Begriffsklärungen
im Umkreis von Esoterik, Okkultismus, Geheimwissenschaften, Spiritualität
Okkult, Okkultismus Theosophie Gnosis, gnostisch Mystik Mysterien Aberglauben Geheimlehre, Geheimwissenschaften Esoterisch, Esoterik Arkandisziplin, Arkanschule Hermetisch, Hermetik Vom Spiritismus zur Parapsychologie Grenzwissenschaften Spiritualismus Spirituell, Spiritualität New Age Transzendent, transzendental, Transzendenz Metaphysik, metaphysisch Philosophia perennis
Die umfassendste und beste Website zur Esoterik: www.eso-garden.com siehe dazu: 100 Eso Categories According to Ursi Spaltenstein
Okkult, Okkultismus
Die Bezeichnung Okkultismus wird in mindestens drei Bedeutungen gebraucht:
1. Der Theologe und Arzt Agrippa von Nettesheim hat sich in seinem Buch „De occulta philosophia“ (1510 handschriftlich; 1531 erstmals gedruckt; Reprint Leiden: Brill 1992) gegen Vorstellungen von niederem Zauber- und Hexenwesen abgesetzt, um die Weisheit des esoterischen Wissens – Astrologie und Alchemie, Kabbala und die hermetischen Traditionen – von dem Verdacht des schwarzmagischen Missbrauchs, des „Teufelsumgangs“ fernzuhalten (nach „Historisches Wörterbuch der Philosophie“).
1600 erschien eine Schrift von Lieven Lenneus unter dem Titel: „Occulta naturae miracula“. Geheimnisumwittert ist die „Occulta philosophia“ von L. C. Orvius. Es ist eine Rosenkreuzergeschichte, die vielleicht aus dem Jahre 1635 stammt, aber erst 1737 gedruckt wurde.
F.-A. Doppet: La médecine occulte, ou traité de magie naturelle et médicinale. 1791.
1801 erschien von Francis Barret: “The magus or celestial intelligence; being a complete system of occult philosophy“. Es wurde viel benützt.
Immanuel Kant – Emanuel Swedenborg (um 1750)
Zwölf unumstössliche Erfahrungsbeweise für die Unsterblichkeit der Seele oder: Abriss des Lebens und Wirkens Emanuel Swedenborg's, übersetzt aus der von der Gesellschaft für Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse unter dem Vorsitze des Lords Brougham herausgegebenen Encyklopädie nebst neuen Urkunden über ihn und einer historischen Untersuchung seiner 12 Erfahrungsbeweise für die Unsterblichkeit ... der Seele, verbunden mit einer Würdigung der Berichte und Urtheile Stilling's, Klopstock's, Herder's, Kant's, Wieland's und Anderer. Stuttgart: Müller 1845. Frank Sewall: Swedenborg and modern idealism. A retrospect of philosophy from Kant to the present time. London: Speirs 1902. Richard Adolf Hoffmann: Kant und Swedenborg. Wiesbaden: Bergmann 1909 (29 Seiten). Gustav Zeller: Okkultismus und deutsche Wissenschaft seit Kant und Goethe.. Leipzig: Altmann 1922 (40 Seiten). Ernst Benz: Swedenborg als geistiger Wegbereiter der deutschen Romantik und des deutschen Idealismus. Leipzig: Hummel in Kommission 1940. Ernst Benz: Swedenborg in Deutschland. F. C. Oetingers und Immanuel Kants Auseinandersetzung mit der Person und Lehre Emanuel Swedenborgs. Nach neuen Quellen bearbeitet. Frankfurt am Main: Klostermann 1947. Friedemann Horn:
Schelling und Swedenborg. Ein Beitrag zur Problemgeschichte des deutschen
Idealismus und zur Geschichte Swedenborgs in Deutschland; nebst einem Anhang
über K. C. F. Krause und Swedenborg sowie Ergänzungen zu R. Schneiders
Forschungen. Zürich: Swedenborg-Verlag 1954; Hans Radermacher: Kant, Swedenborg, Borges. Bern: Lang 1986. Gottlieb Florschütz: Kants Beurteilung okkulter Phänomene und ihre Bedeutung für sein philosophisches System. M. A.-Arbeit, Univ. Kiel 1987. Monique David-Ménard: La folie dans la raison pure. Kant lecteur de Swedenborg. Paris: Vrin 1990. Gottlieb Florschütz: Swedenborgs verborgene Wirkung auf Kant. Swedenborg und die okkulten Phänomene aus der Sicht Kants und Schopenhauers. Diss. Univ. Kiel 1991; Würzburg: Königshausen & Neumann 1992. Friedemann Horn: An Geister und ein Leben nach dem Tod glauben - kann man das noch? Emanuel Swedenborg, der Forscher und Seher, Immanuel Kant, der kritische Philosoph, C. G. Jung, der Tiefen-Psychologe u. a. Ein Plädoyer gegen eingefleischte Vorurteile. Zürich: Horn 1999 (20 Seiten). Paul Bishop: Synchronicity and intellectual intuition in Kant, Swedenborg, and Jung. Lewiston: Edwin Mellen Press 2000.
Okkultistische und hermetische Freimaurerei (1740-1800)
Recht ausführlich gehen Lennhoff/Posner auf die okkultistische und hermetische Freimaurerei von ca. 1740-1800 ein.
Das Ritual des AASR (1801) sei gestopft voll mit Hermetismen, insbesondere Alchemie und Kabbala, meint Alec Mellor (1967) und bezieht sich dabei auf den „Catéchisme“ des Barons von Tschoudy (1766) und Oswald Wirths „Symbolisme hermétique“ (1909).
Vom Arzt und okkultistischen Schriftsteller Papus, der zahlreiche Orden, auch für Freimaurer, gründete, stammen die Untersuchungen „Traité élémentaire de Science Occulte“ (1888; dt.: Die Grundlagen der okkulten Wissenschaft, 1926; erneut 1977), „Traité méthodique de Science Occulte“ (1891) und „L’occultisme et le spiritualisme“ (3. ed. 1911). Vom gebürtigen Schweizer Freimaurer Oswald Wirth stammt die einflussreiche Schrift „Le Symbolisme occulte de la Franc-Maçonnerie“ (1928 – mit Bezug auf Ragon).
Die wichtigen Schriften von René Le Forestier zu diesem Thema aus dem Jahre 1928 wurden 1970 von Antoine Faivre und Alec Mellor in einem Band (mit über 1100 Seiten) herausgegeben; die deutsche Übersetzung davon erschien in vier Bänden unter dem Titel: „Die templerische und okkultistische Freimaurerei im 18. und 19. Jahrhundert“ 1987-92.
Zum Begriff Okkultismus
Die Bezeichnung Okkultismus taucht genau wie „ésotérisme“ um 1830-40 erstmals im Französischen auf - also vor den beiden oft genannten Autoren Baron de Potet und dem Freimaurer Eliphas Lévi. Das löste eine eigentliche okkulte Welle aus. Lévy unterschied (1856) vier okkulte Systeme: Kabbala, Magie, Hermetik und Magnetismus. Er soll über 200 Schriften verfasst haben. Sie wurden reichlich u. a. auch von Helena Blavatsky geplündert. Lévi brauchte ziemlich unbekümmert die Wörter Okkultismus, okkulte Wissenschaft oder Philosophie, hermetische Magie, Mysterien, magische Mystik, Esoterik, transzendent, usw.
Wichtige Schriften von Eliphas Lévi (gest. 1875): Le livre rouge. Résumé du magisme, des sciences occultes et de la philosophie hermétique... 1841. Le livre d’or. Révélations des destinées humaines au moyen de la chiromancie transcendante... 1842. Dogme
et rituel de la haute magie. 2 Bände, 1854-56; Histoire
de la magie. 1860; La
clef des grands mystères. 1861; La science des esprits. 1865. Le
grand arcane; ou, L’Occultisme dévoilé. 1898; Les mystères de la Kabbala; ou L’Harmonie occulte des deux testaments. 1920 (nach der Handschrift von 1861).
Populär wurde das Werk von Lévi allerdings erst nach seinem Tod. Arthur E. Waite gab 1886 in London eine englische Anthologie seiner Schriften unter dem Titel „The Mysteries of Magic. A digest of the writings of Eliphas Lévi” heraus.
Lévi sprach schon 1841 auch von sciences occultes. Weitere Autoren folgten: Jean Paul Migne: Dictionnnaire des sciences occultes. 1846-48. Almanach astrologique, magique, prophétique, satirique et des sciences occultes. 1850. Gabriele Rosa: Il vero nelle scienze occulte. 1855. Paul Lacroix: Curiosités des sciences occultes. 1862. Joséphin Aimé Péladan: Introduction aux sciences occultes. 1902.
1903-1912 gab Frederick Leigh Gardner (Sekretär der SRIA und Mitglied des Golden Dawn) im Eigenverlag in London einen dreibändigen „Catalogue raisonné of works on the occult sciences“ heraus (je ein Band galt den Rosekreuzern, der Astrologie und den Freimaurern). 1908 erschien in Chicago eine dreibändige „Encyclopedia of Superstitions, Folklore and the occult sciences of the World“ (Reprint 1971). 1912 veröffentlichte Albert Louis Caillet in Paris eine dreibändiges „Manuel bibliographique des sciences psychiques et occultes“ (Reprint 1964) mit fast 12 000 Buchtiteln.
2. Siehe unter „Vom Spiritismus zur Parapsychologie“
3. Auch die Theosophen bemächtigten sich rasch des Begriffs.
Ein Signal setzte das Buch von A.
P. Sinnett: The Occult World. 1881;
Im allgemeinen gebrauchte Helena Blavatsky (gest. 1891) den Begriff Okkultismus:
1898 gab Annie Besant aus nachgelassenen Schriften von Helena Blavatsky den dritten Band der „Geheimlehre“ heraus (I: Cosmogenesis; II: Anthropogenesis), und zwar unter dem Titel „Occultism“. (Die deutsche Übersetzung davon erschien 1906 unter dem Titel: „Esoterik“.)
Einige Titel vermutlich speziell zur theosophischen Lehrart:
Allgemeine Literatur zum Okkultismus
Eine damals wichtige Zusammenstellung bot Carl Kiesewetter in seinen Bänden „Geschichte des neueren Occultismus – Geheimwissenschaftliche Systeme von Agrippa von Nettesheym bis zu Carl Du Prel“ (800 Seiten, 1891; Reprint 1977; betrifft vor allem Alchemisten, Mystiker und Spiritisten), „Die Geheimwissenschaften“ (1895; Reprint 1977; bildet den 2. Teil des vorigen Bandes und behandelt Alchemie, Astrologie und Mantik sowie Hexentum, aber nicht den Spiritismus) und „Der Occultismus des Altertums“ (1896; ebenfalls bei Olms nachgedruckt).
Eine Ergänzung bot Ludwig Kiesewetter: „Der Occultismus der nordamerikanischen Indianer“, 1896. Ein Katalog der umfangreichen privaten Büchersammlung von Baron C. du Prel erschien 1933 unter dem Titel: „Bibliotheca occulta et philosophica“.
Wichtige Werke:
Theosophie
Die Bezeichnung Theosophie wird in drei verschieden weiten Bedeutungen gebraucht:
Zum ersten Verständnis: Julius Hamberger: Stimmen aus dem Heiligthum der christlichen Theosophie. 1851. Will-Erich Peuckert: Pansophie. Versuch zur Geschichte der schwarzen und weissen Magie. 1936; erneut 1956. Gerhard Wehr: Alle Weisheit ist von Gott. Gestalten und Wirkungen christlicher Theosophie. 1980.
