus, heute leben ist schon spät. Derjenige ist weise, der gestern gelebt hat.
Eben so bestraft auch Persius einen Menschen, nachdem er zuvor gesagt, daß man sich von der Weltweisheit einen Zehrpfenning bitten solle, dessen man sich in seinem elenden Alter bedienen könne. Sprichst du, morgen soll es geschehen? sind seine Worte. Ja morgen wirst du eben so sagen. Ist es denn so eine große Sache, um einen Tag? machet er sich den Einwurf. Ja, antwortet er, wenn nun der andere Tag kömmt: So haben wir das gestrige Morgen schon durchgebracht und verzehret. Siehe nur, ein Morgen und wieder ein Morgen hat schon ganze Jahre gemacht, und das Morgen wird allezeit noch ein wenig entfernet seyn; wie das hinterste Rad niemals das vorderste einholet, ob sie gleich nahe bey einander sind, weil sich beyde Räder mit gleicher Geschwindigkeit drehen.
Unter diesen Vorstellungen findet man ein Bild von der Beschaffenheit, und zugleich auch von der Thorheit solcher Leute die es aufschieben, tugendhaft zu werden. Sie setzen dieses nöthige Unternehmen immer einen Tag nach dem andem aus. Sie verlängern ihren Vorsatz von einer Woche zur andern, von einem Monate zum andern, von einem Jahre zum andern. Allezeit haben sie noch etwas, das sie gern erst möchten verrichtet haben. Heute geht es verschiedener Ursachen wegen nicht recht an. Es will sich doch mit der Besserung so gleich nicht thun laßen. Künftig werden sie schon geschickter dazu seyn. Sie können und wollen es zwar nicht leugnen, daß es nicht gut sey, wenn sie ein andres Leben anfiengen: Allein sie denken doch, Ursache zu haben, solches noch ein wenlg anstehen zu laßen.
Ich mag nicht untersuchen, was dieses für Ursachen seyn mögen, welche ihnen noch einige Hinderniß in den Weg legen, von den Lastern sich zu entfernen. Es würde so große Mühe nicht kosten, zu entdecken, daß es die schmeichelhafte Lust sey, die man sich noch von einem oder dem andern Laster verspricht; oder daß es die Furcht vor der Beschwerlichkeit sey, welche mit dieser Veränderung des Lebens gewissermaßen verknüpft ist.
Doch es mögen seyn was es für welche wollen; meynet man denn, daß dieselben inskünftige weg seyn werden? Glaubet man, daß man nicht morgen, daß man nicht übers Jahr eben noch diese Ursachen haben könne, die man itzo zur Unterlaßung seiner Bekehrung hat? Wer ist uns Bürge dafür, daß wir nicht alsdenn noch mehrere und noch stärkere Gründe vorzubringen wissen, als itzo, die uns weit kräftiger abzuhalten vermögen, als die gegenwärtigen noch thun können? Wenn man erkennt, daß es gut sey, sich zu bessern; warum greift man denn nicht alsbald dazu? Es zeigt in der That von keinem ernstlichen Vorsatze, wenn man eine Sache immer weiter hinaussetzet, und niemals den Anfang macht, sie auszuführen.
Wir versprechen uns von dem geneigten Willen eines Gönners, uns zu helfen, nicht viel, wenn wir sehen, daß er es immer bis auf eine andere Gelegenheit anstehen läßt, und auf eine neue warten will, wenn er doch bereits eine in Händen hat, unser Glück zu machen. Was hat man sich denn zu einem Menschen zu versehen, der immer eine Zeit nach der andern aus den Händen läßt, worinnen er dasjenige thun kann, was er vorgiebt, daß ers thun wolle? Niemand wird anders urtheilen können, als daß er durch dieses Aufschieben nur Schlupfwinkel suche, dasjenige gar nicht zu thun, wozu er sich doch anheischig machet. Denn warum hält er die gegenwärtige Zeit nicht für so gut, als die zukünftige? Schicket sie sich etwan nicht so gut dazu, als jene: So wird sich jene eben so wenig dazu schicken, wenn sie gekommen seyn wird, als diese.
Das itzt noch Zukünftige wird gegenwärtig werden, wie das itzt Gegenwärtige ehemals zukünftig gewesen ist; und alsdenn wird es keine andere Eigenschaften haben, als welche diejenige Zeit hat, die itzt gegenwärtig ist.