Zum dritten Verständnis:
Speziell zur Anthroposophie (weitere Werke siehe auch unter Okkultismus):
Wichtig ist auch das vielbändige Werk von Johannes Fährmann: Grosser theosophischer Katechismus. Grundlegende Darstellung der theosophischen Weltanschauung in Frage und Antwort. 2. ed. 1973.
Eine giftige Kritik der Theosophie und der Person Rudolf Steiners hat Fritz Mauthner verfasst („Wörterbuch der Philosophie“, 2. ed. Leipzig: Meiner 1924, 3. Bd., 271-283).
Ebenfalls kritisch zur Anthroposophie: Jan Badewin: Anthroposophie. Eine kritische Darstellung. Konstanz 1985. „Ganzheitlichkeit“. Heft 21 von: Widersprüche. Offenbach: Verlag 2000, Dezember 1986. Christoph Strawe: Marxismus und Anthroposophie. Stuttgart 1986.
Gnosis, gnostisch
Die Gnosis ist eine ziemlich genau umrissene Bewegung in den ersten Jahrhunderten nach Christus. Es geht auch hier um „höhere Erkenntnis“, insbesondere Erkenntnis Gottes, des Göttlichen, der geistigen Welt. Der monistische Typus hat sich bei Juden (Simon Magus) und Christen (Valentinus) mit Schwerpunkt in Ägypten und Rom ausgebildet, der dualistische vor allem bei den Persern (später: Manichäismus ab 3. Jh. und Mandäer). Oft waren Mysterienkulte damit verbunden (Simonianer, Ophiten); wegen der sexualmagischen Praktiken spricht man auch von Sperma-Gnosis.
Die Schriften der Gnostiker, von denen die Lehre des Christentums (seit Clemens und Origenes) trotz aller Abwehr manches aufnahm, wurden seit etwa 400 systematisch vernichtet. Dennoch überlebte die Gnosis und wurde nach dem Jahr 1000 bei den Katharern und Albigensern zur gefährlichsten Rivalin der katholischen Kirche. Sie wirkte über Jakob Böhme (um 1600) und die Rosenkreuzer bis zur Anthroposophie.
Das Lexikon von Lennhoff/Posner ergänzt: „Im Mittelalter galten in erster Linie die Templer als Hüter gnostischer Überlieferung. Wie der Neuplatonismus, so beeinflusste die Gnosis stark die neuchristliche Form der Kabbala (bei Pico della Mirandola um 1460) und andere Systeme und insbesondere auch Reuchlin (1494) und Jakob Böhme und damit die Rosenkreuzer. Mit der Freimaurerei kamen gnostische Systeme im 18. Jahrhundert in Berührung, als christliche Mysterien in die Freimaurerei einsickerten... Die Gnosis wurde auch – zu Unrecht – herangezogen, um in der Zeit der maurerischen Verirrungen die Abstammung der Freimaurerei von den Tempelrittern zu erhärten... Gnostisch-esoterischen Kultus enthielt die Lehrart der Martinisten (um 1770). Auch bei Fessler (um 1800) sollte die höchste Stufe in einer vollständigen Geschichte der sogenannten maurerischen Gnosis die letzten Aufschlüsse geben“ (613-614).
Literatur zur echten Gnosis:
Seit 1890 wurden allerlei sog. „gnostische“ Kirchen gegründet: Jules Doiniel gründete 1890 die erste gnostische Kirche, die Ecole Gnostique Universelle, später Eglise Catholique Gnostique. Sie tat sich schon 1893 mit den Martinisten unter Papus zusammen. Mehrere ähnliche Kirchen wurden in der Folge gegründet
Horst Miers verzeichnet noch zahlreiche andere gnostische Vereinigungen, die sich zum Teil „die Umbildung der Sexualkraft“ auf die Fahnen geschrieben haben. Literatur dazu:
Und wiederum wird Gnosis auch sehr frei gebraucht:
Mystik
Das Wort kommt von griechisch „myein“ = „die Augen resp. Lippen schliessen“, um alle sinnliche Wahrnehmung auszuschalten und statt ihrer zur inneren, göttlichen Erleuchtung zu gelangen. Es bedeutet aber auch, den Mund schliessen, um den Uneingeweihten die Mysterien (ta mystika) nicht zu verraten. Es gibt
Seit etwa 1900 spricht man auch von der fernöstlichen Mystik.
1906 gründete Rudolf Steiner für seine Anthroposophie einen "inneren Kreis": „Mystica Aeterna“.
Selbstverständlich wird „mystisch“ auch viel unspezifischer gebraucht:
Mysterien
Es ist in gewissen Kreisen viel von "ägyptischen Mysterien" die Rede. Das ist falsch. (Die Bezeichnung kommt aus dem Neuplatonismus: Iamblichos verfasste um 300 n. Chr. ein Werk unter diesem Namen.) Es handelt sich dabei um Feste, die öffentlich waren. Geheim blieben einzig die Rituale der Priester-Kaste (W. Burkert, 44); z. B. der Gottes-Dienst im Heiligtum des Tempels (Casson, 78f). Es ist daher nicht korrekt, von Adepten zu sprechen. Die griechischen Mysterien waren nicht so elitär, sondern volkstümlich. Sie bargen dagegen vitale Geheimnisse. Man kann sagen, es ging in ihnen um die Verwandlung, um das "Stirb und Werde". Die Mysterien waren Feste, an denen das "Geheimnis" mitgeteilt wurde.
Nach neuesten Forschungen sind die Mysterien von Eleusis der Modellfall für alle anderen. Sie sind seit etwa 600 v. Chr. bezeugt. Nur wenig jünger sind die dionysischen oder bakchischen Mysterien. Ihnen wurden nachgebildet die Mysterien der Meter (bekannter als Magna Mater oder Kybele), der Isis und des Mithras. Alle diese Kulte waren griechisch, auch wenn Kybele aus Phrygien stammt, Isis eine ägyptische Göttin und Mithras ein persischer Gott war. Ausser beim Mithras-Zeremoniell, der ein Soldatenkult war, durften überall auch Frauen und Kinder mitmachen. Den Isiskult schildert Apuleius im letzen Buch seines Romans "Der goldene Esel". Die Mysterien hielten sich, bis sie 391 vom Christentum verboten wurden.
Mysterien sind nicht zu verwechseln mit Mystik. Mysterien sind Geheimkulte, festliche Anlässe der Initiation von Menschen, und zwar solchen, die sich freiwillig dafür entschieden haben.
Rudolf Steiner schrieb seit 1902 immer wieder über Mysterien und hielt zahlreiche Vorträge zu diesem Thema. Er verfasste auch selber vier Mysteriendramen (1910).
Alte Literatur:
Auf Grund neuerer Forschungen:
Häufig wird „Mysterium“ auch in einem viel weiteren Sinne für etwas Rätselhaftes oder Wunderbares gebraucht, z. B. bei:
Aberglauben/ Volksglauben
Selbstverständlich waren die Okkultisten, Magier, Spiritisten und Esoteriker nie begeistert, wenn man sie des Aberglaubens bezichtigte. Dabei ist Aberglauben ein altehrwürdiger Begriff, der schon seit dem 15. Jh. gebraucht wurde „zur Kennzeichnung desjenigen alten volkstümlichen oder übernommenen, vermeintlichen oder echten Erfahrungs-, Weisheits- und Glaubensgutes, das sowohl mit den theologischen als auch mit dem naturwissenschaftlichen Rationalismus nicht übereinstimmt“ (Hoffmeister).
Seit etwa 1700 gibt es eine reichhaltige Literatur zum Thema. Legendär wurde das zehnbändige „Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens“, hrsg. von H. Bächtold-Stäubli und E. Hoffmann-Krayer (1927-42; Reprint 1987), worin definiert wird: „Aberglaube ist der Glaube an die Wirkung und Wahrnehmung naturgesetzlich unerklärter Kräfte, soweit diese nicht in der Religionslehre selbst begründet sind.“
Gemäss Schmitts Philosophischem Wörterbuch von 1951 gehören dazu: Gespensterglaube, Kartenschlagen, Spiritismus, Okkultismus, Astrologie, Chiromantie sowie der Glaube an die magischen Kräfte gewisser Zeremonie, an Zauberei, Beschwörungen, Besprechungen, Hellsehen, Wahrsagen, Wunder, Amulette, usw. Ganz ähnlich zählt Hans Biedermann in seinem Lexikon der magischen Künste (1968) dazu: Alp, Böser Blick, Elementargeister, Entsprechung, Hexenglaube, Mantik, Pentagramm, Talisman, Volksmedizin, Zaubersprüche.
Von dieser Zuordnung wollen freilich die neuen Esoteriker nichts wissen. In Marc Roberts Lexikon (1993) heisst es: „Die moderne Esoterik versteht unter Aberglauben wieder die alten heidnischen Vorstellungen und Bräuche, die vom Christentum unterdrückt wurden... In der Kräuterheilkunde, Edelsteinmedizin, Aromatherapie und Farbtherapie wird uraltes Menschheitswissen, das lange als Aberglaube belächelt wurde, neuentdeckt und zur Heilung genutzt.“
Anderseits stellt Wolfgang Hund im „Lexikon der Parawissenschaften“ (1999) fest: „Um die subjektive Seite und damit Werturteile zu vermeiden, wird in neuerer Zeit meist von ‚Volksglaube’ gesprochen, der durchaus auch wahre Inhalte enthalten kann.“
Wie sehr der Begriff „Aberglaube“ emotional resp. religiös belastet ist, zeigt sich auch in folgendem: Bei den Alten Griechen war „deisidaimonia“ die kleingläubige Furcht vor Göttlichem und Dämonischem. Beim römischen Komödiendichter Plautus (200 v. Chr.) war der „superstitiosus“ ein Wahrsager und Prophet. Der römische Historiker Tacitus (um 100 n. Chr.) hat das zu seiner Zeit noch ganz junge Christentum als „superstitio“ bezeichnet. 1530 erliess der Rat der Stadt Zürich unter dem Eindruck der Zwinglischen Reformation ein Sittenmandat. Darin wurden verschiedene, von der römisch-katholischen Kirche gutgeheissene Bräuche kurzerhand als „gespänst- und aberglouben Gott zum höchsten missfällig“ bezeichnet. Messen, Altäre, Bilder, Gemälde, Lichter, Wallfahrten galten als „abgöttisch verfuerungen“ und wurden bei Strafe verboten (Helmut Hiller 1986, 271, 286).
1750-1849
J. Wallberger: Berühmtes Zauberbuch. 1760. Christian Hahnzog: Predigten wider den Aberglauben der Landleute. 1784. Leonhard Meister: Über Aberglauben, Einbildungskraft und Schwärmerei. 1795. F. L. Dobeneck: Des deutschen Mittelalters Volksglauben und Heldensagen. 2 Bände 1815. J. Graesse: Bibliotheca magica et pneumatica. 1843; Reprint Hildesheim 1960.