Was ich in meiner Gewalt habe, das kann ich allein zu meinem Besten anwenden; und ich werde vernünftig handeln, wenn ich solches thue, und nicht erst auf vortheilhaftere Umstände warte. Wenn ich in einer Wildniß reiste, wo ich in zween Tagen keine Herberge angetroffen hätte, am dritten Tage aber eine schlechte Hütte fände, worinnen ich weiter nichts, als einige Früchte zur Stillung meines Hungers, und ein wenig Laub, statt aller andern Bequemlichkeiten, anträffe; würde ich da nicht widersinnisch handeln, wenn ich solches nicht achtete, sondern ohne die geringste Gewißheit hoffte, ich würde bald in ein bequemeres Wirtshaus eintreffen? Würde ich zu beklagen seyn, wenn ich hernach einige Wurzeln aus der Erde kratzen, und den leeren Magen damit anfüllen müßte, und dabey auf das bloße Erdreich einige Ruhe zu suchen genöthiget wäre? Ja müßte mir nicht mein eigener Untergang zugerechnet werden, und wäre ich nicht selbst Schuld an meinem Tode, wenn ich auch dieses, wie schlecht es gleich seyn möchte, noch fahren ließ, und hernach in einer sandichten Einöde oder in einem morastigen Orte vor Hunger und Mattigkeit aufgerieben würde? Doch so unbesonnen handelt wohl schwerlich jemand, daß er einen sichern Wechsel, welchen er alle Augenblicke heben kann, gegen eine ungewisse Schuldforderung vertauschen sollte. Gleichwohl sind wir in einer weit wichtigern Sache lange nicht so bedachtsam. Wir lassen die bequeme Zeit, uns glückselig zu machen, verstreichen; wir bringen sie mit unnützen Dingen zu, und machen uns Rechnung auf etwas, was wir nicht in unserer Macht haben; und wovon wir auch nicht die geringste zuverläßigste Gewißheit haben, daß wir es zu unserm freyen Gebrauche bekommen.
Die gegenwärtige Zeit ist für uns. Die können wir anwenden, wozu wir wollen. Ueber die zukünftige aber haben wir eben so wenig zu gebiethen, als es in unserm Vermögen steht, die vergangenen Zeiten wieder zurück zu holen. Warum brauchen wir nun nicht der gegenwärtigen Zeit zu unserm Besten; und warum sehen wir uns, durch Vorbeylaßung derselben, in Gefahr, es vielleicht niemals wieder so gut besorgen zu können, als itzo? Ja, wären wir Herren der Zeit; könnten wir ihr die Flügel abnehmen, oder wüßten wir den schnellen Lauf der Stunden aufzuhalten: So würden wir unsern Verzug noch einigermaßen entschuldigen können. So aber fahren sie wie ein reißender Strom dahin, und unsere Kräfte sind viel zu unvermögend, ihnen einen Damm vorzuziehen, daß sie bleiben müssen.
Ist es etwa noch zu früh eine Veränderung seines Wandels vorzunehmen? Es kann seyn, du lebst in der besten Blüthe deiner Jahre, du willst erst die Vergnügungen des Lebens, sage lieber, das süsse Gift der Laster, noch ein wenig kosten. Du willst deine Bekehrung bis in jene Tage versparen, da dein Verstand reifer, deine Seele stärker zum Nachdenken, die erste Hitze der Jugend verrauchet, die Heftigkeit der Begierden gestillet, und deine Beständigkeit im Guten sicherer seyn wird. Es scheint dir nicht ohne Grund, daß diese Zeiten weit bequemer zu einem so wichtigen Unternehmen sind. Allein siehst du keine Gefahr hiebey? Ist es denn so ganz ausgemacht, daß diese Zeiten bey dir kommen werden? Doch gesetzt, sie kommen; weist du denn gewiß, daß du auch alsdenn tüchtig seyn werdest, dein Leben zu ändern? Du wirst alsdann vielleicht in den Lastern verhärtet seyn, du wirst dein Gehirn mit so vielen irrigen und schädlichen Bildern angefüllet haben, daß du dich weder davon befreyen, noch einigen Raum für die Vorstellungen der Tugend mehr finden kannst.
Dem sey aber wie ihm wolle; wenn ist es doch wohl zu früh, seine Glückseligkeit anzufangen? Bringen wir nicht gleich einen Trieb, solche zu befördern, mit uns auf die Welt? Aeussert er sich nicht sogleich, so bald wir nur in den Stand kommen, daß wir uns selbst etwas helfen können? Warum wollen wirs denn aufschieben, uns glückselig zu machen? Was man niemals zu früh anfangen kann, das muß, man ja wohl gleich thun. Man frage doch einen Kranken, ob er nicht gleich zu denen Mitteln greifen werde, die seine Genesung wieder herstellen sollen? Wie eilen wir nicht, eine ansehnliche Bedienung oder Ehrenstelle in Besitz zu nehmen! Wie hurtig ergreifen wir nicht die erste die beste Gelegenheit, einen grossen Gewinst zu erhalten! Warum zaudern wir denn in Dingen, welche die Seele angehen, und folglich weit edler sind?