1850-1899
Joseph Fehr: Der Aberglaube und die katholische Kirche des Mittelalters in seinem Verhältnis zum Christentum... 1857. Heinrich Bruno Schindler: Der Aberglauben des Mittelalters. 1858. Adolf Wuttke: Der deutsche Volksaberglaube der Gegenwart. 1860, 4. ed. 1924. Amand Baumgarten: Aus der volksmässigen Überlieferung der Heimat. 3 Bände 1862-69. Joseph Virgil Grohmann: Aberglauben und Gebräuche aus Böhmen und Mähren. 1864. M. R. Buck: Medizinischer Volksglauben und Volksaberglaube aus Schwaben. 1865. Georg Friedrich Daumer: Das Geisterreich in Glauben, Vorstellung, Sage und Wirklichkeit. 1867. G. Lammert: Volksmedizin und medizinischer Aberglaube in Bayern. 1869. Hermann Frischbier: Hexenspruch und Zauberbann. Ein Beitrag zur Geschichte des Aberglaubens in der Provinz Preussen. 1870. Josef Haltrich: Die Macht und Herrschaft des Aberglaubens in seinen vielfachen Erscheinungsformen... 2. ed. 1871. Edm. Pfleiderer: Theorie des Aberglaubens. 1872. Jakob Grimm: Deutsche Mythologie. 3 Bände, 1875-78, Reprint Graz 1968-69. W. Mannhardt: Die praktischen Folgen des Aberglaubens. 1879. Mayo: Wahrheiten im Volksaberglauben. Um 1880. Carl Meyer: Der Aberglaube des Mittelalters und der nächstfolgenden Jahrhunderte. 1884; Reprint 1971. A. Fischer: Aberglaube unter den Angel-Sachsen. 1891. Otto Henne am Rhyn: Der Teufels- und Hexenglaube. 1892. Otto Henne am Rhyn: Eine Reise durch das Reich des Aberglaubens. 1893. M. Höfler: Volksmedizin und Aberglaube in Oberbayern. Gegenwart und Vergangenheit. 1893. Alfred Lehmann: Aberglaube und Zauberei von den ältesten Zeiten an bis zur Gegenwart. 1898, 3. ed. 1925; Reprint 1969.
1900-1949
A. Hellwig: Verbrechen und Aberglaube. Skizzen aus der volkskundlichen Kriminalistik. 1908. O. Stoll: Zur Kenntnis des Zauberglaubens, der Volksmagie und Volksmedizin in der Schweiz. 1908/9. E. John: Aberglaube, Sitte und Brauch im sächsischen Erzgebirge. 1909. Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg. 1909. Albert Freybe: Der deutsche Volksaberglaube. 1910. Erich Klingner: Luther und der deutsche Volksaberglaube. 1912. Karl Schefold, Werner Ernst: Der Aberglaube im Rechtsleben. 1912. Eduard Stemplinger: Antiker Aberglaube in moderner Ausstrahlung. 1922. Heinrich Marzell: Die heimische Pflanzenwelt im Volksbrauch und Volksglauben. 1922. Herbert Silberer: Der Aberglaube. 1923. Jul. von Negelein: Weltgeschichte des Aberglaubens. 2 Bände, 1931-35. Paul Diepgen: Deutsche Volksmedizin. 1935. Hanns Löhr: Aberglauben und Medizin. 1940. Will-Erich Peuckert: Deutscher Volksglaube des Spätmittelalters. 1942. Konrad Zucker: Psychologie des Aberglaubens. 1948. Ernst Modersohn: Im Banne des Aberglaubens. 1948. Eduard Stemplinger: Antiker Volksglaube. 1948.
1950-1969
Gustav Mensching: Das Wunder im Glauben und Aberglauben. 1957. Herbert Auhofer: Aberglaube und Hexenwahn. 1960. E. & M. A. Radford, Chr. Hole: Encyclopedia of Superstitions. 1961. Joachim Herrmann: Das falsche Weltbild. 1962. Paul Bauer: Horoskop und Talisman. Die Mächte des heutigen Aberglaubens und die Macht des Glaubens. 1963. Hermann Bausinger: Aufklärung und Aberglaube. In Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte. 1963. Joachim G. Leithäuser: Das neue Buch vom Aberglauben. Geschichte und Gegenwart. 1964. Liselotte Hansmann, Lenz Kriss-Rettenbeck: Amulett und Talisman. 1966. Gustav Jahoda: The Psychology of Superstition. 1969.
1970-1979
Dieter Harmening: Aberglaube und Alter. In Dieter Harmening et al. (Ed.): Volkskultur und Geschichte. 1970. Lutz Röhrich: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. 1973, 3. ed. 1979.. Reinhard Abeln: Moderner Aberglaube. Was von der „Okkultismus-Welle“ zu halten ist. 1975. Friedrich-Wilhelm Haack. Hexenwahn und Aberglaube in der Bundesrepublik. Eine Dokumentation. 2. ed. 1976. Hervé
Fillipetti, Janine Trotereau: Symboles et pratiques rituelles dans la maison
paysanne traditionelle. Paris: Berger Levrault, 1978; Dieter Harmening: Superstitio. Überlieferungs- und theoriegeschichtliche Untersuchung zur kirchlich-theologischen Aberglaubensliteratur des Mittelalters. 1979.
1980-1989
Henri-Charles Tauxe: Die unbekannte Schweiz: Ihre Stätten und ihre Geschichten. 1981 (vom „Volk der verhexten Hirten“). Peter Heining: Das grosse Gespenster-Lexikon. 1983. Michael Preute: Aberglauben GmbH. 1984. Astrid und Joachim Knuf: Amulette und Talismane. 1984. Gottfried Holtz: Die Faszination der Zwänge: Aberglaube und Okkultismus. 1984. Su’a’No-ta Sujja: Schamanische Magie im Alltag. 1985. Helmut Hiller: Lexikon des Aberglaubens. 1986 (mit sehr informativem geschichtlichem Nachwort). Gerd und Marlene Haerkötter: Hexenfurz und Teufelsdreck. Liebes-, Heil- und Giftkräuter: Hexereien, Rezepte und Geschichten. 1986. Ursula Bergmann: Hexeneinmaleins. Medien, Mythen, Manipulation. Hintergründe des Aberglaubens. 1987. Werner Grochol: Magie, Alchemie, Astrologie und die Heilkunde. Ein Beitrag zur Geschichte des Aberglaubens. 1988 (ungenau und konfus, hat wenig mit Heilkunde und Aberglaube zu tun; unbrauchbar). Otmar Schnurr: Aberglaube. Faszination und Versuchung. 1988.
1990-2000
Christian Wehr: Lexikon des Aberglaubens. 1991. D.-R. Moser (Ed.): Glaube im Abseits. Beiträge zur Erforschung des Aberglaubens. 1992. Jean-Claude Schmitt: Heidenspass und Höllenangst. Aberglauben im Mittelalter. 1993. Dagmar Schäfer: Aberglauben für den Alltag. 1995. Christoph Daxelmüller: Aberglaube, Hexenzauber, Höllenängste. Eine Geschichte der Magie. 1996. Ulrike Müller-Kaspar (Ed.): Handbuch des Aberglaubens. 3 Bände. Wien: Tosa 1996. David Adams Leeming: Storytelling Encyclopedia. Phoenix, Arizona: Oryx Press 1997. Walter Gerlach: Das neue Lexikon des Aberglaubens 1998; als Piper TB 2000 (schnippisch geschrieben, aber informativ von Aal und Abwehrzauber über Edelsteine und Ektoplasma bis Yeti und Zahlen) Ditte und Giovanni Bandini: Kleines Lexikon des Aberglaubens. 1998 (auf der Basis strenger Volkskunde, liebevoll und informativ von Aal und Adventswochen über Efeu und Ei bis Zwiebel und Zweites Gesicht) Jörgen Lach: Eine kognitionstheoretische Analyse des Aberglaubens. Überlegungen zu einem aufklärerischen Praxiskonzept. 1999. Bernd Harder: Was ist Aberglaube? 2000. Axel Stellmann: Rotes Haar – böser Blick. Über den Aberglauben. 2000.
Geheimlehre, Geheimwissenschaften
Seit dem 17. Jahrhundert wird der Begriff Geheimwissenschaften gleichbedeutend mit Okkultismus gebraucht. In seinem berühmten Rosenkreuzerroman „Le Comte de Gabalis, ou entretiens sur les sciences secretes“ (1670) - manche sprechen von einer satirischen Novelle - führt Abbé de Villars vier fingierte Gespräche mit einem deutschen Kabbalisten, eben dem Grafen von Gabalis. 1786 veröffentlichte Johann Gottlieb Stoll: „Etwas zur richtigen Beurteilung der Theosophie, Cabbala, Magie und anderer geheimer übernatürlicher Wissenschaften“.
1855-1857 gab J. Scheible 14 Bände in einer Schriftenreihe heraus: „Kleiner Wunder-Schauplatz der geheimen Wissenschaften, Mysterien, Theosophie, usw.“ Der 2. Band: Ferdinand Santanelli’s geheime Philosophie oder magisch-magnetische Heilkunde (1723). Der 4. Band: Die Cabbala des H. Cornelius Agrippa... mit der Ansicht eines alten Esoterikers über Schöpfung durch Zahlen und Worte.
Seit ca. 1800 wurde das deutsche Wort „Geheimlehre“ für die jüdisch-mystische Kabbala gebraucht.
1877 veröffentlichte Helena Blavatsky „Die entschleierte Isis“. Darin sagt sie, laut Hans-Dieter Leuenberger (117f), dass es seit jeher ein Geheimwissen gibt, das den gemeinsamen Kern aller grossen Weltreligionen und der wichtigsten philosophischen Systeme bildet. 1888 veröffentlichte sie ihr Hauptwerk: „The Secret Doctrine“ (dt.: „Die Geheimlehre“). Im Vorwort schrieb sie, dass der Titel gleichbedeutend sei mit dem „Esoteric Buddhism“ von A. P. Sinnett von 1883. Gemäss „Lexikon der Esoterik“ von Werner Bogun und Norbert Straet (1999, 49) gilt als gesichert, dass sowohl die Stanzen von Dzyan (das Kernstück der Geheimlehre, ein geheimes Buch, das über die Entstehung der Welt und des Menschen berichtet) wie auch die Kommentare dazu allein aus der Feder von Frau Blavatsky stammen und der „Meister Djwal Khul“, der ihr alles diktiert haben soll, lediglich in ihrer Vorstellung existierte.
Der Freimaurer und Theosoph Franz Hartmann schrieb 1895 „Geheimlehre in der christlichen Religion nach den Erklärungen von Meister Eckhart“, 1898 „Geheimschulen der Magie und ‚okkulten Übungen‘“ sowie 1899-1900 zwei Bände „Populäre Vorträge über Geheimwissenschaft“. Ebenfalls 1899 gab er eine Kurzfassung von Helena Blavatskys Hauptwerk auf Deutsch heraus („Grundriss der Geheimlehre“).
1910 prägte der Theosoph Rudolf Steiner - der 1913 seine eigene Gesellschaft, die „Anthroposophie“ gründete - den Begriff „Geheimwissenschaft“ für seine Lehre, den er später durch die gleichbedeutenden Begriffe „Okkultismus“ und Geisteswissenschaft“ (seit 1906 gebraucht) ersetzte. Ohne Zweifel wollte er damit seine eigene Lehre derjenigen von Blavatsky entgegenstellen. Dahinter steht die Vorstellung, dass das esoterische Wissen in der Vergangenheit durch die „Arkandisziplin“ (= Pflicht zur Geheimhaltung) von einer Verbreitung in die Öffentlichkeit geschützt war und als „geheim“ gelten konnte (nach Marc Roberts).
Rudolf Steiner: Die Geheimwissenschaft im Umriss. 1910: ca. 33. ed. 1996. Ernst
Issberner-Haldane: Arisches Weistum. Aufklärende Abhandlungen über die
einzelnen Gebiete der Geisteswissenschaften. 1935,
Arthur Weber gab 1902-1905 ca. 17 Bände „geheimwissenschaftliche Vorträge“ in der Theosophischen Centralbuchhandlung Leipzig heraus; ab 1909 gab es hier dann „geisteswissenschaftliche Vorträge“, unter anderem von Annie Besant.
Geheimwissenschaft allgemein
Seit der Gründung der Theosophischen Gesellschaft spricht man offenbar gerne von Geheimwissenschaften. Ein früher Titel war von François Lenormant: Die Geheimwissenschaften Asiens. Die Magie und Wahrsagekunst der Chaldäer. 1878.
Wenig Ergiebiges steuerte der bekannte Philosoph und Spiritist Carl Du Prel bei. In seinen „Studien aus dem Gebiete der Geheimwissenschaften. Erster Teil: Tatsachen und Probleme“ (1890, 2. Auflage 1905) beschreibt er die „mystischen Tatsachen“, als da sind: Hexen und lebendig begrabene Fakire, Pflanzenwachstum, Somnambulismus und die Kopfuhr, Spiritismus, Irrsinn, die Feuerfestigkeit des menschlichen Körpers („Der Salamander“) und Hypnotismus. Du Prel scheint fixiert auf Mesmers Magnetismus und das Schlafwandeln. Denn auch in seinem Reclambüchlein „Das Rätsel des Menschen. Einleitung in das Studium der Geheimwissenschaften“ (1892) schildert er unter Verweis auf Paracelsus, Swedenborg und Kant Spiritismus, Somnambulismus und Hypnotismus. Es ist eine philosophisch-psychologische Abhandlung ohne empirische Belege.
G. H. Berndt: Das Buch der Wunder und Geheimwissenschaften. 1891. Papus:
La Science des Mages et ses applications théoriques et pratiques. Petit
résumé de l’occultisme. 1892; Carl Du Prel: Die Entdeckung der Seele durch die Geheimwissenschaften. 2 Bände 1893-94.
Carl Kiesewetters dickes Buch „Die Geheimwissenschaften“ (1895; Neudruck 1977) enthält nichts von Parapsychologie, dafür Alchemie, Astrologie und Mantik sowie Hexentum).
Max Dessoirs Bestseller „Vom Jenseits der Seele. Die Geheimwissenschaften in kritischer Betrachtung“ (1917, 6. ed. 1931; erneut 1979) hat vier Hauptteile:
Theodor-Wilhelm Danzel beginnt in seinem Buch „Magie und Geheimwissenschaft in ihrer Bedeutung für Kultur und Kulturgeschichte“ (1924) bei den Primitiven. Dann kommen Mexiko und Peru, Assyrien und Babylonien, Ägypten, China und Indien. Gegen Ende gibt es noch ein bisschen Kabbala, Alchemie und Mantik. Geheimwissenschaft ist für Danzel „eine Ordnung von allerlei Wissen um den Sinn, der magischen Handlungen zugrunde liegt“.
Von 1916-46 wies das „Bibliographische Bulletin der schweizerischen Landesbibliothek“ die Rubrik auf: „Philosophie, Ethik, Geheimwissenschaft (sciences occultes).“ In der deutschen Bibliographie wird von 1956-80 unter „Esoterik“ stets auf „Geheimlehre“ verwiesen; erst ab 1981/85 ist „Esoterik“ ein eigenständiges Schlagwort.
Wichtige Übersichtswerke sind
Esoterisch, Esoterik
Das Wort „esoterisch“ stammt von den alten Griechen. Es war bis ca. 1700 nur im Bereich der Philosophie gebräuchlich, und zwar für die Schriften des Aristoteles. Sie wurden eingeteilt in exoterische (z. B. populär gehaltene Dialoge) und esoterische (Vorträge über schwierigere Themen). Gelegentlich bezeichnete man (seit Jamblichus) auch die Schüler und die Lehre des Pythagoras als esoterisch. Die Unterscheidung von exoterischen und esoterischen Schriften blieb bis 1720 rein pädagogisch. Erst dann übertrug sie der Deist John Toland auf eine religiöse Ebene in seiner Schrift Tetradymos“, wo er die exoterische und die esoterische „Philosophie“ unterscheidet.
Ebenfalls wurde seit 1700 der Begriff allgemeiner gebraucht, und zwar in der Grundbedeutung „nur für die Eingeweihten bestimmt“. Im Englischen gibt es den Begriff „esoterick“seit 1660, im Französischen „ésotérique“ seit 1752, im Deutschen „esoterisch“ seit ca. 1780 und im Italienischen „esoterico“ seit 1785.
Die weitere Entwicklung des Wortes verläuft in allen Sprachen zeitlich und bedeutungsmässig fast gleich. Etwa 1820 schrieb der deutsche Philosoph Hegel: „Das Esoterische ist das Spekulative“. Zur gleichen Zeit schrieb der merkwürdige Professor Christian Ernst Wünsch: „Esoterica oder Ansichten der Verhältnisse der Menschen zu Gott. Nebst neuen Erörterungen unserer heiligen Urkunden der Geschichte der Menschheit“ (2 Bände, 1818).
Das Wort „ésotérisme“ taucht erstmals 1828 im Französischen auf und nicht viel später als „esoterism“ (1835) und „esotericism“ (1846) im Englischen und als „esoterismo“ 1846 im Italienischen. Einen wichtigen Gebrauch findet sich beim Freimaurer und Sozialisten Pierre Leroux im zweiten Band seines Werkes „ De l‘Humanité“ (1840).
Der erste Bestseller in diesem Bereich stammt von Thomas L. Nichols, einem Pionier der Wasserkur (1850) und der Naturheilkunde (1875). Das Buch trägt den Titel „Esoteric Anthropology“ (1853) und erschien 1916 in 14. Auflage (Reprint 1972). Ein weiterer früher Titel stammt von Albert Freiherr von Thimus: „Die harmonikale Systematik des Altertums. 1. Abteilung: Die esoterische Zahlenlehre und Harmonik der Pythagoreer“, 1868.
In „Isis entschleiert“ (1877) verkündete Helena Blavatsky „die esoterische Lehre“. 1883 schrieb einer der Theosophen der ersten Stunde, A. P. Sinnet, das Buch „Esoteric Buddhism“ (dt.: Die esoterische Lehre oder Geheimbuddhismus, 1884), womit er die neue Lehre der Theosophischen Gesellschaft meinte. Der Titel bildet den Kontrast zu dem kurz vorher von Anna Bonus Kingsford entdeckten „esoterischen Chistentum“. Der grosse Buddhismus-Kenner Edward Conze (1949) meinte, Sinnett habe in seinem erfolgreichen Buch „alle möglichen, oft reichlich mysteriösen, aber hochinteressanten Gedanken“ vorgetragen. Schon 1881 hatte Henry Steele Olcott, ein Gründer der TG, „A Buddhistic Katechism“ veröffentlicht (44. ed. 1914); deutsch: „Ein buddhistischer Katechismus. 1887.
Bereits 1884 erschien von Thomas Lake Harris in theosophischer Sicht: „The wisdom of the adepts. Esoteric science in human history“ (Reprint 1975). 1886 gründete Helena Blavatsky die ES, die „Esoterische Schule“, als innere Abteilung der Adyar-Theosophischen Gesellschaft. Ab etwa 1890 bezeichnete Helena Blavatsky ihre Anhänger als „Esoteriker“ (= Eingeweihte in die Geheimnisse einer Religion, Lehre, Schule oder Sekte).
1898 gab Annie Besant aus nachgelassenen Schriften von Helena Blavatsky den dritten Band der „Geheimlehre“ heraus, und zwar unter dem Titel „Occultism“. Die deutsche Übersetzung davon erschien 1919 unter dem Titel: „Esoterik“.
Einige Verwirrung schuf auch Annie Besant mit Buchtiteln wie: The Ancient Wisdom. 1897; Esoteric
Christianity, or: The Lesser Mysteries. 1898; Occultism, semi-occultism ans pseudo-occultism. Lecture 1898. Thought power. 1901. (zusammen mit C. W. Leadbeater): Occult chemistry. 1908. The meaning and method of spiritual life. 1911. The spiritual life. 1912. Initiation, the perfecting of man. 1912. Mysticism. 1914.
Viel Verwirrung schuf auch Alice Ann Bailey mit Buchtiteln wie: The consciousness
of the atom. 1922; Letters on occult
meditation. 1922; Spiritual Leadership. 1922. Esoteric Healing; What is an esoteric school? 1944. Esoteric Astrology.
1951;
Die Vielschreiberin Dion Fortune (berühmtes Mitglied des Golden Dawn) trug einiges zur Begriffsverwirrung bei mit Buchtiteln wie
Ebenfalls viel Verwirrung hat der Theosoph Gottfried von Purucker angerichtet. Er verwendet okkult und esoterisch gleichbedeutend. Seine „esoterische Philosophie“ hat ebenfalls nichts mit der Schulphilosophie zu tun. Im einzelnen:
Weitere theosopische Schriften mit dem Titel Esoterik:
In Hannover gibt es seit 1974 einen „Verlag Esoterische Philosophie“, der explizit als theosophisch deklariert ist und v. a. die Schriften von Purucker aus den 30er Jahren herausgibt.
Das „esoterische Christentum“
Das „esoterische Christentum“ wurde um 1880 von Anna Bonus Kingsford „entdeckt“. Sie gründete die „Hermetische Gesellschaft“, welche mit den Theosophen und dem Golden Dawn in engem Kontakt stand. Ihr enger Freund Edward Maitland gründete nach ihrem frühen Tod (1888) 1891 die „Esoteric Christian Union“. Das bekannteste Buch von Anna Kingsford heisst „The Perfect Way“ (1881). Die Jungianerin Aniela Jaffé hat sich damit auseinandergesetzt: „Anna Kingsford – Religiöser Wahn und Magie“ (1980, Neuausgabe 1986).
Der Geistheiler Warren Felt Evans bemächtigte sich sofort des Themas und schrieb: „Esoteric Christianity and mental therapeutics“ (1886). Doch es waren die Theosophen, welche die Idee weitertrugen. Helena Blavatsky hatte schon 1887/88 eine Studie über „The esoteric character of the Gospels“ publiziert. William Kingsland beleuchtete die „Esoteric Basis of Christianity“ (1895) und Annie Besant folgte 1898 mit ihrem „Esoterischen Christentum“. 1910 folgte Max Heindels „Weltanschauung der Rosenkreuzer“ mit dem Untertitel „or occult christianity“ (engl.) resp. „mystisches Christentum“ (dt., 1913).
Literatur dazu: Georg Sulzer: Moderne indische Theosophie und Christentum. 1909. Max Seiling: Theosophie und Christentum. 1910. Rudolf Steiner: Das esoterische Christentum und die geistige Führung der Menschheit. Vorträge 1911/12. Friedrich Niebergall: Idealismus, Theosophie und Christentum. 1919. Hermann Rudolf: Theosophie und Christentum. 1920. Martin Werner: Anthroposophisches Christentum? 1939. Andreas Binder: Wie christlich ist die Anthroposophie? 1989.
1963 wurden nachgelassene Schriften von Paul Sédir (einem Mitarbeiter von Papus; gest. 1926) unter dem Titel „Esoterisches Christentum“ publiziert. 1967 schrieb Ernst Benz über „Esoterisches Christentum“. 1975 publizierte Ronald P. Beesley sein Buch „Esoteric Christianity“ und spannte Gerhard Wehr in seinem „Esoterischen Christentum“ den Bogen von der Gnostik über Jakob Böhme bis Helena Blavatsky, Rudolf Steiner und C. G. Jung. 1999 veröffentlichte Cosmas Bereda: „Christliche Esoterik und esoterisches Christentum an der Jahrtausendwende“.