Würde sich wohl ein Gefangener erst lange bedenken, aus seinen Banden herauszugehen, wenn er die völlige Freyheit dazu hätte? Es ist schwerlich zu vermuthen, daß er es von einem Tage zum andern verschieben würde, ehe er sich bequemete, die Nacht seines Kerkers zu verlassen, und an das Licht der Sonnen zu gehen. Wenn ihm nur erst die Bothschaft gebracht worden, daß seine Gefangenschaft ein Ende haben soll: So wird er voll ungeduldiger Sehnsucht seyn, ehe die Stunde seiner Erlösung herannaht. Gesetzt aber, man giebt ihm selbst die Schlüssel in die Hände, die Schlösser an seinen Fesseln aufzuthun, und es liegt nunmehro nur bloß an ihm, seine Befreyung zu beschleunigen und zu verzögern: So wird er, wofern ihm seine Freyheit lieb ist, nicht den geringsten Anstand nehmen, sich davon los zu machen.
So lange wir einen lasterhaften Wandel führen, ist unsere Seele gleichsam gebunden. Sie liegt in einem tiefen Gefängnisse. Wir haben das Vermögen, durch die Bekehrung uns daraus zu retten. Was hindert uns denn, solche je eher je lieber vorzunehmen? Werden wir etwa durch die Veränderung eines lasterhaften Wandels nicht glückselig? Man müßte weder wissen was Tugend noch Laster sey, wenn man so urtheilen wollte.
Unsere Glückseligkeit entspringt aus dem ungehinderten Wachsthume im Guten, aus dem täglichen Zunehmen an Vollkommenheiten, aus der Ablegung einer Unvollkommenheit nach der andern, und aus einem weitern Fortgange in der Besserung. Die Tugend aber ist eine Fertigkeit, dasjenige zu vollbringen, was mich und meinen Zustand vollkommener macht; das Laster hingegen ist eine Fertigkeit, dasjenige auszuüben, was mich unvollkommener macht. Wie sollte man nun nicht seine Glückseligkeit dadurch befördern, wenn man von dem letztem abläßt, und sich zu dem erstem wendet?
Tugend und Laster sind beydes Fertigkeiten. Zu einer Fertigkeit gehöret eine vielfältige Ausübung einer Sache. Wir müssen eine und eben dieselbe Handlung vielmals wiederholen, ehe sie uns geläufig wird. Dieses sollte uns zu einem Bewegungsgrunde dienen, keine Bedenkzeit zu nehmen, von einem lasterhaften Wandel zu einem tugendhaften zu kehren. Man erwirbt sich nicht gleich in einem Tage eine Fertigkeit, und man verliert sie auch nicht den Augenblick wieder, wenn man sich solche in einem Dinge zuwege gebracht hat. Die natürliche Bekehrung ist ohnedem kein Werk von einer Stunde. Sie erfolgt nicht gleich aus einem flüchtigen Gedanken oder Vorsatze. Es ist nicht bloß eine einzige böse Handlung, sondern ein Zusammenhang vieler bösen und schädlichen Handlungen, welcher einen lasterhaften Wandel ausmacht, und den wir verlassen müssen. Ja, wenn es auch nur eine einzige schlimme Handlung wäre, worinnen wir eine Fertigkeit besaßen: So ist auch diese nicht sogleich auf einmal abgeschafft, und ganz und gar getilget. Wie es eine lange Zeit gewähret hat, ehe wir darinnen geübt worden: So wird auch eine gehörige Zeit dazu erfordert, ehe wir dasjenige, was uns zu einer Gewohnheit geworden, wieder vergessen. Man kann die bösen Sitten auf keine andere Art heben, als wie die guten bey uns zunehmen und dieses geschieht nach und nach. Oft gehören sehr viele Jahre dazu, und nicht selten brauchen wir eine längere Zeit zu ihrer Ablegung, als wir zu ihrer Annehmung angewandt haben.
Die Veränderung eines lasterhaften Lebens in ein tugendhaftes kann nicht vor sich gehen, wenn man keine vollständige Begriffe von der Tugend und dem Laster hat. Fehlte es daran: So würde man nicht wissen, daß das eine besser sey, als das andere, und man würde keine Ursache finden, warum man dieses erwählen, jenes aber fahren lassen sollte. Man muß also, ehe man tugendhaft werden kann, das Gute von dem Bösen unterscheiden können. Dieses Erkenntniß von dem Wahren und Falschen aber muß auch lebhaft seyn. und einen Einfluß in unsern Willen haben.
Hierzu gehöret ein ausführlicher Unterricht von allem, was die Aenderung des Willens wirken kann. Dabey ist es nicht mit einer einzigen Wahrheit ausgerichtet; man hat sehr viele nöthig, ehe unser verkehrter und den Lastern geneigter Wille gewonnen wird, und sich auf die andere Seite lenken läßt. Man hat vieles zu lernen, und auch vieles zu verlernen, ehe wir in eine andere Einrichtung kommen. Man hat vielerley Tugenden vorzunehmen, ehe wir die gegenseitigen Laster unterdrücken, und uns einer Veränderung rühmen können.
Wenn wollen wir nun fertig werden, wenn wir nicht bald den Anfang dazu machen? Eine langwierige Arbeit sollte uns von Rechts wegen ermuntern, keinen Augenblick verlohren gehen zu lassen, in dem wir etwas daran verrichten können.
S.
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