Wolfgang Wegener: Die sieben Anfänge christlich-esoterischer Einweihung (rosenkreuzerisch). 3 Bände 1961. Im März 1974 und 1976 organisierten die Rosenkreuzer „Esoterische Tage“ in Kassel. Seit 1985 gibt es ein Organ der Brüderschaft vom Christian Rosenkreuz (Kreuzlingen) mit dem Titel: „Das esoterische Christentum“.
An der Ecole Pratique des Hautes Etudes in Paris gibt es seit 1965 einen Lehrstuhl für „Geschichte der christlichen Esoterik“
„Esoterik“ allgemein
1892 veröffentlichte der französische Journalist Jules Bois (ein Anhänger des Satanisten Boullan) ein „esoterisches Drama“: „Les Noces de Satan“.
Im Jahre 1900 erschienen die folgenden Titel: Joseph Stewart: The esoteric art of living. Sarah Stanley Grimke: Esoteric lessons.
1908 erschien von Ely Star: Les Mystères du Verbe. Etudes ésotériques sur la vie, les formes et les couleurs. Paris.
1929 wurde in den USA das Wort „Esoterica“ für Bücher oder Lehren bestimmter Art gebraucht – analog „Erotica“. 1925 schrieb René Guénon über „L’Esotérisme de Dante“. 1930: Fulcanelli: Les Demeures philosophales, et le symbolisme hermétique dans ses rapports avec l’art sacré et l’ésotérisme du grand oeuvre. 1930, 3. ed. in 2 Bd. Paris 1965. Von Fernando Pessoa (gest. 1935) erschienen 1989 „Esoterische Gedichte“ 1939 erschien von Giuseppe Leti und Louis Lachat: L’ésotérisme à la scène: La Flûte enchantée, Parsifal, Faust. Auguste-Edouard Chauvet: Esoterérisme de la Genèse. 1946-48. Jean Richer: Gérard de Nerval et les doctrines ésotériques. 1947. Manly Palmer Hall: The Adepts in Western Esoteric Tradition. Los Angeles 1949 (Freimaurer). Paul Radin: The Esoteric Rituals of the North American Indian. In Eranos-Jahrbuch 19, 1951, 283ff. Paul Arnold: L’ésotérisme de Shakespeare. 1955; Erik Holm: Esoterik des Interieurs. Das Vermächtnis Vermeer van Delft. Antaios Bd. 5, H. 1 (Mai 1963), 49-63. Paul Arnold: Esotérisme de Baudelaire. 1972. Stephan Otto: Esoterik und individualistische Gnosis. Der mönchische Platonismus des Euagrios Pontikos. In: Die Antike im Umbruch. Geschichte des politischen Denkens. 1974, 65-81.
Ab und zu gab es eine allgemeine Verwendung von Esoterik: Fritz Meier: Das Problem der Natur im esoterischen Monismus des Islam. In Eranos-Jahrbuch 14, 1947, 149ff. Hans Wolff: Die Adon-Hiram Legende. Schriftenreihe „Das esoterische Weltbild“. Landsberg 1951, 2. ed. 1955 (Pansophische Akademie der Rosenkreuzer). Gérard van Rijnberk: Episodes de la vie ésotérique. 1780-1834 (Willermoz) Gérard van Rijnberk: Le Tarot. Histoire, Iconographie, Esotérique. Lyon 1947. Anagarika Govinda: Grundlagen tibetischer Mystik. Nach den esoterischen Lehren des grossen Mantra Om Mani Padme Hûm. 1957 und öfters. Mary Elizabeth Gilmore: An esoteric dictionary. 1957. Esoterik und Wissenschaft. Mitteilungsblatt für Forschungsergebnisse. OEARC – Freie Akademie zur Koordinierung von Esoterik und Wissenschaft, München. Ab 1963. Karl Spiesberger: Esoterische Lebensformung in Theorie und Praxis 1964 (= Band 1 des „Hermetischen ABC“) Alice und Friedrich Tobolewsky: Stützpfeiler der Esoterik. Kosmologische Begebenheiten. Eigenverlag 1970. Bhagwan Shree Rajaneesh: The inward
revolution. 1973; Ernst Issberner-Haldane (gest. 1966): Karma-Astrologie. Esoterische Studie über die Planeten Saturn und Neptun.
„Esoterik“ als Sammelbezeichnung
1940 erschien in Paris eine „Bibliotheca esoterica“ (Reprint 1975). Dieses bibliographische Handbuch verzeichnete 6707 französische Buchtitel zu Alchemie und Astrologie, Kabbala und Magie, Mystik, Hexerei, Spiritismus, usw. Dieses Werk markiert den Beginn einer neuen Verwendung des Begriffs Esoterik, nämlich als Sammelbezeichnung für alles, was früher unter Okkultismus oder Geheimwissenschaft oder Aberglauben lief. Freilich wurde diese Bedeutungsvariante in den ersten dreissig Jahren nur selten benutzt, z. B. von
Dieser Gebrauch von Esoterik wurde erst seit 1970 im angelsächsischen Sprachraum und seit etwa 1980 im deutschsprachigen Raum aufgenommen.
Etwa Mitte der 80er Jahre begannen mehrere deutsche Taschenbuch-Verlage, spezielle „Esoterik“-Reihen herauszugeben. Anfang 2000 umfasst die Reihe von Knaur (seit 1984) über 250, diejenige von Heyne (seit 1985 „esoterisches Wissen“) über 160, diejenige von Goldmann über 100 und die Ullstein-Reihe über 50 Titel.
Wichtige Bücher sind:
3. Zwischen diesen Bedeutungen wird „Esoterik“ in einem vagen Sinne für den „Weg nach innen“ gebraucht, unabhängig davon ob es dazu „Einweihung“ oder „Offenbarung“ braucht oder nicht. Gerne werden für die dabei gewonnenen Erkenntnisse in einem sehr verallgemeinerten Sinn die Wörter spirituell, gnostisch, transzendent, mystisch oder metaphysisch gebraucht. (Diese Wörter stammen ursprünglich aus dem Bereich der Philosophie und Theologie). Für den Weg nach innen kann man sich heute wie in einem Selbstbedienungsladen allen „öffentlich“ gewordenen „okkulten“ Anschauungen, Geheimlehren oder hermetischen Praktiken bedienen. Selbsternannte Therapeuten, Schamanen und Gurus bieten ihre Unterstützung an.
Georg Schmid („Im Dschungel der neuen Religiosität“ 1992) sieht in der Esoterik „die Liebe zum überall verborgenen inneren Geheimnis alles Wirklichen“. Diese Auffassung ist von den Theosophen inspiriert und wurde vor allem von der Bewegung des „New Age“ (1969-90) und den Anhängern der „Analytischen Psychologie“ C. G. Jungs vertreten.
Arkandisziplin, Arkanschule
„Disciplina arcani“ wurde schon im 17. Jh. für christliche Riten gebraucht, zu welchen der Ungetaufte keinen Zutritt hatte, und zwar im Anschluss an die Geheimhaltungsgebote der antiken Mysterienkulte. Als Arkandisziplin galt auch die Alchemie weil sie nur mündlich von Lehrer auf den Schüler weitergeben wurde. Emanuel Swedenborg nannte seine „Privat-Offenbarungen“: „Arcana coelestia“ (1749-56; dt. 1842-70).
Die Esoterische Schule der Theosophischen Gesellschaft sollte ursprünglich nach dem Buch eines Freundes von Helena Blavatsky, des englischen Hochgradfreimaurers John Yarker („The Arcane Schools“), Arkanschule heissen. Diese Idee griff später die Theosophin Alice Bailey auf. Sie gründete 1923 in New York die sogenannte Arkanschule als Übungsschule für Meditation. Diese Schule betrachtet sich als "magnetisches Zentrum" der gesamten Freimaurerei. Alice Baileys Mann war Freimaurer. Vielleicht hat sie auf seinem Schreibtisch die seit 1904 erscheinende Monatszeitschrift der US-Hochgradfreimaurer, das in mehreren 100 000 Auflage erscheinende "New Age Magazine", gesehen. Der Schulleiter der Arkanschule in Genf war gleichzeitig Generalsekretär der Universellen Freimaurer-Liga. Die Arkanschule existiert heute noch im Rahmen des 1922 gegründeten Lucis-Trusts.
Hermetisch, Hermetik
Hermetisch wird in einem engeren und in einem weiteren Sinne gebraucht. Im engeren bezeichnet man damit die 17 Schriften des sog. „Corpus Hermeticum“( um 100 n. Chr. entstanden) sowie die Tabula Smaragdina. Im weiteren Sinne bezeichnet man damit auch die Alchemie, denn eines der wichtigsten Sammelwerke alchemistischer Traktate erschien 1625 unter dem Titel „Musaeum Hermeticum“. Eine englische Übersetzung gab A. E. Waite 1893 heraus. (Sonst hiessen die Sammelwerke eher „Ars Chemica“ oder „Theatrum Chemicum“.) Ein weiteres alchemistisches Werk von Pantaleo trug den Titel: „Hermeticae Sophiae peritus“, 1679. Nicholas Lenglet de Fresnoys dreibändiges Werk „Histoire de la Philosophie Hermétique“, 1742, wurde 1975 bei Olms nachgedruckt. Der Benediktiner Dom Pernetty veröffentlichte 1758 einen „Dictionnaire mytho-hermétique“. (Er gründete später die „Illuminés d’Avignon“.) Ein „Hermetisches ABC...vom Stein der Weisen“, das 1778-79 erstmals in vier Teilen erschienen ist, wurde immer wieder neu herausgegeben, z. B. 1921 und 1979. Zwei alchemistische Schriften waren von Cyliani „Hermès dévoilé“ (1832) und von Cambriel „Cours de philosophie hermétique“ (1843). Ein dreibändiges Sammelwerk auf Englisch erschien 1890-93 unter dem Titel „Hermetic Philosophy“. Der italienische Baron Julius Evola beschreibt in seinem Buch „La Tradizione Ermetica“ (1931; dt.: „Die Hermetische Tradition“ 1989) nicht die Schriften des Hermes Trismegistos, sondern die Alchemie!
Hermes Trismegistos spielt auch im sog. „Cooke-Manuskript“ der Freimaurer (um 1410) eine Rolle. Lennhoff/Posner berichten:“ In dessen Legende findet Hermes Trismegistos nach der Sintflut die eine der beiden Säulen, Pythagoras später die andere, in die vor dem grossen Wasser alles Wissen von Lamechs Söhnen eingegraben worden war. Hermes Trismegistos ist hier also gleichsam der erste Lehrer der Menschheit, der ‚Vater aller Weisheit‘.“ Hermes Trismegistos gilt auch als Erfinder der Alchemie und der Magie, daher der Name „hermetische Kunst“ für die Alchemie, die in einer hermetischen Kette als Geheimlehre weitergegeben wird (nach Lennhoff/Posner).
Seit 1740 ist viel Hermetisches in die Freimaurerei eingedrungen.
Der 1883/90 gegründete „Golden Dawn“, nannte sich „Hermetischer Orden von der Goldenen Dämmerung“. Er nahm auch Frauen auf und wurde zu einer der einflussreichsten Strömungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Viele Mitglieder taten sich als populäre Autoren hervor, z. B. der für seine Deutungen des Tarot bekannte Arthur E. Waite (seit 1886), ferner Bram Stoker („Dracula“ 1886), Wynn Westcott (1887), Arthur Machen (1890), J. W. Brodie-Innes (1892), der Nobelpreisträger W. B. Yeats (Das Drama „Gräfin Kathleen“ 1892), Algernon Blackwood (1907), Gustav Meyrink ( auch Theosoph und Freimaurer; 1916), die bekannte Okkultistin Dion Fortune (1927) und Francis Israel Regardie (1935).
Wynn Westcott schrieb eine Reihe von Abhandlungen unter dem Titel „Collectanea Hermetica“ (1893-96).
Der Vielschreiber Karl Spiesberger verfasste 1964 ein zweiteiliges „Hermetisches ABC“: I. Esoterische Lebensformung in Theorie und Praxis; II. Magisch-mystische Schulung in Theorie und Praxis. Ein Reprint einer alten Übersetzung des Corpus Hermeticum (von Alethophilus 1706) erschien 1982 bei der „akasha“ Verlagsgesellschaft, Haar). Darin auch die Tabula Smaragdina.
Die beste wissenschaftliche Ausgabe mit englischer Übersetzung und Kommentar sind die „Hermetica“ von W. Scott und A. S. Ferguson (Oxford, 1924-36). Wichtige Kommentare:
In den USA wurde im Jahre 1980 die „Hermetic Academy“ gegründet, an der heute etwa 150 Forscher tätig sind.
Im weiteren Sinn wird hermetisch gleich gebraucht wie okkult oder esoterisch. So etwa bei Kybalion. Eine Studie über die hermetische Philosophie des alten Ägyptens und Griechenlands. Haar: "akasha" Verlagsgesellschaft mbH, ca. 1980 (offenbar 1960 ins Deutsche übersetzt, 1908 erstmals in Chicago erschienen; hat nichts mit dem alten Ägypten und Griechenland zu tun) Raphael: Hermetische Lehrbriefe, über die grosse und die kleine Welt. 1908. Der okkulte Schriftsteller G. W. Surya gab 1921-23 11 Bände über „okkulte Medizin“ heraus; der 11. Band trug den Titel „Hermetische Medizin“ (1923). Später wurde daraus ein Band „Okkulte Diagnostik und Prognostik“ (6. ed. 1982).
Seit 1977 erscheinen in Paris die „Cahiers de l’hermétisme“.
C. G. Jung, Karl Kerényi, Max Pulver et al: Das hermetische Prinzip in Mythologie, Gnosis und Alchemie. Eranos-Jahrbuch 9, 1942. Antoine Faivre, Rolf C. Zimmermann (Ed.): Epochen der Naturmystik. Hermetische Tradition im wissenschaftlichen Fortschritt. Berlin 1979. Mirko Sladek: Fragmente der hermetischen Philosophie in der Naturphilosophie der Neuzeit. Frankfurt: Peter Lang 1984 (Diss. Heidelberg; nicht ganz begriffssauber, aber interessant; wichtige neuere Literatur nicht berücksichtigt). Ingrid Merkel, Allen G. Debus (Ed.): Hermeticism and the Renaissance. Washington 1988. S. A. MacKnight: Sacralizing the Secular. The Renaissance Origins of Modernity. 1989. Antoine Faivre: The Eternal Hermes. From Greek God to Alchemical Magus. 1995.
Vom Spiritismus zur Parapsychologie
Spiritismus ist die Lehre von den Geistern, besonders Verstorbener, mit denen der Mensch in Verbindung treten möchte. Seit einem Spukereignis 1848 im Hause Fox bei New York breitete sich der Spiritismus explosionsartig aus. Vermutlich gab ein Buch von Allan Kardec („Le livre des ésprits“, 1857; engl.: „The Lives of the Spirits“) dem Gebiet den Namen. Vier Jahre später publizierte er: „Le Livre des médiums“ (engl. „Medium’s Book“). Daraus entstand eine ganze Bewegung, der Kardecism, insbesondere in Brasilien und den Philippinen. Seither spricht man auch von „Mediumismus“.
Die wissenschaftliche Erforschung der Phänomene begann in England: Die 1867 in London gegründete „Dialektische Gesellschaft“ legte im Sommer 1870 einen umfassenden Bericht zum Spiritismus vor (Fanny Moser 1974, 76-81). Er wurde von Alexander Aksakow unter dem Titel „Report on Spiritualism“ publiziert. Die Deutsche Übersetzung erschien bald darauf:
1882/4 wurden zur weiteren wissenschaftlichen Untersuchung dieser und anderer Phänomene (Telepathie, Telekinese, Materialisation – aber auch des sog. „tierischen Magnetismus“, von Hypnotismus, Schlafwandeln und Traum) in England und USA je eine „Society for Psychical Research“ gegründet.
Da im Englischen seit etwa 1870 meist „spiritualism“ für den Spiritismus gebraucht wird (z. B. bei W. Crookes) heisst es in deutschen Übersetzungen oft Spiritualismus.
Wichtige Bücher:
Etwa seit 1890 verwendete man für diesen Bereich auch den Begriff „Okkultismus“, daher tragen wichtige Bücher folgende Titel:
Ebenfalls seit der Jahrhundertwende versuchte man dieses Gebiet als „Parapsychologie“ zu bezeichnen. Der Begriff wurde bereits 1889 von Max Dessoir vorgeschlagen. Einer der vier Hauptteile in seinem Bestseller „Vom Jenseits der Seele“ (1917) trägt den Titel „Parapsychologie“. Mit Reprint setzte sich auch Hans Driesch für diese Bezeichnung ein. Eine Renaissance, ja einen richtigen Boom, erlebte die Parapsychologie – zusammen mit dem Begriff Psi – in den 70er Jahren. Im Französischen spricht man seit ca. 1910 gerne von „Metapsychique“; der Begriff „Metapsychologie wurde 1837 von Görres vorgeschlagen.
Eine Geschichte in zwei Bänden hat der Wissenschaftsjournalist Brian Inglis vorgelegt: Natural and Supernatural. A History of the paranormal from the earliest times to 1914. 1977. Science and Parascience. A History of the paranormal 1914-1939. 1984.
(Arthur Schopenhauer: Parapsychologische Schriften. 1961.)
1900-1949
Théodore Flournoy: Esprits et Médiums. Mélanges de Métapsychique et de Psychologie. 1911. Traugott Konstantin Österreich: Grundbegriffe der Parapsychologie. 1921. Charles Richet:
Traité de métapsychique, 1922; K. Gruber: Parapsychologische Erkenntnisse. 1925. Hans Driesch: Parapsychologie. Die Wissenschaft von den „okkulten“ Erscheinungen. 1932. Albert Freiherrr von Schrenck-Notzing: Die Entwicklung des Okkultismus zur Parapsychologie in Deutschland. Aus dem Nachlass. 1933.
1950-1959
Rudolf Tischner: Ergebnisse okkulter Forschung. Eine Einführung in die Parapsychologie. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1950. Hans Bender: Parapsychologie – ihre Ergebnisse und Probleme. 1953. C. D. Broad: Religon, philosophy and psychical research. 1953. Robert Amadou: La
parapsychologie. 1954; Peter Ringger: Parapsychologie. Die Wissenschaft des Okkulten. 1957, 2. ed. 1972 (gute, knappe, nüchterne Übersicht). Peter Ringger: Das Weltbild der Parapsychologie. Olten: Walter 1959.
1960-1969
R. K. Rao: Experimental Parapsychology. 1966. Al G. Manning: Helping Yourself with E. S. P. 1966. J. R. Symthies (Ed.): Science and ESP. Routledge & Kegan Paul 1967. Lawrence LeShan: Toward a general theory of the Paranormal. 1969.
1970-1974
M. Christopher: ESP, seers & psychics. 1970. Milan Rýzl: Parapsychologie. 1970 (aus dem Amer.). F. Zahler: Kleines Lexikon der Paranormologie. 1972. W. Keilbach: Religiöses Erleben. Erhellungsversuche in Religionspsychologie, Parapsychologie und Psychopharmakologie. 1973. Lyall
Watson: The Romeo Error. A Matter of Life and Death. 1974; Lawrence Le Shan: The Medium, the Mystic and the Physicist. 1974.
1975-1979
A. Parker: States of Mind: ESP and Altered States of Consciousness. 1975. D. Scott Rogo: Parapsychologie – Hundert Jahre Forschung. 1976. Gertrude R. Schmeidler (Ed.): Parapsychology. Its Relationship to Physics, Biology, Psychology and Psychiatry.1976. Werner F. Bonin: Wörterbuch der Parapsychologie und ihrer Grenzgebiete. Bern: Scherz 1976; als Fischer-TB 1981. Hermann Schreiber: Wörterbuch der Parapsychologie. 1976. O. Schatz (Ed.): Parapsychologie. 1976. J. Ludwig (Ed.): Philosophy and Parapsychology. 1977. Benjamin B. Wolman: Handbook of Parapsychology. 1977. B. Shapin, L. Coly (Ed.): The Philosophy of Parapsychology. 1977. Martin Ebon: Handbook of Parapsychology. 1978. L. Coly, B. Shapin (Ed.): Brain-Mind and Parapsychology. New York 1979. F. Petersohn et al.: Parapsychologie und Okkultismus in der Kriminologie. 1979.
1980-1984
Leonard Zusne, Warren H. Jones: Anomalistic Psychology. A Study of Magical Thinking. 1980; erweitert 1989. John Beloff (Ed.): Neue Wege der Parapsychologie. 1980. J. E. Alcock: Parapsychology. Science or Magic? 1981. Ivor Grattan-Guinness: Handbook of Parapsychology.1982. Ferdinand Zahlner: Paraphänomene und christlicher Glaube. 1982. E. Bauer et al. (Ed.): Spektrum der Parapsychologie. 1983. Andreas Resch (Ed.): Paranormale Heilung. 1984.
1985-1989
P. Kurtz (Ed.): A skeptic’s handbook of parapsychology. 1985. G. Frei: Probleme der Parapsychologie. 1985. Hoyt L. Edge et al.: Foundations of Parapsychology. 1986. H. J. Irwin: An introduction to parapsychology. 1989. W. G. Roll: This world or that. An examination on parapsychological findings suggestive of the survival of human personality after death. 1989.
1990-1999
Serena
Roney-Dougal: Where Science and Magic Meet. 1991; Arthur S. and Joyce Berger: The Encyclopedia of Parapsychology and Psychic Research. 1991. Gerald L. Eberlein (Ed.): Schulwissenschaft, Parawissenschaft, Pseudowissenschaft. 1991. Andreas Resch (Ed.): Aspekte der Paranormologie. 1992 (20 Kongressbeiträge) John Beloff: Parapsychology. A concise history. London: Athlone 1993. Gerald L. Eberlein: Kleines Lexikon der Parawissenschaften. 1995. H. B. Price: Philosophical interactions with parapsychology. 1995. Anita Höhne: Lexikon des Übersinnlichen. Parapsychologie, Esoterik und New Age. 1996. G. Stein (Ed.): The Encyclopedia of the Paranormal. 1996. D. R. Griffin: Parapsychology, philosophy, and spirituality. A postmodern exploration.1997. Irmgard Öpen et al. (Ed.): Lexikon der Parawissenschaften. Astrologie, Esoterik, Okkultismus, Paramedizin, Parapsychologie kritisch betrachtet. 1999 (ausserordentlich kritisch zu Astrologie, Parapsychologie, alternativen Heilmethoden, New-Age-Physik).
Eine Sammlung von Essyas, die 2000 zum 25. Jahrestag der Gründung des Committee for the Scientific Investigation of Claims of the Paranormal (CSICOP), trägt den Titel “Skeptical Odysseys”.
1946 führten die beiden englischen Psychologen Robert Thoulness und W. P. Weisner die Funktion „Psi“ für das Gemeinsame an Aussersinnlicher Wahrnehmung (ASW, engl. Extrasensory Perception, ESP) und Psychokinese (PK) ein. Mit der Zeit wurde PSI immer mehr auch für allerlei andere Phänomene gebraucht. Ein Bestseller wurde von Sheila Ostrander und Lynn Schroeder: „Psychic Discoveries Behind the Iron Curtain“. 1970; dt.: „PSI – Die wissenschaftliche Erforschung und praktische Nutzung übersinnlicher Kräfte des Geistes und der Seele im Ostblock“. 1971. Weitere Titel:
1969
Cavanna, M. Ullman (Ed.): Psi and Altered States of Consciousness. New York 1969.
1970-1974
Jule Eisenbud: Psychologie mit Psi. Die Bedeutung der Psi-Kräfte für die Analyse und Therapie der menschlichen Psyche. Bern: Scherz 1974 (engl. 1970). A. Stelter: Psi-Heilung. 1973. Eberhard Bauer (Ed.): Psi und Psyche. Festschrift für Prof. Hans Bender. Stuttgart 1974. Sheila Ostrander, Lynn Schroeder: Handbook of PSI Discoveries. 1974.
1975-1979
Sheila Ostrander,
Lynn Schroeder: Executive ESP; G. L. Playfair: Phantastische Psi-Phänomene. 1976. Martin Ebon: Psi in der UdSSR. 1977. Hans Geisler: Lebenshilfe durch Psi. 1977. Louisa Ella Rhine: Psi. Was ist das? 1977. Hans Holzer: Psi-Kräfte. 4. ed. 1978. B. Shapin, L. Coly (Ed.): Psi and States of Awareness. 1978. C. B. Nash: Science of Psi: ESP and PK. 1978. H. J. Irwin: Psi and Mind. An Information Processing Approach. 1979.
1980-1989
J. Mishlove: Psi Development Systems. 1983. Ernst Meckelburg: Geheimwaffe PSI. 1984. Lawrence
LeShan: From Newton to Psi. 1984; Eberhard Bauer, W. von Lucadou (Ed.): PSI – Was verbirgt sich dahinter? Wissenschaftler untersuchen parapsychologische Erscheinungen. 1985. Elie Méric: PSI – Geist ohne Grenzen. 1987. Antonin Ralis: PSI als Weg zu kosmischem Denken. 1988. Harald Wiesendanger: Die Jagd nach Psi. 1989. Elmar Gruber: PSI-Lexikon. Geheimes Wissen, Lexikon der Parapsychologie. 1998 (das ist eine CD-ROM).
Grenzwissenschaften
„Grenzwissenschaften“ wird in zwei ganz verschiedenen Bedeutungen verwendet. Entweder streng bezogen auf die Parapsychologie oder der Wortbedeutung nach auf alle Forschungsgebiete „zwischen“ den etablierten Wissenschaften. Dazwischen liegt der „Buchhändler“-Begriff für alles, was nicht herkömmlichen Rubriken zuzuteilen ist.
1. Parapsychologie
Carl Du Prel: Beiträge zur Grenzwissenschaft. C. du Prel gewidmet von Hager et al. 1899. Willy Schrödter: Grenzwissenschaftliche Versuche für Jedermann. 3. ed. 1960. J. B. Rhine, J.
G. Pratt: Parapsychology. 1957; Marcus Gossler: Lexikon Grenzwissenschaften. 1988 (Schwerpunkt: Parapsychologie; dazu etwas Weniges zu Magie und Astrologie sowie zu physikalischen und kosmologischen Fragen). A. Pavese, M. Würmli: Handbuch der Parapsychologie. Einführung in den Bereich der Grenzwissenschaften. Mit 60 praktischen Beispielen.
1950 wurde in Deutschland aus privater Initiative eine Stätte zur Erforschung parapsychologischer Phänomene in Freiburg i. Br. errichtet, das „Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene“. Bald darauf wurde an der Universität ein analoger Lehrstuhl für .Seit 1952 erscheint in Österreich die Quartalsschrift „ Grenzgebiete der Wissenschaft“. Seit 1957 erscheint die Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie. Die seit etwa 1950 im Bauer-Verlag erscheinende Zeitschrift für Parapsychologie (Spiritismus) und verwandte Gebiete trägt bis heute den Titel „Esotera“. Sie hat ihr Themenspektrum im Laufe der Zeit stark ausgeweitet.
2. Unter die Grenzgebiete der Wissenschaft fallen „alle Themen und Gebiete aus dem Überlappungsfeld der Naturwissenschaften (besonders Physik, Astronomie und Biologie) mit den Geisteswissenschaften (Psychologie, Anthropologie und Archäologie), die von den heutigen wissenschaftlichen Fächern überhaupt nicht oder nur als Randfragen behandelt werden“ (Marc Roberts 1993). Wichtig dabei ist der Versuch, die Vorgänge und Erscheinungen einer Wirklichkeit jenseits der materiellen Welt mit wissenschaftlichen Methoden zu erforschen. Ähnlich steht es auch in einem Wörterbuch der DDR (Meyers Neues Lexikon, 1973) mit Hinweis auf die Biophysik und physikalische Chemie. In anderen Lexika, wie Herder, Meyer und Brockhaus, findet sich der Begriff nicht.
3. In ziemlich vager Bedeutung wurde der Begriff hauptsächlich von Buchhandlungen in den 50er bis 70er Jahren gebraucht. Seit 1979 erscheint der „Bauer-Fachkatalog der Grenzwissenschaften“. In den 80er Jahren trug eine Buchreihe des Goldmann-Taschenbuch Verlags die Bezeichnung „Grenzwissenschaften/Esoterik“; in den 90er Jahren hiess sie dann „Spiritualität/Esoterik“. In einem Artikel setzte die NZZ 1985 Esoterik mit Grenzwissenschaften gleich.
Spiritualismus
Der Begriff Spiritualismus wird sowohl in der Philosophie wie in der Theologie gebraucht.
1. Seit Lamettries „L’Home machine“, die „Bibel“ des Materialismus, 1748 erschienen war, braucht man in der Philosophie den Begriff Spiritualismus als Gegenbergriff zum Materialismus. „Der Spiritualismus ist eine Form des ontologischen Monismus, tritt aber auch als eine Art des psychologischen (anthropologischen) Dualismus auf“, heisst es im Handwörterbuch der Philosophie. Anlass zu Verwirrung gibt, dass im Englischen seit etwa 1870 meist „spiritualism“ für den Spiritismus gebraucht wird (z. B. bei W. Crookes).
2. Der religiöse Spiritualismus ist eine gegen den Dogmatismus der Kirche gerichtete Lehre. Mehrere christliche Gemeinschaften vertreten die Auffassung, dass allein die unmittelbare Ergriffenheit des Einzelnen durch den Geist Gottes die Voraussetzung für ein authentisches Leben als Christ bilde. Im Zeitalter der Reformation (die „Schwärmer“, und der Mystiker Schwenckfeld) und danach (etwa im radikalen Pietismus, 1675, und bei den Quäkern) gehörten die Vertreter des Spiritualismus zu den Kirchenkritikern. Im starken Masse durch spiritualistische Frömmigkeitsformen geprägt sind die Pfingstbewegung (ab ca. 1900) und die „charismatische Bewegung“ (ab 1960, eine evangelikale Bewegung).
Spirituell, Spiritualität
1. Spiritualität ist ein alter Begriff aus der christlichen Theologie und Philosophie und bezeichnet meist eine „geistige“ Ebene oder Seinsform im Unterschied zur körperlichen oder materiellen. Sofern „spirituell“ den Lebenswandel betrifft, soll dieser gemäss der Heiligen Schrift erfolgen und die „Fleischlichen“ oder „animalischen“ Bedürfnisse unterdrücken. Um 1700 findet sich der Begriff in einer Kontroverse (von Bossuet und Fénelon) über die Mystik, d. h. die neue „Spiritualität“ der französischen Quietisten. Mehrere Traktate bestimmen den „homme spirituel“ und die Spiritualität als Abwendung von äusseren Leben und Hinwendung zu Gott.
Erst seit 1900 wird der Begriff häufiger gebraucht. Spiritualität ist im Unterschied zur äusseren Erfüllung der (christlichen) Gebote und zur Befolgung der (religiösen) Riten das „innere“ religiöse Leben (L. Bouyer: Einführung in die Christliche Spiritualität. 1965; Ch. Schütz, Ed.: Praktisches Lexikon der Spiritualität. 1988). Vielfach wurde Spiritualität gleichbedeutend mit „Frömmigkeit“ gebraucht, es klingt vornehmer. Neuere Defintionsversuche habe u. a. Hans Urs von Balthasar (1960) und Josef Sudbrack S. J. (ab 1966) unternommen. Um dem Zeitgeist gerecht zu werden, müsste die Theologie heute nicht mehr dogmatisch, sondern „spirituelle Theologie“ sein (Th. Sartory, 1967; J. Weismeyer, 1975).
2. Die Theosophen brauchten bereits „spirituell“ in einem aussser-christlichen Sinn, d. h. auf ihre Lehre zugeschnittenen Sinn, z. B. Rudolf Steiner: Spirituelle Seelenlehre und Weltbetrachtung. Vorträge 1903/4. Annie Besant: The spiritual life. 1912 (300 Seiten) Alice Ann Bailey: Spiritual Leadership. 1922.
3. Die New-Age-Bewegung nahm in den 60er Jahren diese theosophische Bedeutung wieder auf und verhalf ihr zum Durchbruch, zuerst in den USA, dann auch in Europa.
1967-1971 entstanden hauptsächlich in Kalifornien, aber auch in Neu England, zahlreiche sog. „spirituelle“ Gemeinschaften, z. B.
Die ersten Führer und Adresslisten erschienen schon recht früh, z. B. der «Spiritual Community Guide» 1972 und Peggy Masons «New Age Companion» 1975. Letzteres Verzeichnis bietet einen frühen Hinweis darauf, dass sich die unzähligen Gruppen und Kommunen langsam als «New Age Movement» zu betrachten begannen. Die wichtigsten Bezeichnungen für die Inhalte des New Age sind:, Neues Bewusstsein, Kosmisches Bewusstsein, Bewusstseinswandel, Transformation, ganzheitlich und –absolut zentral: „spirituell“. Das Wort „Spiritualität“ erlebte in den 80er Jahren einen geradezu inflationären Gebrauch.
Mehrere Überblicke bot seit 1969 der Journalist Theodore Roszak, z. B. «The Making of a Counter Culture» (1969; dt. 1971) und reichlich kunterbunt 1975 unter dem kuriosen Titel: «The Unfinished Animal. The Aquarian Frontiers and the Evolution of Consciousness" (dt. 1982, als TB 1985). Ähnlich berichtete der Soziologe Hans Sebald über die amerikanische «Romantik des 'New Age'» (in Hans Peter Duerr, Hrsg: «Der Wissenschaftler und das Irrationale» 1981). Vergleiche auch:
Hierzulande berichteten darüber:
Beste und genaueste Information bietet die «American Encyclopedia of Religions» (1987); sie verzeichnet über 300 Gemeinschaften spiritualistischer und okkulter Art - bis hin zu Hexen- und Satanskulten.
Charles T. Tart – ein Anhänger des Magiers Gurdjieff - verwendete in seinem Sammelband „Transpersonale Psychologie“ (engl. 1975; dt. 1978) das Wort Spiritualität häufig und möchte seine Freunde „spirituelle Psychologen“ nennen. C. Trungpa beschrieb den falschen „Spirituellen Materialismus“ (1975). “Von Religion zu Spiritualität“ nennt Marilyn Ferguson ein Kapitel ihres Bestsellers „Die sanfte Verschwörung“ (engl. 1980; dt. 1981). Der von Stanislav Grof herausgegebene Sammelband „Alte Weisheit und modernes Denken“ (1986) trägt den Untertitel: „Spirituelle Traditionen in Ost und West im Dialog mit der neuen Wissenschaft“. In den 80er Jahren hofften manche, die ganze Welt würde spirituell, z. B.:
Aus den Bemühungen um ganzheitliche Medizin entstand z. B. die „Kunst des spirituellen Heilens“ (1984), wobei der Autor Keith Sherwood auf die Hermetischen Prinzipien zurückgreift. Weibliche Heilkunst beruft sich auf Diane Steins „Women’s Spirituality Book“ (1987). Von Hallie Iglehart erschien 1987 das Handbuch „Weibliche Spiritualität – Traumarbeit, Meditationen und Rituale“. Schon 1982 hatte die Feministin Charlene Spretnak einen Sammelband wissenschaftlicher Abhandlungen zum Thema „The Politics of Women's Spirituality“ herausgegeben.
Es gibt Autoren, die fassen unter „spirituelle“ Techniken: Yoga, Meditation, Mantra, rituellen Tanz, Psychedelik etc.
In einem allgemeinen Sinne wird der Begriff auch gebraucht:
New Age
Sergius Golowin meinte 1980, das Wort «New Age» sei in den vergangenen 20 Jahren unter den «jungen Suchern», irgendwo zwischen Kalifornien und Katmandu, geboren worden. Weit gefehlt! Es kommt ausgerechnet aus der von ihm als «spiessbürgerlich» bezeichneten Zivilisation des 19. Jahrhunderts. Schon Lessing hoffte 1777: «Sie wird gewiss kommen, die Zeit eines neuen ewigen Evangeliums.» Als Zeitschriftentitel war «Die neue Zeit» seit 1830 resp. 1846 beliebt; seit 1915 erschienen die Deutschen Evangelischen Volkshefte unter dem Titel «Das neue Zeitalter». Die englische Bezeichnung «New Age» taucht ebenfalls um 1840 als Titel von religiös orientierten Zeitschriften in den USA und in England auf. Seit 1865 trägt das Organ der Odd Fellows, eine in San Francisco erscheinende Wochenzeitung, diesen Titel, seit 1904 die auflagenstarke Monatszeitschrift der amerikanischen Hochgrad-Freimaurer. Die Theosophin Alice Ann Bailey sprach dann häufig von „New Age“. Ihr Mann war Freimaurer. Die 1962 im Norden von Schottland gegründete Findhorn-Gemeinschaft machte «New Age» seit Anfang der 70er Jahre als Begriff erneut bekannt. Ein weiterer Markstein der New-Age-Bewegung bildete die Gründung des Esalen-Instituts bei Big Sur 1962. Um 1990 verebbte die Bewegung.
Klaus Berger: New Age - Ausweg oder Irrweg? 2. ed. 1987. Joachim Müller et al.: New Age aus christlicher Sicht. New Age – Apokalyptik – Gnosis – Astrologie – Okkultismus. 3. ed. 1988. Martin Gardner: The new age. 1988. Friedrich L. Wedemeyer: New Age – Fakten und Folgen. 1989. Serena
Roney-Dougal: Where Science and Magic Meet. 1991; Klaus D. Neumann, Wolfgang Weirauch: Hexen, New Age, Okkultismus. 3. ed. 1992. Hans D. Mutschler: Physik – Religion – New Age. 2. ed. 1992. Erich Brüning: Drei Systeme. Was verbindet Freimaurer, New Age und Jehovas Zeugen? Lahr : Verl. der Liebenzeller Mission 1993;2. ed. 1994. Peter Kratz: Die Götter des New Age. Im Schnittpunkt von „Neuem Denken“, Faschismus und Romantik. 1994. Wouter J. Hanegraaff: New Age Religion and Western Culture. Esotericism in the Mirror of Secular Thought. 1996. H. Platta: New-Age-Therapien pro und contra. 2. ed. 1997. Reinhard Dörner (Ed.): Kirche – Zeichen des Widerspruches. Gnosis, Aufklärung, New Age. Hintergründe der gegenwärtigen Kirchenkrise. 1998.
Transzendent, transzendental, Transzendenz
Diese Begriffe gehören primär in das enge Gebiet der Schulphilosophie. Sie kommen aus dem Griechischen und bedeuten: „etwas übersteigend“. Seit Kant haben sie eine präzise erkenntnistheoretische Bedeutung.
Transzendent bedeutet dreierlei:
Transzendenz heisst zuerst der Vorgang des Übersteigens der Grenzen der Erfahrung, der Erkenntnis oder des Bewusstseins, dann aber auch das Ziel des Vorgangs: das Übersinnliche, Absolute, Gott.
Transzendental bedeutet nicht etwas, das alle Erfahrung übersteigt, sondern umgekehrt, was ihr vorangeht. „Transzendental“ betrifft also die „Bedingungen der Möglichkeit“ der Erfahrungserkenntnis. Das transzendentale Bewusstsein ist, rein logisch, ein Inbegriff apriorischer Formen und Geltungen als Bedingung aller Erkenntnis und deren Objekte.
Transzendentalismus ist der Standpunkt des transzendentalen Idealismus, in den USA eine Art idealistische Metaphysik, z. B. bei Emerson („Nautre“, 1836). Man spricht auch von den Transzendentalisten.
Maharishi Mahesh Yogi führte 1958 im Westen die „Transzendentale Meditation“ als „Wissenschaft vom Sein und der Kunst des Lebens“ ein.
Auch hier kann man die Begriffe anders fassen, z. B.:
Metaphysik, metaphysisch
Metaphysik hat im Prinzip mit allem bisher Beschriebenen gar nichts zu tun. Sie ist das Kerngebiet der Philosophie. Und Philosophie versucht, möglichst rational, mit Denken und Schliessen in die Geheimnisse der Welt vorzudringen. Hegel hat Philosophie definiert als „Anstrengung des Begriffs“.
Das Wort hat folgende Geschichte: Ursprüngliche Bezeichnung der in der Sammlung des Aristoteles „nach der Physik“ (meta ta physika) stehenden Bücher, die von der „Ersten Philosophie“ oder der „sophia“ handelten. Die Neuplatoniker deuteten den Ausdruck dahin, dass ihr Gegenstand „das, was über die Natur hinausgeht“, oder das „hinter der Natur“ als deren Ursache Liegende und die eigentliche Wirklichkeit sei. Metaphysik ist ein Teil der Schulphilosophie und zerfällt in die Lehre vom Seienden (Ontologie), vom Wesen der Welt (Kosmologie), des Menschen (philosophische Anthropologie) und von der Existenz und dem Wesen der Gottheit (Theologie).
In einem allgemeinen Sinne wird „Metaphysik“ und „metaphysisch“ freilich auch verwendet, es bedeutet dann etwa „alle Erfahrung übersteigend, transzendent“. Nach dem Psychologen Wilhelm Wundt (1885) sind metaphysisch „Annahmen, die irgendwie hypothetische Ergänzungen der Wirklichkeit sind“, Theorien, die irgendein empirisch gegebenes Verhältnis über alle Grenzen der Erfahrung hinaus erweitern.
Der grosse Immanuel Kant gebrauchte das Wort unterschiedlich: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. 1786. Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft. 1786. Die Metaphysik der Sitten in zwei Teilen. 1797.
Seit 1896 erschien die „Metaphysische Rundschau - Monatsschrift zum Studium der praktischen Metaphysik, Psychologie, orientalischen Philosophie und des gesammten Occultismus“, herausgegeben von P. Zillmann, später umbenannt in „Neue metaphysische Rundschau – Monatsschrift für philosophische, psychologische und occulte Forschungen“.
Ludwig Haller: Alles in Allem. Metalogik, Metaphysik, Metapsychik. 1888. Matgioi: La Voie métaphysique. 1905. Fritz Stege: Das Okkulte in der Musik. Beiträge zu einer Metaphysik der Musik. 1922. Ernst Benz: Die metaphysische Begründung der Sprache bei Jakob Böhme. 1936. G. Vallin: La Perspective métaphysique. 1953. Julius Evola: Metaphysik des Sexus. 1962. J. Stillson Judah: The History and Philosophy of the Metaphysical Movements in America. 1967. Matthias Vereno: Östliche Metaphysik und die Erneuerung des Symboldenkens im Abendland. In Zeitschrift für Ganzheitsforschung N. F. Jg. 15, H. 4 (1971), 195-203. Karlfried Graf Dürkheim: Im Zeichen der grossen Erfahrung. Studien zu einer metaphysischen Anthropologie. 1974. Frithjof Schuon: Grundzüge der Metaphysik. In Zeitschrift für Ganzheitsforschung, N. F. 21. Jg. H. 4 (1977), 212-226.
Philosophia perennis
Der Begriff wurde 1540 von A. Steuco (Steuchus Eugubinus) durch seinen Buchtitel „De perenni philosophia libri X“ geprägt, und zwar zur Bezeichnung „derjenigen Grundwahrheiten, die bei allen Völkern zu allen Zeiten vorhanden sein und zusammen die eine Wissenschaft aus dem einen Prinzip (Gott) ausmachen sollen... Der Ausdruck wurde im Zuge der Rehabilitierung des theologischen Rationalismus Thomas von Aquins von katholischer Seite aufgegriffen (ca. 1880) und bezeichnet seitdem allgemein das von einem festen Bestand philosophischer Dogmen ausgehende Denken...
Neben dieser Deutung gibt es andere neuere Auffassungen der Philosophie, die man als ‚philosophia perennis’ bezeichnet oder bezeichnen könnte, z. B. als Problemdenken (N. Hartmann), als Gespräch der wenigen grossen Philosophen miteinander über die Zeiten hinweg (Jaspers) oder als das wache kritische Bewusstsein über die ewige Flut dunkler und heller Bilder, die aus der Tiefe der Seele aufsteigen’ (Rothacker).“ (Hoffmeister).
Für die Grundlehren des Christentums in philosophischer Sprache gelten als Kern 24 Sätze aus den Werken des Thomas von Aquin.
Aldous Huxley (1945) verstand unter Philosophia perennis „die Metaphysik, die von einer der Welt der Dinge, des Lebendigen und des Geistes innewohnenden göttlichen Wirklichkeit ausgeht; die Psychologie, die in der Seele etwas findet, das der göttlichen Wirklichkeit gleicht oder gar mit ihr identisch ist; und die Ethik, die des Menschen Bestimmung in der Erkenntnis des immanenten und transzendenten Grundes allen Seins sieht“.
Laut Elmar Gruber (New-Age-Wörterbuch 1986) sollen die „meisten Systeme“ der P. P. Sein und Bewusstsein in hierarchischen Systemen geordnet sehen, die etwa sechs Ebenen umfassen. Als Literatur gibt er an: Ken Wilber: Physik, Mystik und das holographische Paradigma (engl. 1979); in Ken Wilber (Ed.): Das holographische Weltbild. 1986.
Fritz Medicus: Von der Zeit und vom Überzeitlichen in der Philosophie. Logos XII, ca. 1921. J. Barion: philosophia perennis als Problem und Aufgabe. 1936. Hans Meyer: Das Wesen der Philosophie. 1936. Aldous
Huxley: The perennial philosophy. 1945; E. Stein: Endliches und ewiges Sein. Ein Durchblick durch die Philosophia perennis. 1950. P. Häberlin: Philosophia perennis. 1952. Frithjof
Schuon: De l’université transcendante des religions. 1948; Frithjof Schuon:
Sur les traces de la religion pérenne. 1982;
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